Die Verbindung zwischen zwei Kriegen

In den zurückliegenden Tagen haben zwei Erklärungen den Nahen Osten neu definiert – obwohl sie nicht von Israel oder der Hamas, sondern von den Kriegsparteien in einem mehr als tausend Meilen entfernten Konflikt abgegeben wurden. Die erste kam aus Moskau, das erklärte, der Konflikt in der Ukraine werde bis Ende 2024 beigelegt sein. Die andere kam aus Kiew, das einen ähnlichen Zeitrahmen für eine Lösung nannte.

Das schreibt George Friedman in „The Link Between Two Wars". Nachfolgend bringe ich eine Übersetzung des Artikels, der ein Querdenken der besonderen, US-fokussierten Art offenbart [Hervorhebungen und Formatierung von mir].

Russlands Strategie zu Beginn der Invasion bestand darin, die Ukraine schnell und entschlossen zu zerschlagen. Die Strategie der Ukraine bestand darin, lange genug Widerstand zu leisten, um den russischen Kampfeswillen zu erschöpfen. Keine der beiden Strategien war erfolgreich, und der Krieg dauert nun schon seit über zwei Jahren an. Die Ankündigung, dass der Konflikt bald beendet sein würde, war also eher ein Problem für Russland als für die Ukraine, da sein Ruf, über eine beeindruckende Armee zu verfügen, erschüttert wurde. Im Krieg kann sich ein Erfolg innerhalb weniger Tage in einen Misserfolg verwandeln, und die beiden Erklärungen schienen nicht aufeinander abgestimmt zu sein. Nichts ist sicher, bevor es nicht getan ist. Dennoch scheinen die Gründe für beide Erklärungen angesichts der Geschichte und des aktuellen Stands des Krieges vernünftig zu sein.

In der Zwischenzeit muss die Ukraine eine Wirtschaft wieder aufbauen, die sich nicht nur selbst trägt, sondern die Ukraine auf ein Niveau mit dem Rest Europas bringt, während sie gleichzeitig rasch militärische Mittel bereitstellt, die weitere russische Aktionen verhindern können.

Die Aufgabe Russlands ist etwas anders. Es ist in die Ukraine eingedrungen, um sich von der NATO strategisch abzusetzen. Nachdem es nicht gelungen ist, das Land zu besetzen, hat Moskau die gleiche Notwendigkeit, muss sich aber nun nach anderen, weniger optimalen Pufferzonen umsehen. Dies könnte den Kreml dazu veranlassen, seinen Einfluss in anderen potenziellen Einfallstraßen nach Russland – dem Baltikum, Polen, Ungarn und dem Balkan, um nur einige zu nennen – zu verstärken und vielleicht eine bessere Abschreckung zu schaffen. Für Moskau sind diese Gebiete politisch und wirtschaftlich beherrschbar, so dass es sich nicht ausschließlich um eine militärische Angelegenheit handelt, aber die Geographie diktiert, dass die militärische Bedrohung bestehen bleibt.

Russland muss auch das Gleichgewicht im Kaukasus aufrechterhalten, von wo aus Bedrohungen für Südrussland ausgehen können und wo die USA und die NATO auf der Lauer liegen. Die vielleicht wichtigste Nation in dieser Region ist der Iran, der religiös und kulturell mit Aserbaidschan verbunden ist, einer kaukasischen Nation, die eine potenzielle Bedrohung für Russland darstellt, wenn sie von einer besonders mächtigen Nation unterstützt wird. Aserbaidschan hat als Puffer zwischen Russland und dem Iran gedient und ist nun mit Russland verbündet. Die Beherrschung des Kaukasus ist schwierig, aber im Nahen Osten hat sich eine potenzielle Chance aufgetan.

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Es besteht eine glaubwürdige Kriegsdrohung zwischen dem Iran auf der einen und Israel und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite. Die USA haben von einem Krieg wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Russland unterstützt einen solchen Krieg, da er die USA weit im Süden Russlands einschließen und gleichzeitig die Tür für russische Unterstützung und Einflussnahme öffnen würde. Er würde auch die Möglichkeit für gemeinsame Unternehmungen mit dem Iran im Kaukasus über Aserbaidschan eröffnen.

Russland und der Iran haben in den USA denselben Feind und ein Netzwerk von Nationen, die beiden freundlich gesinnt sind. Zusammen bilden sie eine beeindruckende Macht. Wenn Russland Einfluss auf einen Staat hätte, zu dem es bisher keine engen Beziehungen unterhielt, würde dies Russland in eine starke Position bringen, insbesondere nach dem Schlag, den es in der Ukraine einstecken musste. Russland würde seine Südflanke sichern und sich für künftige Operationen gut positionieren.

Gegenwärtig scheint Moskau Waffen an den Iran zu liefern, während Israel sich auf eine Großoffensive vorbereitet, die Washington ablehnt. Dieses Zerwürfnis ist ein weiteres Geschenk an die Russen, denn es schwächt die Beziehungen zwischen den USA und Israel, die eine ständige Bedrohung für die russischen Interessen im Nahen Osten darstellen. Der Iran seinerseits ist misstrauisch gegenüber einer Beziehung zu Russland und den damit verbundenen Belastungen. Doch ein Krieg könnte Teheran trotz seiner Bedenken näher an Moskau heranführen.

Dies ist die Verbindung zwischen dem Krieg in der Ukraine und dem arabisch-israelischen Krieg. Die USA könnten in einen Krieg gegen den Iran verwickelt werden, obwohl sie das nicht wollen. Aber wenn Russland den Kaukasus beherrscht und den Iran als Verbündeten hat, würde es seine schwache Leistung in der Ukraine wieder wettmachen. Es würde Russland zu einer Macht im Nahen Osten machen und die USA in die Lage versetzen, entweder das Schlachtfeld zu verlassen (und als besiegt zu erscheinen) oder in einen brutalen und gefährlichen Krieg einzutreten (den Russland durch seine Beziehungen zum Iran bis zu einem gewissen Grad kontrollieren könnte).

Dazu wird es natürlich nicht kommen. Aber Israel ist auf dem Vormarsch, die USA spielen mit, Russland braucht nach der Ukraine einen Sieg, und der Iran will ein wichtiger Akteur sein. Dieses Szenario ist gar nicht so unwahrscheinlich, wie es vielleicht scheint.

Über George Friedman
George Friedman von Geopolitical Futures ist ein gut vernetzter US-amerikanischer Analytiker der Weltpolitik. Zweifel an der Rolle der USA fechten ihn nicht an. Seine Analysen sind gewöhnlich kenntnisreich. Es schadet nicht, eine USA-zentrierte Sicht zu kennen – das Land ist nach wie vor die bedeutendste wirtschaftliche, politische und militärische Macht auf der Welt. Diese Sicht schließt ein, Russland als den großen Aggressor und großen Verlierer in der Ukraine zu sehen.

Nachtrag
Siehe auch Wer hat den Ukraine-Krieg verursacht?

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