Immer wieder Bankenpleiten – warum?

Die Silicon Valley Bank ist bankrott, die zweitgrößte Geschäftsbankpleite in der amerikanischen Geschichte. Die Signature Bank folgte, andere sind in Problemen, etwa die First Republic Bank. Woran scheitern Banken immer wieder? Der Kollaps der Investmentbank Lehman Bros hätte 2008 fast das Finanzsystem zum Einsturz gebracht.

Die Webseite „Natural News“ hat eine griffige Erklärung für die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB): „Der Zusammenbruch der SVB ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was kommen wird, wenn woke Idioten weiterhin das Sagen haben.“ Eine Anspielung darauf, wie es heißt, dass z.B. die Leiterin des Risikomanagements der Bank für Europa, Afrika und den Nahen Osten, einen Teil ihrer Zeit verschiedenen LGBTQ+-Programmen gewidmet hat…

Die Vorgeschichte des Scheiterns der SVB
Per Ende 2022 betrug die Bilanzsumme der Silicon Valley Bank 209 Mrd. Dollar, als Eigenkapital wurde 16,3 Mrd. Dollar ausgewiesen. In 2021 wuchsen die Kundeneinlagen um 86%, Ende 2022 verfügte die Bank über Einlagen in Höhe von 173 Mrd. Dollar. Geschuldet war diese Entwicklung dem Tech-Hype, der nach „Corona“ entstand, viele Unternehmen und ihre Mitarbeiter im Silicon Valley verdienten gut.

Der Abstieg begann, als Kunden anfingen, ihre Einlagen abzuziehen. Zeitgleich hatte Fed-Chef Powell vor dem Kongress am zurückliegenden Dienstag den geldpolitischen Kurs der Fed bestätigt mit der Aussicht auf länger und weiter steigende Leitzinsen. Die Bank versuchte, durch Verkauf fast aller ihrer liquiden Wertpapiere im Umfang von 21 Mrd. Dollar dem Abfluss an Einlagen zu begegnen. Dabei entstand ein Verlust von 1,8 Mrd. Dollar. Gleichzeitig sollte eine Kapitalerhöhung erfolgen, die jedoch schief ging. Am Donnerstag wurden Einlagen im Volumen von weiteren 42 Mrd. Dollar abgezogen. Das war es dann.

Die Bank hat rund 80 Mrd. Dollar in US-Staatsanleihen und vor allem in hypothekarisch besicherte Wertpapiere investiert. Diese Papiere haben zwar ein geringes Kredit- oder Gegenparteirisiko, sie sind aber nicht „risikofrei", es besteht ein Durationsrisiko, sie sind zinssensitiv. Wenn die Marktrenditen steigen, müssen die Anleihekurse fallen, um diese höheren Renditen widerzuspiegeln und umgekehrt.

Werden Anleihen hoher Bonität bis zur Fälligkeit gehalten, sind alle Wertschwankungen nur Rauschen. Wenn man aber wie im Falle der SVB gezwungen ist, Anleihen vor Fälligkeit zu verkaufen, hat man ein Kursrisiko. 10yr-TNotes warfen in 2021 im Mittel 1,44% an Zinsen ab. In 2022 waren es im Mittel 2,954%. Die Renditen kletterten im Oktober bis auf 4,25%, die Kurse von US-Staatsanleihen sind in 2022 im Gegenzug um 12% gefallen. So ist der Verlust von 1,8 Mrd. Dollar bei einem Verkauf von solch „sicheren“ Papieren vor Fälligkeit im Umfang von 21 Mrd. Dollar nachvollziehbar.

Man hätte es ahnen können: Die Silicon Valley Bank hatte in ihrer Bilanz für 2022 17,6 Mrd. Dollar an unrealisierten Verlusten ausgewiesen, das Eigenkapital belief sich auf 16,3 Mrd. Dollar. Wäre sie damals gewungen gewesen, ihre Anleihen zu verkaufen, wäre das Eigenkapital aufgezehrt und die Bank bankrott gewesen.

Verlust heißt nicht automatisch „Pleite“. Ein Unternehmen mit einem ordentlichen Eigenkapital kann Verluste wegstecken, ohne in Gefahr zu geraten, bankrott zu gehen.

Nach der Lehman-Pleite von 2008 wurde gefordert, dass Banken höhere Eigenkapitalquoten insbesondere beim Kernkapital erreichen sollen. Dieser Risikopuffer sollte Sicherheit bringen. Bei der Kernkapitalquote wird das Eigenkapital durch die Summe der risikogewichteten Aktiva geteilt. Hier ist viel Spielraum. Banken müssen für die „risikolosen“ Staatsanleihen kein Eigenkapital vorhalten, diese hübschen so die Quote auf. Besser wäre es, die Kernkapitalquote auf Basis der Bilanzsumme zu berechnen und rigide Vorgaben zu machen. Die „Basel-Reform" hat versagt.

So geschieht es also in Phasen von Geldflut, dass der Wert von Staatsanleihen immer weiter steigt und so ein hohes Eigenkapital vortäuscht. Steigen die Renditen mit dem Ende der Nullzinspolitik an, entweicht die Luft aus der Eigenkapitalblase.

Geschäftsbanken wollen mit wenig Eigenkapital an Krediten verdienen. Geht das gut, werden die Eigentümer mit Dividenden belohnt. Geht es schief, wird nach dem Staat gerufen. Und der ist auch im Falle der Silicon Valley Bank gekommen. Am Ende wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Ist die Pleite der Silicon Valley Bank auf schlechte Unternehmensführung zurückzuführen und damit ein Einzelfall oder laufen wir in ein systemisches Risiko?

Beides.

Alle US-Banken parken einen Teil ihres Geldes in Staatsanleihen und anderen Anleihen, die im vergangenen Jahr aufgrund der schnellsten Zinserhöhung der Fed seit Volcker an Wert verloren haben. Bei der SVB ist jedoch das Anlageportfolio auf 57% ihrer gesamten Aktiva angestiegen. Keine andere der 74 großen US-Geschäfts-Banken kommt auf einen Anteil von mehr als 42%. Zudem ist die Struktur des Portfolios deutlich riskanter ausgelegt als es dem Mittelwert entspricht.

Dass auch die Bank of America, die zweitgrößte US-Bank, nicht gerade „bombig“ dasteht, zeigen folgende Zahlen. Per 2022 hat die Bank unrealisierte Verluste in Höhe von 109 Mrd. Dollar auf die von ihr gehaltenen Anleihen in Höhe von 633 Mrd. Dollar ausgewiesen. Das entspricht 40% des Eigenkapitals von 270 Mrd. Dollar (h/t Christian Kreiß).

Einen Hinweis auf das systemische Risiko liefert die Fed mit ihrem neuen, aus Anlass der SVB-Pleite geschaffenen „Bank Term Funding Program“ gleich selbst. Einlagen-Institute können damit Darlehen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr erhalten, die durch Staatsanleihen und andere von diesen Instituten gehaltenen Vermögenswerte besichert sind. Dabei akzeptiert die Fed Sicherheiten zum Nennwert und nicht zum Marktwert. So können Banken Mittel aufnehmen, ohne Vermögenswerte mit Verlust verkaufen zu müssen.

Ein weiterer Hinweis: Daten der amerikanischen Einlagensicherung FDIC zeigen, dass die unrealisierten Verluste bei Wertpapieren in den Büchern der Mitgliedsbanken im vierten Quartal 2022 620 Mrd. Dollar betrugen. Die unrealisierten Verluste bei bis zur Fälligkeit gehaltenen Wertpapieren beliefen sich auf 340,9 Mrd. Dollar. Die nicht realisierten Verluste aus zur Veräußerung verfügbaren Wertpapieren beliefen sich auf 279,5 Mrd. Dollar (siehe hier!).

Wegen der mittlerweile klar inversen Rendite-Struktur können Banken an der Kreditvergabe nicht mehr (viel) verdienen. Ihre Anleihebestände unterliegen dem Kursrisiko. Zugleich verlangen die Einleger mit den steigenden Leitzinsen eine höhere Verzinsung ihrer eingebrachten Bargeldbestände. Ansonsten wandern sie zur Konkurrenz oder kaufen Geldmarktfonds. Das alles lässt die Situation im Bankensektor nicht gerade rosig erscheinen. Erst in der Spätphase einer Rezession dürfte sich das Umfeld wieder aufhellen.

Also: Die Pleite der Silicon Valley Bank wird nicht die letzte gewesen sein in diesem Konjunkturzyklus. Ganz im Gegenteil. Das jetzt aufgelegte Fed-Programm wird dazu beitragen, unterkapitalisierte Banken eine zeitlang zu alimentieren, weitere Zombie-Unternehmen werden entstehen. Die Bereinigung wird verschleppt, das Risiko im Bankensektor steigt.

Insgesamt hat die Leitzinspolitik der Fed, in ihrer Geschwindigkeit vergleichbar mit Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre, den Schuldendienst stark verteuert, erst recht, wenn man einbezieht, dass die Gesamtverschuldung der US-Wirtschaft aktuell beim 2,6-fachen des BIP liegt. 1980 war die Quote halb so hoch. Gleichzeitig haben die Wachstumskräfte stark nachgelassen. Daher muss mit stärkeren Kreditausfällen gerechnet werden, die wiederum die Stabilität des Bankensystems gefährden.

Ergänzung:
Wie „risikolos" Staatsanleihen sind, hat sich in der Finanzkrise gezeigt, als die Renditen etwa in der Eurozone erheblich auseinanderliefen. Auch heute liegt die Rendite z.B. italienischer Staatspapiere trotz aller Eingriffe der EZB deutlich über der, die für deutsche zu zahlen ist (siehe hier!). Risikolos sind im wirklichen Wortsinne US-Treasurys zumindest so lange, so lange der Dollar noch als Weltleitwährung gilt.

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