US-Banken unter Druck

In der zweiten Hälfte des US-Handels kam es gestern zu einem kräftigen Kursrutsch. Er betraf zwar vor allem den Banken-Sektor, breitete sich aber schnell auf das gesamte Aktienspektrum aus. Der amerikanische Bank-Index verlor 6,6% im Vergleich zum Vortag, der S&P 500 kam auf einen Verlust von 1,8%, Dow und NDX verloren im gleichen Ausmaß.

Als Grund werden Turbulenzen um die amerikanische technologieorientierte Silicon Valley Bank (SVB) angegeben. Die Aktien der kalifornischen SVB Financial Group brachen um über 60% ein, nachbörslich verloren sie weitere 26%. Die als Hausbank vieler US-Technologieunternehmen bezeichnete Bank muss ihre Bilanz neu ausgerichten, um die länger als erwartet anhaltend hohen Zinssätze zu berücksichtigen.

Die SVB, Nummer 16 der amerikanischen Bankenbranche mit per Ende 2022 209 Mrd. Dollar an Vermögenswerten, verkaufte am Mittwoch mit 21 Mrd. Dollar fast alle liquiden Wertpapiere in ihrem Bestand. Dies geschah offenbar als Reaktion auf einen Rückgang der Kundeneinlagen. Sie verlor dabei 1,8 Mrd. Dollar. Am Donnerstag haben Kunden weitere 42 Mrd. Dollar an Einlagen abgezogen (von vormals 173 Mrd. Dollar). Die Bank will ihre Liquidität durch eine milliardenschwere Kapitalerhöhung stärken. Die Prognose für das erste Quartal wurde gesenkt. Die Ratingagentur Moody's reagierte sofort und senkte die Kreditwürdigkeit des Unternehmens.

Im grössten Ausverkauf im Bankensektor seit fast drei Jahren verloren auch die Titel der großen Banken wie Bank of America, Wells Fargo und J.P. Morgan 5% und mehr. Der Marktwert der nach Vermögenswerten vier größten US-Banken verringerte sich um 52,4 Mrd. Dollar.

Es wird geraunt, die Unsicherheiten rund um die Silicon Valley Bank seien nur die Spitze des Eisbergs. Die Sorgen betreffen vor allem die kleinen und mittelgrossen Banken. Viele von ihnen werden Eigenkapital aufbringen müssen, heißt es. Bei diesen Banken sei die Finanzierung in der Regel weniger breit gestreut.

Zudem besteht die Sorge, ob die Anleiheportfolios auch größerer US-Banken ausreichend werthaltig sind, die während „Corona“ vom Zustrom in langfristige Papiere aufgebläht wurden. Die Risiken höherer Zinssätze hätten sich noch nicht (ausreichend) in den Vermögenspreisen niedergeschlagen, heißt es.

Überall auf der Welt haben Anleger darauf gewettet, dass steigende Zinsen bei den Banken zu steigenden Erträgen führen. Die Kehrseite der geldpolitischen Straffungen zur Bekämpfung der Inflation ist jedoch eine Belastung des Wirtschaftswachstums. Das kann Banken dazu zwingen, die Risiken in ihren Kreditportfolios neu zu bewerten. Das wiederum kann es erforderlich machen, Marktwertverluste von Anleihenbestände und anderen Wertpapieren zu realisieren.

Daten der amerikanischen Einlagensicherung FDIC zeigen, dass sich die unrealisierten Verluste bei Wertpapieren in den Büchern der Mitgliedsbanken im vierten Quartal 2022 620 Mrd. Dollar betrugen, ein Rückgang um 10,1% gegenüber dem Vorquartal. Die unrealisierten Verluste bei bis zur Fälligkeit gehaltenen Wertpapieren beliefen sich auf 340,9 Mrd. Dollar. Die nicht realisierten Verluste aus zur Veräußerung verfügbaren Wertpapieren beliefen sich auf 279,5 Mrd. Dollar.

Der Gesamtbestand an Krediten und Leasingverträgen stieg im Vergleich zum Vorquartal um 225,5 Mrd. Dollar (1,9%). Im Jahresvergleich stiegen die gesamten Kredit- und Leasingsalden um $979,9 Mrd. (+8,7%), angetrieben durch das Wachstum bei gewerblichen und industriellen (C&I) Krediten (+9,7%), Ein- bis Vierfamilien-Wohnhypotheken (+9,8%) und Verbraucherkrediten (+10%). Der jährliche Anstieg der Kreditsalden war der zweitgrößte in der Geschichte des QBP (Quarterly Banking Profile), der zweitgrößte nach dem Anstieg im letzten Quartal.

In absoluten Zahlen: Die gesamten Kredit- und Leasingsalden betrugen im Januar 2023 gut 12 Bill. Dollar. Die Summe an gewerblichen und industriellen (C&I) Krediten betrug 2,835 Bill. Dollar.

Die Aufsichtsbehörden konzentrieren sich seit der Finanzkrise 2008 darauf, die Stabilität grosser systemrelevanter Banken engmaschig zu überwachen. Dadurch bleibt weniger Potenzial für die Kontrolle der Bilanzen kleinerer Banken, auch jener, die neuartige Finanztechnologieplattformen betreiben oder in Kryptowährungen investiert sind.

Hier sind die zehn US-Banken mit über die zurückliegenden 12 Monate kontrahierenden oder kaum expandierenden Margen aufgelistet.

Die Rendite der 2yr-TNotes ist gestern um 3,8% auf 4,876% zurückgegangen, die der 10yr-TNotes verlor 2% auf 3,911%, die der 30yr-TBonds verzeichnete einen Rückgang um 1% auf 3,856%. Das sind erhebliche Bewegungen, die zumindestens zeigen, dass große Anleger äußerst wachsam sind gegenüber dem, was im Bankenbereich geschieht. Aufgrund der hohen Verschuldung ist es nicht einfach nur eine akademische Frage, ob es zu einer Rezession kommt und wie schwer sie ausfällt.

Nachtrag:
Warum Bankenaktien abstürzen – die Verbindung zwischen Einlagen, Duration und Ausfall (J. Blokland)
Banken stehen jetzt unter Druck, die Zinsen für ihre Einlagen anzuheben. Wenn sie das tun, wird dies ihre Gewinnspanne aufzehren. Wenn sie es nicht tun, werden ihre Reserven schwinden, was die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise erhöht. Hier geht es um ein potenzielles systemisches Bankenrisiko.

Die Silicon Valley Bank verfügte Ende 2022 über Einlagen in Höhe von knapp 160 Mrd. Dollar. Rund 80 Mrd. Dollar investierte sie davon vor allem in US-Staatsanleihen und hypothekarisch gesicherte Wertpapiere.

US-Staatsanleihen und hypothekarisch gesicherte Wertpapiere haben zwar ein geringes Kredit- oder Gegenparteirisiko, sie sind aber nicht „risikofrei". Staatsanleihen und ähnliche Papiere sind durch das Durationsrisiko oder die Zinssensitivität gekennzeichnet. Wenn die Marktrenditen steigen, müssen die Anleihekurse fallen, um diese höheren Renditen widerzuspiegeln und umgekehrt. Wenn man Staatsanleihen bis zur Fälligkeit hält, sind alle Wertschwankungen nur Rauschen. Wenn man aber gezwungen ist, Anleihen vor Fälligkeit zu verkaufen –siehe die Silicon Valley Bank- hat man ein Kursrisiko.

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie sehr steigende Renditen den Wert von Anleihen beeinträchtigen, zeigt die nachstehende Grafik die Wertentwicklung von US-Treasuries seit Anfang 2022 (linke Achse) und ihre Rendite bis zur Fälligkeit (rechte Achse). „Sichere" US-Staatsanleihen sind um 12% gefallen, da die Renditen von knapp über 1,0% auf über 4,0% gestiegen sind.



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