Technische Zyklen und Geopolitik

Es gibt nicht enden wollende Berichte über Massenentlassungen in der Technologiebranche. Zum Teil sind sie auf die gesamtwirtschaftlichen Umstände zurückzuführen, aber es geht auch um die inhärente Reife der Technologiebranche.

„Reife“ meint u.a., dass die Zahl echter Innovationen zurückgeht. Ab einem bestimmten Punkt ist es schwierig, sich neue Produkte rund um den Mikrochip vorzustellen. Die Branche räumt nun der Entwicklung von Produkten Vorrang vor der Entdeckung neuer technologischer Möglichkeiten ein.

Der Markt der Produkte rund um Mikrochips ist zunehmend gesättigt. Neue Versionen älterer Produkte bieten nur noch eher geringfügige Verbesserungen. Manchmal werden Änderungen nur um der Änderungen willen eingeführt. Die Technik ist nicht veraltet, aber sie ist auch nicht mehr außergewöhnlich. Es geht zunehmend darum, bei den Kunden den Drang zu wecken und zu erhalten, neue Versionen bekannter Produkte zu erwerben..

Ein solcher Produkt-Zyklus ist fester Bestandteil des industriellen Kapitalismus. Das Automobil wurde um den Verbrennungsmotor herum gebaut, seine Massenproduktion hat die Welt grundlegend verändert. Die Flächennutzungsmuster, die Möglichkeiten zur Ansiedlung von Häusern, die Kultur der Zivilisation und die Bedeutung von Entfernungen – alles hat sich verändert. Der Verbrennungsmotor veränderte auch die Produktion und Verteilung von Gütern, sowie die zwischenmenschlichen Beziehungen. Das Automobil wurde zu einem Symbol des sozialen Status.

Die Automobilindustrie lernte, wie man ein neues Auto vermarktet und in der Öffentlichkeit Begehrlichkeiten weckt. Eine neue Version rühmte sich oft mit größeren Verbesserungen. Automatikgetriebe, hydraulische Bremsen, Scheibenwischer und so weiter kurbelten das Geschäft an. Die jährlichen Ausstellungen neuer Modelle wurden zu einem bedeutenden Ereignis.

In den 1960er Jahren wurde es aber immer schwieriger, Innovationen zu finden, die die Kunden dazu bringen würden, ein noch brauchbares Auto gegen ein neues einzutauschen. In den 1970er Jahren geriet die Autoindustrie in eine finanzielle Schieflage, und einst lebenslang garantierte Arbeitsplätze waren plötzlich nicht mehr sicher – und das nur 50 Jahre, nachdem das Auto begonnen hatte, die Welt zu verändern.

Das Automobil hatte eine Grenze erreicht – nicht in Bezug auf die Innovation an sich, sondern in Bezug auf deren Geschwindigkeit. Es wurde zu einem normalen Gebrauchsgegenstand, nicht zur Erfüllung eines Traums. Das soziale Ansehen als Nebeneffekt des Autos begann zu sinken. Verschiedene, im Wesentlichen auf der gleichen Technologie beruhende Marken haben sich differenziert und sprechen unterschiedliche Kundengruppen an.

Das ist es, was heute in der Technologiebranche passiert. Es gibt noch gewisse Innovationen, aber die Hersteller differenzieren ihr Angebot immer stärker durch sekundäre Merkmale wie Farbe, Aussehen, Marke, Gewohnheiten bei der Bedienung usw.

Die Ankunft der Elektrizität im späten 19. Jahrhundert hat die menschliche Erfahrung, das Leben allgemein, dramatisch verändert. Zunächst galt sie als unwichtig. Dann wurde sie als das Ende der Geschichte angesehen. Und schließlich wurde sie durch ihren Erfolg alltäglich und banal. Mit der Dampfmaschine und der Eisenbahn, beides historische Dreh- und Angelpunkte, war es dasselbe.

Alle diese zentralen Innovationen waren auch wesentlicher Bestandteil eines geopolitischen Zyklus.

Nikolai Kondratieff stützte seine Theorie der langen Wirtschaftszyklen auf epochale technologische Entwicklungen/Erfindungen. Er postulierte, dass diese Wirtschaft, Politik, internationales Kräftemessen usw. für einen Zeitraum von 50, 60 Jahren bestimmen. Diese Periode gliedert sich in Aufschwung („Frühling“), Rezession („Sommer“), Wachstums-Plateau („Herbst) und Depression („Winter“).

Nachdem der vorherige Kondratieff-Zyklus durch die Erfindung des Automobils geprägt war, steht im aktuellen Zyklus die Elektronik im Zentrum. Und hier befinden wir uns in seiner letzten Phase („Winter“). Diese ist bereits deutlich überdehnt. Das liegt u.a. an der Geldflut-Politik der Zentralbanken, die die im „Winter“ stattfindende Bereinigung dramatisch hinauszögert, die „schöpferische Zerstörung“ (Schumpeter). Das verhindert aber auch, dass sich neue, langfristig tragende Innovationen herausbilden.

Im „Winter“ von Kondratieff kommt es vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Krisen auch gehäuft zu kriegerischen Auseinandersetzungen um die Neuaufteilung von Einflusssphären. Auch das erleben wir gerade.

Näheres zu den Kondratieff-Zyklen finden Sie in diesem pdf-Dokument.

[Unter Verwendung von Material aus dieser Quelle]

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