2023 – Rezession oder nicht?

Was wird uns das Neue Jahr wirtschaftlich bringen? Die Antwort hängt in hohem Maße davon ab, wie die Fed agiert. Aktuell gibt sie den Volcker. Der ehemalige Fed-Chef Volcker hatte in den frühen 1980er Jahren die Leitzinsen drastisch erhöht und die damalige Inflation damit unter Kontrolle gebracht.

Die Verfassung der Wirtschaft von heute ist mit der seinerzeit nicht zu vergleichen. Es geht vor allem um den Verschuldungrad. Er hat in den USA 300% des BIP erreicht (Regierung, Haushalte, nicht-Finanz-Unternehmen), nicht gerechnet sind die nicht-bilanzierten staatlichen Verpflichtungen (Pensionen, Sozialleistungen usw.). 1980 betrug die Verschuldung weniger als 50% des BIP.

Eine solch hohe Schuldenlast macht die Wirtschaft fragil und unproduktiv, schon kleine externe Schocks können schwere Schäden nach sich ziehen. Das setzt der Fed in ihren Aktivitäten enge Grenzen (siehe hier!).

Das Nettovermögen der Haushalte ist in die Höhe geschnellt – dank des massiven Anstiegs der Immobilien- und Aktienpreise, der durch billige Schulden angeheizt wurde, sowie durch die Ersparnisse, die durch die staatlichen Anreize während der Pandemie gefördert wurden. Das Verhältnis des Nettovermögens der privaten Haushalte zum verfügbaren persönlichen Einkommen ist seit der Finanzkrise um mehr als 40% gestiegen. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit (3,7%) fast auf einem Rekordtief. Das erhöht den Inflationsdruck, da die Arbeitgeber um knappe Arbeitskraft konkurrieren. Die jährlichen Wachstumsraten für das reale BIP-Wachstum (1,9%) und die geleisteten Arbeitsstunden (2,1%) bleiben positiv.

Die robusten Verbraucherausgaben, das hohe Nettovermögen der privaten Haushalte und der angespannte Arbeitsmarkt erschweren die Arbeit der Fed. Bei den „robusten Verbraucherausgaben“ muss man aber ein „noch“ davor setzen, denn in den zurückliegenden Monaten machen sich hier Bremsspuren bemerkbar (siehe auch hier!). Auch beim Stichwort „angespannt“ kann man ein Fragezeichen setzen, die Daten, die hierzu seit März 2022 erhoben wurden, sind mit vielen Zweifeln behaftet. Die Entwicklung der Arbeitsplätze gilt als aus politischen Gründen aufgeblasen (siehe auch hier!).

Der folgende Chart zeigt das Nettovermögen der Haushalte in Bezug auf das verfügbare Einkommen, sowie den Case/Shiller-Hauspreisindex als ein Maß für den Immobilienwert privater Wohngebäude. Die Sparquote ist mittlerweile wieder auf dem Niveau von 2005 angekommen, was auch bedeutet, dass kaum noch ein kurzfristiges Ausgaben-Polster vorhanden ist (Chartquelle).

Die Wirkung steigender Zinsen schlägt sich erst mit deutlicher Verzögerung in der gesamten Volkswirtschaft nieder, meist wird sie rasch in der Entwicklung des Verbraucherkredits, dann recht früh auch bei den Hauspreisen sichtbar. Vermutlich wird die Fed, bezogen auf die festzustellenden Tempoverluste, nicht gezwungen sein, die Zinssätze stärker anzuheben als vom Anleihemarkt erwartet, um die Nachfrage zu drosseln und die Inflation zu bremsen. Die Fed hat als Ende ihrer Fahnenstange 5% genannt, der Leitzins liegt aktuell bei 4,375%. Gemessen an den 2yr-TNotes liegen die Erwartungen gegenwärtig bei 4,42%.

Die erwartete Schrumpfung der europäischen und chinesischen Wirtschaft in Verbindung mit den Zinserhöhungen in den USA wird wahrscheinlich eine weltweite Rezession auslösen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Halten die Zentralbanken an ihrem Kurs von für längere Zeit hoher Zinsen fest, ist ein größerer und längerer wirtschaftlicher Abschwung fast unvermeidlich. Die Inflation würde so zwar eingedämmt, aber die Weltwirtschaft wird wahrscheinlich Jahre brauchen, um sich zu erholen.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Zentralbanken ihre Inflationsziele anheben und die langfristigen Zinssätze nach unten manipulieren, um eine weiche Landung zu erreichen. Eine hohe Inflation und negative Realzinsen können die Dauer geringen Wachstums verlängern, aber länger negative Realzinsen würden die G7-Staaten bei der prekären Verschuldung entlasten, die sie sich im zurückliegenden Jahrzehnt nach der Finanzkrise geleistet haben. Eine ähnliche Strategie der finanziellen Repression wurde nach dem Zweiten Weltkrieg angewandt, um die Regierungen aus der hohen Verschuldung im Verhältnis zum BIP herauszuholen.

Für welche Option man sich entscheiden wird, ist eine Frage des politischen Willens. Die einfachere zweite Option ist wahrscheinlicher, Politiker neigen dazu, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Hinzu kommt die schuldenbedingte Fragilität, die die Geldpolitiker im Zweifelsfall trotz großer Sprüche zu Zauderern macht.

Der Ausgang des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine ist eine "Wildcard". Im Falle einer Eskalation werden die Energiepreise in die Höhe getrieben, ein Frieden dürfte der europäischen Wirtschaft einen positiven Impuls geben.

Das aktuelle Bild zeigt über die zurückliegenden sechs Wochen Makroindikatoren mit leichten Bremsspuren (blauer Punkt), sowie eine sich verbessernde Stimmung in der Wirtschaft und bei den Verbrauchern (grüner Punkt). Aus Sicht dieser beiden Indikatorsätze beträgt die Warnstufe vor einer Rezession eins von drei, aus Sicht der Kreditsituation kommt gegenwärtig kein Warnsignal. Die Auswertung von Merkmalen der Zinsstruktur warnt seit Ende Juli 2022 vor einer Rezessionn, der Vorlauf beträgt vier bis sechs Quartale.

Die Zinsen dürften sich im ersten Quartal weitgehend durch die Wirtschaft gearbeitet haben. Ich halte es für ziemlich wahrscheinlich, dass dabei an irgendeinem Punkt erheblicher Stress im Finanzsystem entsteht. Bis dahin dürften sich die Aktienbullen an die Hoffnung klammern, eine Rezession könne vermieden werden (oder leicht ausfallen) und die Kurse hoch zu treiben versuchen. Das wiederum passt zu der Perspektive der Öl-Preise, wie sie Tom McClellan aus der Intermarket-Beziehung Öl zu Gold dargestellt hat: Er sieht sie bis in den Januar hinein steigen und dann in eine Seitwärtsbewegung übergehen.

Es erscheint mir sehr wahrscheinlich, dass es im laufenden Jahr zu einer Rezession kommen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gewinnerwartungen deutlich zu hoch sind. Das gilt selbst dann, wenn es nicht zu einer Rezession kommen sollte (siehe hier!).

Es dürfte damit nicht verkehrt sein, zunächst in der Deckung zu bleiben, Gold, wichtige Rohstoffe, defensive Werte und Barmittel überzugewichten, sowie Anleihen und Technologiewerte mit hohem Multiplikator unterzugewichten.

Rückblick auf die Jahresperformance der S&P-Aktiensektoren (Chartquelle):

Das Jahr 2022 im Rückblick – USA: Aktien erster Jahresverlust seit 2018, größter seit 2008; S&P 500 –19,4%, Nasdaq –33,1%, Dow –8,9%. Apple, Alphabet, Microsoft, Nvidia, Amazon, Tesla mit Jahresverlusten zwischen -28% und -66%. Growth-Index –30,1%, Value-Index –7,4%. Energiesektor +59%.
Gründe nach Sam Stovall: Risse in der Versorgungskette, Inflation, Fed-Geldpolitik; seiner Meinung nach deuten Makroindikatoren auf Rezession hin, Geopolitik verschärfte die Lage (Ukraine und Unsicherheiten wegen Taiwan).

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