Aktienkurse – immer weiter hoch?

Starke Wochengewinne an den Aktienbörsen. Der Dow steigt um 4,1%, der NDX kommt auf +8,9%, der S&P 500 erreicht +5,9%, der DAX bringt es auf +5,7%. Für den mittelfristigen Trend ist bedeutsam, dass alle Indices mit dem Nachzügler NDX mittlerweile über der EMA50 notieren. DAX und Dow stehen sogar über der EMA200. „EMA“ steht für „exponentieller gleitender Mittelwert“, die Zahl dahinter benennt die Anzahl der Handelstage.

Der Anlass für die starken Kursgewinne bei Aktien ist unschwer auszumachen: Der US-CPI zeigt zum ersten Mal seit acht Monaten Schwäche. Im Vorfeld war zwar ein Tempoverlust erwartet worden, aber das Ausmaß überraschte positiv. Die Meldung löste eine starke Tages-Rallye bei Anleihen aus, die Rendite 10-jähriger Anleihen fiel um 28 Basispunkte auf 3,819%. Die Rendite der zweijährigen TNotes ging gar um 33 Basispunkte auf 4,324% zurück. Nach der FOMC-Sitzung am Mittwoch vor einer Woche war sie auf ein Jahreshoch von 4,729% gestiegen.

Die Gesamtrate des CPI (CPIAUSL) lag im Jahresvergleich bei +7,7%, nach +8,2% im September. Dabei sind im Oktober sowohl die Preise für Energie (+1,8%) und Nahrungsmittel (+0,6%) weiter gestiegen. Der Anstieg bei Nahrungsmitteln war der geringste im laufenden Jahr. Das „Äquivalent für die Miete des Eigentümers" stieg um +0,8% gegenüber September. Dieser Wert macht fast ein Drittel des CPI-Ergebnisses aus, seine Berechnung beruht auf dem Mietniveau von vor einem Jahr(!).

Die Kernrate kam auf +6,3%, gegenüber 6,6% im Vormonat. Die Kernpreise für Waren fielen im Monatsvergleich um 0,4%, im Jahresvergleich wurden +5,1% erreicht nach +6% im Vomonat. Dies legt nahe, dass sich die inflationären Kräfte nun zunächst weitgehend durch die Wirtschaft gearbeitet haben. Man kann es auch so sehen: Hätte es die deutlichen Zuwächse bei Nahrungsmitteln, Energie und Miet-Äquivalent nicht gegeben, läge der CPI im Oktober 0,1% unter seinem September-Wert.

Die Fed veröffentlicht zusätzlich zum CPI zwei weitere Zeitreihen zur Inflationsmessung. Das „reine" Preisinflationsmaß (prices only) wird aus einer großen Anzahl von disaggregierten Preisreihen des Verbraucherpreisindex (CPI) abgeleitet. Das „vollständige Datenpaket" (full data set) enthält zusätzliche makroökonomische und finanzielle Variablen und hat in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung die zuverlässigste Aussagekraft (siehe z.B. 2008). Dieses hatte im Mai sein lokales Hoch erreicht und steht heute 13% tiefer. Die Abwärtsdynamik ist beachtlich und verheißt nichts Gutes (Chartquelle).

Hierzu passt die Vorhersage von CapitalSpectator.com. Sie lag zuletzt bereits richtig, als sie den langsameren Anstieg der Kern-Inflation prognostiziert hatte. Und sie zeigt nun eine kontinuierliche Abschwächung bis auf rund 4% im zweiten Quartal 2013.

Die Fed wird jetzt auf die Probe gestellt. Und je schneller die Inflation nun sinken sollte, je härter wird sie getestet werden. Bleibt sie bei ihrem Kurs und landet mit den Leitzinsen irgendwann im zweiten Quartal 2023 bei 4,75 bis 5,00%, dürfte das stark überschuldete Institutionen bald in Bedrängnis bringen. Wenn die Fed dann Rettungsmaßnahmen einleitet, macht sie sich unglaubwürdig und stabilisiert wonöglich eine Lohn-Preis-Spirale.

Bleibt sie bei ihrem Kurs, werden die Renditen für langfristige Staatsanleihen alsbald die sich abzeichnende Rezession und die damit verbundenen deflationären Umstände widerspiegeln. Der Spread der 10yr-TNotes zu den 13wk-TBills ist in den zurückliegenden Tagen bereits deutlich in den negativen Bereich gerutscht, der Spread am langen Ende der Renditestruktur könnte bald folgen. Die Rendite der 2yr-TNotes liegt gerade noch 0,5% höher als die effektive Fed Funds Rate. Das signalisiert, dass der „Markt“ momentan einen „neutralen“ Leitzins eher bei 4,25% sieht als bei nahe 5%.

Die Rendite von Ramsch-Anleihen „ICE BofA High Yield“ ist ein recht gutes Maß für Risikobereitschaft. Normalerweise entwickelt sie sich umgekehrt zum S&P 500 Aktienindex. Steigen die Aktienkurse, sind auch Ramschanleihen gefragt, die Rendite fällt. Die CPI-Meldung vom Donnerstag ist im Verlauf der Rendite im folgenden Chart noch nicht berücksichtigt. Aber selbst wenn man einbezieht, dass zwischen beiden Zeitreihen einige Handelstage Verschiebung normal sind, so fällt auf, dass dieser Zusammenhang seit Anfang Oktober nicht mehr ausgeprägt vorhanden ist.

Die Daten zur Volumenverteilung an der NYSE zeigen eine überdehnte Situation. Die Volumenverteilung ist noch in Akkumulation, aber die Marktbreite nach TRIN ist mittlerweile in einem bärischen Status. Auch die Entwicklung des Anteils der Zahl steigender Aktien zeigt bullischen Tempoverlust.

Die Charttechnik nach Auswertung von MACD, RSI und Stochastik, den wohl bekanntesten technischen Indikatoren, ist stark überkauft. Berücksichtigt werden dabei Dow, DJT, NDX, DAX, MDAX und TecDAX. Natürlich ist Überkauftheit alleine keine Ansage für fallende Kurse, wohl aber eine für anstehenden Tempoverlust.

Bedeutsam ist auch die Aussage der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis. Bärische Kursmuster sind praktisch nicht mehr vorhanden, das Potenzial für bullische ist nahezu ausgereizt.

Nach Lage aller von mir beachteten technischen Indikationen würde ich damit rechnen, dass es alsbald zu Gewinnmitnahmen kommt.

Der S&P 500 hatte bereits am Dienstag der zurückliegenden Woche seine EMA50 zögerlich überwunden. Am Folgetag ist er wieder „mutlos“ darunter gefallen, niemand wollte sich wohl vor der Veröffentlichung der Inflationsdaten für Oktober aus dem Fenster lehnen. Am Donnerstag wurde eine Kurslücke von rund 50 Punkten gerissen. Aktuell notiert der Index nahe des (von unten gesehen) 62er Retracementas des Abwärtsimpulse aus Mitte August. Im Bereich von 3800 liegen einige Retracements, die Zone stellt mittlerweile einen wichtigen Pegel dar. Insbesondere ist in diesem Bereich auch aktuell die EMA50 bei gut 3825 angesiedelt.

An der Oberseite kommt die EMA200 ins Spiel, sie verläuft flach bei 4025. Möglich, dass die Bullen einen Versuch wagen, sich darüber festzusetzen. Ich glaube allerdings nicht, dass der von Erfolg gekrönt sein wird. Sicher würde die Meldung eines kuscheligen Gesprächs zwischen dem chinesischen Alleinherrscher und dem US-Präsidenten im Rahmen des G20-Treffens auf Bali Rückenwind geben, insbesondere dann, wenn sich auch Anzeichen entwickeln, dass es zu Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland kommen könnte (siehe hier!). Aber ich bezweifele, dass das alles einen nachhaltigen Einfluss hat.

Insofern sollte man sich meiner Meinung nach darauf einstellen, dass es bei Aktien jetzt nach und nach zu Gewinnmitnahmen kommt, die bis in den Bereich von 3850/3825 gehen könnten. Ausbrüche zur Oberseite hin dürften eher Fehlausbrüche werden. Trotzdem dürfte der Rahmen aus (nach wie vor negativem) Sentiment und Saisonalität übergeordnet eher für bis mindestens zur Jahreswende steigende Aktienkurse sprechen.

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