S&P 500 – äußerst volatile Woche

Eine erneut äußerst volatile Woche in den Finanzmärkten liegt hinter uns. Der NDX verlor 3,1%, der S&P 500 gab 1,6% ab, der Dow hat auf Wochensicht 1,2% zugelegt, der DAX gewann 1,3%. Die relative Stärke des Dow deutete sich schon seit dem Monatswechsel an.

Am Donnerstag der Berichtswoche wurde der US-CPI für September gemeldet. Mit +8,2% gegenüber dem Vorjahr notiert er auf dem Niveau des Vormonats und bleibt unter dem Hoch von 9,0% vom Juni. Der Kern-CPI ohne Nahrungsmittel und Energie stieg jedoch um 0,3% gegenüber Ausgust auf 6,6% und damit auf ein neues Hoch (zuvor +6,3% im März). Das ist als Hinweis darauf zu werten, dass insbesondere die Preissteigerungen bei Energie sich immer noch nicht voll in allen Bereichen der Wirtschaft niedergeschlagen haben.

Der S&P 500 reagierte auf die Meldung mit einem kräftigen Einbruch, von dem er sich im späteren Handelsverlauf am Donnerstag fulminant erholte. Der intraday-Swing des Index betrug 194 Punkte. Die intraday-Handelsspanne war mit 5,03% die größte seit 18. März 2020 (7,22%). Diese ausgeschlossen muss man mehr als zehn Jahre zurückgehen, um eine vergleichbare intraday-Handelsspanne zu finden. Krass: 3600er Calls (S&P 500) für den Handelstag waren am Tiefpunkt 0,30 Dollar wert und notierten zum Handelsschluss bei 77 Dollar.

Der Aktienhandel eröffnete am Folgetag freundlich und verdaute vorbörslich auch die gegenüber dem Vormonat kaum veränderten Einzelhandelsumsätze für September. Sie sind im Jahresvergleich von +8,4% immer noch stark, was Hoffnungen auf Tempoverlust bei der Inflation eintrübt. Dann wurde das vorläufige Verbrauchersentiment für Oktober veröffentlicht. Es zeigt eine solide Steigerung gegenüber dem Vormonat, zudem rechnen die Verbraucher für die kommenden 12 Monate weder mit deutlich sinkenden Preisen, noch mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenquote.

Daraus zogen die Aktionäre den Schluss, dass die Verbraucher weiterhin stark unterwegs sind, und sich die Fed dadurch in ihrem geldpolitischen Kurs bestärkt sieht. Ohne Hoffnung auf ein baldiges Abflachen des Leitzinskurses wurde bei Aktien die am Tag zuvor hineingepumpte Luft wieder abgelassen – der S&P verlor 2,4%.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die US-Leitzinsen auf ihrem FOMC-Treffen am 2./3. November um weitere 0,75% steigert, liegt bei 96%. Für einen weiteren Zinsschritt im selben Ausmaß am 14./15. Dezember wird die Wahrscheinlichkeit bei 71,5% gesehen.

Die Weltkonjunktur hat sich auf breiter Front und stärker als erwartet verlangsamt, und die Inflation ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Krise der Lebenshaltungskosten, die Verschärfung der finanziellen Bedingungen in den meisten Regionen, der Einmarsch Russlands in der Ukraine und die anhaltende COVID-19-Pandemie belasten die Aussichten erheblich. Daher wird sich nach IWF das globale Wachstum wird sich voraussichtlich auf 3,2% in 2022 und 2,7% in 2023 abschwächen. Die globale Inflation wird demnach von 4,7% in 2021 auf 8,8% in 2022 steigen. In 2023 soll sie auf 6,5% und in 2024 auf 4,1% zurückgehen. Dabei unterstellt der IWF, dass die geldpolitische Straffung beibehalten wird.

Ich kann mir, ehrlich gesagt, einen US-Leitzins im Bereich von 4,5% bis 4,75% zum Jahresende nicht vorstellen. Wir sehen jetzt schon überall Risse in den Finanzmärkten. The Reserve Bank of Australia (RBA) ist die erste größere Zentralbank, die ihren Straffungskurs verlangsamt. Sie hat ihre „cash rate“ auf ihrem Oktober-Treffen nur um 0,25% angehoben nach +0,5% in den zurückliegenden Monaten.

Ein wichtiges Warnzeichen beim Thema „Risse“ ist die Tatsache, dass die Bank of Japan zum ersten Mal seit 1998 wieder den Yen stützt. Der steht gegenüber dem Dollar auf einem 31-Jahres-Tief. Der Aufstieg des Währungspaars Dollar/Yenn begann am 10. März, einige Tage danach begann die Phase der Steigerung der US-Leitzinsen. Die enorme Schwäche des Yen dürfte darauf hindeuten, dass Ausländer (aus den USA) in großem Umfang Yen-Kredite aufnehmen. Der japanische Leitzins liegt seit längerem bei –0,1%, die Inflation steht aktuell noch bei 2,8%, erwartet wird eine Rate von 3,0%. Sieht sich die BoJ gezwungen, ihre Geldpolitik zu ändern, dürfte das massive Auswirkungen auf Japan selbst haben, aber etwa über Yen-Kredite auch auf die globale Finanzwirtschaft ausstrahlen.

Fast die Hälfte des Options-Volumens im S&P 500 entfällt mittlerweile auf Options-Kontrakte mit Fälligkeit von weniger als 24 Stunden. So hoch war der Anteil noch nie. Bis 2018 lag er bei unter 10%. Zwischen dem zweiten Quartal 2020 und dem ersten Quartal 2022 kam er auf einen Bereich von 20% bis 25%. Eine solch hohe kurzfristige Positionierung ist per se verantwortlich für ein erhöhtes Risiko. Das sich ergebende Delta in der Positionierung ist schwer zu hedgen angesichts der aktuell austrocknenden Liquidität im zugrundeliegenden Markt. Damit wächst die Gefahr eines technischen Betriebsunfalls.

Die beiden folgenden Charts zeigen, wie eng Liquiditätsausstattung und Marktbewegung zusammenhängen (Chartquelle).


Die ultimativen Tiefs bei Aktien sind laut Michael Hartnett, BofA, nicht erreicht. Nach seiner Auffassung ist es dazu auch erforderlich, dass sich die Fed in ihrer Geldpolitik dreht. Die folgende Übersicht zeigt, dass bisher lediglich bei den Volatilitäten bei Aktien (VIX) und Bonds (MOVE) kritische Niveaus erreicht sind, bei denen die Fed bei verschiednenen Ereignissen in der Vergangenheit kapituliert hat (Chartquelle).

Geht also die Analogie des aktuellen Verlaufs des S&P 500 zu 2008 noch weiter? (Chartquelle)

Der Chart des S&P 500 zeigt, dass die gestrige Kursbewegung (Freitag) an der Abwärtslinie aus Mitte August scheiterte. Am Vortag, dem Tag der Veröffentlichung des CPI für September, tauchte der Index genau bis zum 50er Retracement des Bull-Runs seit März 2020 ab, bevor er fulminant nach oben drehte. Für mich wirken diese Bewegungen nicht panisch, sie wirken an wichtigen Marken ziemlich gut gesteuert. Man kann noch weiter spekulieren – hier kämpfen entgegengesetzte Positionen mit hohem Einsatz gegeneinander. Die gestrige Abwärtsbewegung endete intraday genau an der Marke, bei der 61,8% des Kursgewinns vom Tief des Vortags aus korrigiert wurden; der Tagesschluss war etwas oberhalb davon (Chartquelle).

In einer solchen Situation ist zu erwarten, dass deren Auflösung sehr dynamisch erfolgt. Ich halte die Wahrscheinlichkeit für etwas höher, dass die bullische Seite gewinnt. Gelingt der Bruch der Abwärtslinie, dürften rasch Anschlusskäufe folgen und kurzfristig wohl bis 3900 tragen. Und umgekehrt: Sollten die Bären die Oberhand gewinnen und den Index unter 3500 drücken, das 50er Retracement des Bull-Runs seit März 2020, dann dürfte die Abwärtsbewegung dynamisch weitergehen. Bei etwa 3200 liegt das 62er-Retracement dieses Bull-Runs.

Mir sind noch zwei interessante Punkte aufgefallen. Zum einen zeigt der Dow seit etwa dem Monatswechsel erneut relative (und auch absolute) Stärke gegenüber dem S&P 500 und erst recht gegenüber dem technologielastigen Nasdaq. Solche Phasen ließen sich in diesem Jahr schon zwischen Mitte Mai und der zweiten Hälfte August beobachten. Damit einher geht eine relativ bessere Performance bei weniger Zins-empfindlichen "Value"-Aktien. Das dürfte die Erwartung der Akteure hinsichtlich weiter aggressiver Geldpolitik unterstreichen.

Zum anderen zeigen lateinamerikanische Aktien in 2022 eine Outperformance gegenüber anderen Regionen auf der Welt (Chartquelle). Der zur Messung herangezogenen ETF "ILF" kann auf gut 10% Kursgewinn gegenüber dem Jahresanfang zurückblicken.

Dies wird erklärt mit höheren Rohstoffpreisen einerseits und mit attraktiven Zinsen andererseits. Bricht man den zum Vergleich herangezogenen ETF auf Sektoren herunter, so weisen Finanzen eine Jahresperformance von 30% auf, gefolgt von Rohstoffen (24%) und Energie (15%).

Ein in Euro notierter ETF auf lateinamerikanische Aktien (WKN: DBX1ML) kommt auf einen Gewinn gegenüber dem Jahresanfang von fast 25%. Im gleichen Zeitraum hat sich der Euro gegenüber dem Dollar um 14% verbilligt.

Die Saison der Quartalsberichte für Q3 nimmt nun Fahrt auf. Am zurückliegenden Freitag haben große US-Banken berichtet, die Ergebnisse wurden eher positiv gesehen. Die Gewinnschätzungen im S&P 500 sind mittlerweile auf +3,6% gegenüber dem Vorjahr gesunken, Anfang Juli lagen sie noch bei 11,1%. Das KGV nach Shiller (CAPE) kommt aktuell auf 26,8, das KGV ohne Berücksichtigung von Zyklik und Kaufkraft erreicht 18,1. Günstig ist beides nicht. Die Dividendenrendite liegt mittlerweile deutlich weniger als halb so hoch wie die Benchmark-Rendite der 10yr-TNotes (4,024%). Das spricht auch nicht gerade für Aktien.

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