Musk – Visionär kauft Twitter

Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, kauft die grösste Mikro-Blogging-Plattform der Welt für 44 Mrd Dollar bzw. 54,20 Dollar pro Aktie. Die Twitter-Aktionäre müssen noch zustimmen. Nach der Übernahme will Musk das Unternehmen von der Börse nehmen. Musk wird auch schon mal als der größte Visionär auf unserem Planeten bezeichet. Welche Visionen treiben ihn also beim Kauf des Zwitscher-Dienstes?

Elon Musk zählt seit langem zu Twitters lautesten Kritikern, er bezeichnet sich selbst als radikalen Verfechter der Redefreiheit. Für Musk ist Twitter die moderne Version eines Dorfplatzes, auf dem Menschen zusammenkommen um sich zu informieren, zu diskutieren und auch zu streiten. Das sei „wichtig für das Funktionieren der Demokratie, für das Funktionieren der USA als freies Land, und für viele andere Länder, für den Frieden in der Welt,“ vertonte er gestern. Die Plattform müsse sich bei der Moderation der Beiträge viel stärker zurücknehmen, sie solle die Gesetze der Länder befolgen, in denen sie präsent sei, aber darüber hinaus nicht intervenieren. Aktuell versieht das Netzwerk bestimmte Beiträge etwa zur Corona-Pandemie mit Warnhinweisen oder sperrt Nutzer, die gegen irgendwelche internen Richtlinien verstossen.

Musk hofft, dass sogar seine schlimmsten Kritiker auf Twitter bleiben. Aber gleichzeitig hat er in der Vergangenheit Kritiker auf der Plattform blockiert und wollte etwa Aktivitäten eines Nutzers namens @ElonJet sperren lassen, der auf Twitter veröffentlicht, wo sich der Privatjet von Musk gerade befindet. Blockiert hat er auch Public Citizen, die Organisation schreibt dazu: "It's about plutocracy."

Sind das, die Stärkung von Redefreiheit und Demokratie, die Motive von Musk? Oder folgt er nur Milliardärs-Kollegen? Amazon-Gründer Jeff Bezos hat die „Washington Post“ gekauft, dem Salesforce-Gründer Marc Benioff gehört das „Time Magazine“, der Pharma-Milliardär Patrick Soon-Shiong besitzt die „Los Angeles Times“, Steve Jobs Witwe verfügt über die Mehrheit an „The Atlantic“. Bill Gates kontrolliert LinkedIn. Der frühere US-Präsident Trump hat seinen eigenen Startup „Truth Social“ gegründet. Trump war im Januar 2021 von Twitter entfernt worden.

Twitter ist mit 315 Millionen Nutzern in der Tat ein sehr wichtiges Medien-Organ. Weltweit nutzen Politiker, Journalisten und Forscher die Plattform, Bürger informieren sich dort. Die Möglichkeit der Kontrolle über ein solches Medium mag Musk gereizt haben. Die Frage ist, was hat er tatsächlich vor?

Musk will den Algorithmus offenlegen, mit dem Twitter festlegt, welche Beiträge missliebig sind. Ein weiteres bekanntes Problem der Plattform sind automatisierte Konten, Spambots. Es wird vermutet, dass hinter Millionen von Twitter-Konten Computerprogramme stehen. „Forbes“ berichtete, fast 50% von Musks eigenen Followern seien Spambots. Musk will, dass sich unter seiner Führung die Nutzer als reale Personen ausweisen. Anzeigen sind der dritte Punkt, an dem sich Musk stört, weil die Anzeigen schaltenden Firmen die Funktionsweise von Twitter beeinflussen.

Also fordert Musk: „Keine Werbung mehr.“ Dann fragt sich allerdings, wie er mit der Zwitscherei Geld verdienen will. Twitter generierte zuletzt 90% seines Umsatzes von 5 Mrd. Dollar mit Werbeeinnahmen. So sehr wird Musk, der Twitter als Privatmann kauft, vermutlich dann doch nicht an Redefreiheit und Demokratie glauben, dass er dafür 44 Mrd. Dollar spendiert ohne Aussicht auf ein „Return on investment“.

Was gab Musk denn in den zurückliegenden Jahren an politischen Statements von sich? Er äußerte z.B. hinsichtlich der „Pandemie“ die Auffassung, dass der Schaden durch die „Panik“ rund um das Coronavirus viel größer sei als durch das Virus selbst. In Kanada hätten Lastwagenfahrer mit langen Konvois gegen die eingeführte Impfpflicht demonstriert – wenn man nicht aufpasse, werde die Freiheit Stück für Stück abgebaut, bis sie weg ist. In diesem Zusammenhang schrieb er auch: „Wenn man den Leuten genug Angst macht, werden sie die Beseitigung der Freiheit verlangen. Das ist der Weg in die Tyrannei.” In einem Gespräch mit dem CEO des Axel-Springer-Verlags, Mathias Döpfner, sagte er Ende 2020 ausgesprochen „weltfremd“: „Wenn ich mich mit chinesischen Regierungsbeamten treffe, zeigen sich diese bezüglich des Wohlergehens der Bevölkerung jedenfalls immer sehr bemüht. (…) Möglicherweise reagiert man dort sogar sensibler auf die öffentliche Meinung, als ich es von den USA her kenne.“

Musk hat die Freiheiten und Möglichkeiten, die sich ihm boten, genutzt und ein Firmenimperium aufgebaut, das ihn zum reichsten Mann gemacht hat. Sich gegen Einschränkungen der Redefreiheit und für mehr Demokratie einzusetzen, ist zunächst ehrenwert. Die Frage ist, wie sich Musk orientieren wird, wenn sich die Krise des Kapitalismus so weit verschärft, dass es für die Eliten nicht mehr nur darum geht, Profit zu machen, sondern darum, ihre Macht zu erhalten. Ihre Macht zu verteidigen gegen eine Bevölkerung, deren Lebenssituation gerade durch die immer ungleichmäßigere Verteilung des Mehrprodukts der Gesellschaft so prekär werden könnte, dass sich die Machtfrage in der Gesellschaft neu stellt. Steht für Musk dann auch noch die Demokratie oben an? Oder wird Twitter nicht spätestens dann zum Sprachrohr und Hebel der Durchsetzung seiner eigenen gesellschaftlichen Interessen? (Eine besondere Art des "Return on investment"…)

Abgesehen davon: Der Spielraum wird immer enger, den unsere Gesellschaften demokratischen Äußerungen und freien Medien zugestehen. Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz sieht seit längerem bußgeldbewehrte Compliance-Regeln für Anbieter sozialer Netzwerke betreffend Hasskriminalität und anderer strafbarer Inhalte vor. In der Corona-„Pandemie“ wurden die IT-Riesen youtube, Facebook, Twitter & Co zu den großen Zensoren unserer Zeit. Ermächtigt hat sie dazu die herrschende Politik selbst. Der Kampf gegen Fake-News dient als Feigenblatt, um jegliche freie und kritische Meinungsäußerung insbesondere in Zusammenhang mit „Corona“ zu beschneiden (siehe etwa hier und hier!).

Und es geht weiter: Die EU hat kürzlich erst das Gesetz für digitale Dienste (DSA) beschlossen, wonach die Europäische Kommission von den großen Internetplattformen wie Facebook, Telegram oder Twitter in akuten, die Gesundheit oder die öffentliche Sicherheit betreffenden Krisensituationen verlangen kann, ihre Plattformen inhaltlich zu regulieren, um „dringende Bedrohungen zu begrenzen“.

Über die absichtlich unbestimmte Formel „Hass und Hetze“ kann je nach Bedarf alles Mögliche gefasst werden, was den Regierenden nicht gefällt. Das wäre selbst unter idealen demokratischen Verhältnissen problematisch. Erst recht ist es das heutzutage – vom Ideal sind wir weit entfernt. Nicht ohne Grund heißt es im Grundgesetz ohne wenn und aber: „Eine Zensur findet nicht statt.“

Und so wird Musk meiner Meinung nach mit Twitter "demokratischer Marktplatz" spielen, so lange es ihm, seinen Interessen und seinem Ego als kleines "Enfant terrible" nutzt. Im Krisenfall wird er vielleicht gerne mal auf die gesetzlichen Regularien verweisen, die Twitter ("leider") in eine Herrschafts-konforme Berichterstattung einbinden. Und kommt es dann hart auf hart, wird daraus womöglich eine Agitationsplattform für die Machtansprüche der Eliten.

[Unter Verwendung von Material aus "Elon Musk kauft Twitter"]

Nachtrag:
(28.4.22) Geleakte Stellungnahme zur geplanten Chatkontrolle der EU-Kommission
(2.5.22) Auch eine Zensur: Die Trusted News Initiative (TNI), gegründet 2019, vereint die wichtigsten westlichen Meinungsfabriken – Nachrichtenagenturen wie AP, AFP, Reuters, Rundfunkanstalten, neben der EBU und der BBC auch die kanadische CBC, große Zeitungen wie die Financial Times, Washington Post, Wall Street Journal und The Hindu aus Indien, die wichtigsten Internetunternehmen, also Microsoft, Google, YouTube, Twitter, Facebook, First Draft, sowie das Reuters Institute for the Study of Journalism, eine vor allem vom Medienkonzern Thomson Reuters gesponserte wissenschaftliche Einrichtung an der Universität Oxford. Worauf man sich hier einigt, wird zu einer Wahrheit, der sich alle beugen müssen, die in den Leitmedien arbeiten. Am 27. März 2020 verkündeten die TNI-Mitglieder, dass sie sich ab sofort gegenseitig alarmieren würden, wenn ‚Fehlinformationen’ oder ‚Verschwörungstheorien‘ in Sachen Corona auftauchen, damit jede weitere Verbreitung unterbunden werden kann.
(5.5.22) Musk hat für seine Übernahme von Twitter 7,14 Mrd. Dollar an Fremdmitteln mobilisieren können. Darunter sind Investoren wie der Oracle Mitgründer Larry Ellison, die Crypto-Börse Binance und die Asset-Management-Unternehmen Fidelity, Brookfield, sowie Sequoia Capital.
(11.6.22) Siehe auch: "Elon Musk Is Not a Renegade Outsider – He’s a Massive Pentagon Contractor"

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