S&P 500 – Krieg, Inflation, Geldpolitik

Der S&P 500 beschließt den Handel in der zurückliegenden Woche bei 4384,65, 36 Punkte höher als vor einer Woche. Zwischendurch ist er bis auf 4120 abgestürzt. Der Dow verzeichnete einen Wochenverlust von 20 Zählern. Der NDX kam auf einen Wochengewinn von 180 Punkten. Der DAX fährte ein Wochenminus von 475 Punkten ein.

Wie geht ein Börsenspruch? Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Die folgende Graphik spricht Bände. Sie stellt den gemittelten Verlauf des S&P 500 ein Jahr vor und zwei Jahre nach Kriegsbeginnen dar, in hellrot den gesamten Bereich zwischen den Perzentilen zehn und 90, in rot den Mittelwert. In türkis wird der aktuelle Verlauf des S&P 500 gezeigt. Die gestrichelte senkrechte Linie markiert den jeweiligen Kriegsbeginn (Chartquelle).

In der Zeit vor Kriegsbeginn läuft das Kursmittel in etwa seitwärts, die Schwankungsbreite ist zunächst groß. Danach gibt es über die ersten sechs Monate eine deutliche Aufwärtsbewegung, im zweiten Jahr nach Kriegsbeginn setzt sich die Aufwärtsbewegung fort.

Kommt es jetzt auch wieder so, wie der historische Vergleich nahelegt? Ein bedeutender Unterschied liegt darin, dass der aktuelle Verlauf des S&P 500 im Jahr vor Kriegsbeginn deutlich aufwärts zeigte. Der Index kam erst kurz vor dem Stichtag auf das mittlere historische Kursgeschehen zurück. Die historische Schwankungsbreite ist in den ersten drei Monaten nach dem Stichtag noch relativ eng, was einer Fortsetzung der in den zurückliegenden Tagen eingeleiteten Aufwärtsbewegung eine erhöhte Wahrscheinlichkeit gibt.

Ein kurzer Blick auf den Verlauf des S&P 500 in Zusammenhang mit der Besetzung der Krim durch Russland vor ziemlich genau vor acht Jahren. Der Bull-Run ließ sich nicht sonderlich beeindrucken (Chartquelle).

Geopolitische Ereignisse haben also gewöhnlich nur geringe Auswirkungen auf die Finanzmärkte und sind meist von kurzer Dauer. Daher haben sich größere Portfolio-Anpassungen aufgrund geopolitischer Belastungen im Allgemeinen nicht bewährt.

Die US-Zentralbank Fed sucht händerringend nach einer Entschuldigung dafür, die Leitzinsen nicht oder deutlich weniger zu erhöhen als zunächst kommuniziert. Die 2yr-TNotes gelten als guter Indikator für die zukünftige Geldpolitik. Deren Rendite ist gegenüber dem jüngsten Hoch von Anfang der zurückliegenden Wochen schon zurückgekommen und legt jetzt einen Zinsschritt weniger nahe. Auch die längerfristigen Renditen haben abgegeben, die Zinsstruktur hat sich im Laufzeitbereich bis zehn Jahre zuletzt etwas versteilert.

Die großen Akteure an den Finanzmärkten dürften darauf spekulieren, dass die Fed den Ukraine-Konflikt zum Anlass nimmt, die Straffung ihrer Geldpolitik zu verlangsamen oder aufzuschieben.

Ohnehin stellt Marko Kolanovic in diesem Zusammenhang fest: „Zwar sind Aktien im Vergleich zum Jahresanfang aufgrund steigender Zinsen rückläufig, aber wir stellen fest, dass die anfängliche Volatilität im Zusammenhang mit einer Zinserhöhung in der Vergangenheit nicht von Dauer war und Aktien zwei bis vier Quartale später neue Allzeithochs erreichten. Der Beginn einer geldpolitischen Straffung ist in der Regel eher eine Bestätigung dafür, dass der Zyklus noch nicht abgeschlossen ist, als ein Signal für sein Ende. Da sich die Renditekurve in diesem Jahr nicht invertiert und die realen Renditen keine problematischen Niveaus erreichen, ist es verfrüht, von Sorgen über das Ende des Zyklus zu sprechen.“

Also haben weder geopolitische Ereignisse, auch größere Kriege, noch reguläre geldpolitische Kursänderungen (zu Beginn) einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Aktienkurse. Was dann? Es sind Änderungen der Geldpolitik, die in Zusammenhang mit oder als Reaktion auf externe oder interne Schocks stattfinden. Und die Auswirkungen auf die Aktienkurse sind umso größer, je höher die Leitzinsen zum jeweiligen Zeitpunkt sind. Das zeigt der folgende Chart recht deutlich (Chartquelle).

Die Geopolitik ist ein Faktor, der bei der nächsten FOMC-Sitzung am 15., 16. März eine Rolle spielt. Ein anderer ist die Einschätzung der Konsumlaune der US-Verbraucher. Wenn der Verbraucher seiner vornehmsten Aufgabe, Geld auszugeben, nicht mehr umfänglich nachkommt, hat die Entwicklung des BIP ein Problem. Und das ist zugleich ein Problem für die Aktienkurse.

Die Verbraucherstimmung nach der Erhebung der Universität Michigan sieht wahrlich nicht gut aus. Der Index steht jetzt so tief wie zuletzt im Spätjahr 2011, sein jüngstes lokales Maximum stammt aus April 2021. Das Verbrauchervertrauen zeigt ein nicht ganz so negatives Bild, aber auch dieser Index steht deutlich unter seinem jüngsten Hochpunkt aus Juni 2021.

Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass die sich seit April 2021 beschleunigende Inflation auf die Stimmung der Verbraucher drückt. Das dürfte sich jetzt in der Entwicklung der Verbrauchsausgaben niederschlagen, nachdem der durch Helikoptergeld und andere Maßnahmen in Zusammenhang mit der „Pandemie“ angehäufte Sparüberhang nun abgebaut ist. Nachfragereserven bestehen darin, dass die Sparquote sinkt, das erscheint in Zusammenhang mit Inflation und geopolitischer Unsicherheit unwahrscheinllich. Potenzial könnte sich aus der Lohnentwicklung ergeben (Chartquelle).

Aus der im Januar durchgeführten monatlichen Befragung der Fed hinsichtlich Verbraucher-Erwartungen ergibt sich: Der Median der einjährigen Inflationserwartungen ging im Januar um 0,2% auf 5,8% zurück. Dies ist der erste Rückgang der kurzfristigen Inflationserwartungen seit Oktober 2020. Auch die medianen dreijährigen Inflationserwartungen sinken um 0,5% auf 3,5 %, das ist der stärkste einmonatige Rückgang dieser Messgröße seit Beginn der Erhebung im Jahr 2013. Das bestätigt richtungsmäßig das Ergebnis der Break-even Inflationserwartungen (10yr), die seit Mitte November zurückgehen von 2,74% auf zuletzt 2,56%.

Der Median des erwarteten Einkommenswachstums für die nächsten ein bis zwei Jahre lag im Januar unverändert bei 3,0% und bleibt damit über dem Durchschnitt für 2021 von 2,6%. Die mittleren Erwartungen bezüglich der Arbeitslosigkeit stiegen um 0,7% auf 35,9%.

Was folgt aus allem? Die großen Akteure erwarten, dass die Fed ihren Kurs der geldpolitischen Verschärfung abschwächen, bzw. verzögern wird. Als willkomener Anlass bieten sich die geopolitischen Spannungen an. Außerdem scheint die Inflation zunächst ihre Spitze erreicht zu haben. Die mäßigen Wachstumsaussichten tun ein übriges. Die Fed wird dem in der einen oder anderen Art und Weise nachkommen. Die Liquiditäts-Süchtigen an Wall Street wird es freuen.

Der S&P 500 hat zunächst Halt gefunden an der aus Frühjahr 2016 herrührenden Aufwärtslinie (im folgenden Chart grün). Dieser Bereich sollte als vertrauensbildende Maßnahme tunlichst halten (aktuelles Tief: Schlusskurs 4225,50, intraday 4114,65). In diesem Zusammenhang kommt dem Pegel bei 4290 eine besondere Bedeutung zu. Wichtige Stationen an der Oberseite wären die EMA200 (4406), die EMA50 (4503), dann der Pegel bei ~4540 (Chartquelle).

Auf dem Weg nach oben kommt dem Index allerdings die Abwärtslinie aus Jahresanfang (rot) in die Quere (aktuell ~4490). Hier dürfte es für die Bullen schwer werden, ohne starken Rückenwind geht da nichts.

Fazit: Hohe Volatilität bleibt, nachhaltiger Ausbruch nach oben kurzfristig weniger wahrscheinlich.

Auch wenn exogene Schocks, hier geopolitische Spannungen/Kriege, normalerweise keine dauerhaften Einflüsse auf die Aktienkurs-Entwicklung haben und auch der Beginn einer Phase geldpolitischer Verknappung einem weiteren Allzeithoch nicht entgegensteht, so dürfte im großen Zeitrahmen doch die Kellertüre aufgehen. Auf Sicht einiger Monate könnten die Bullen das Geschehen jedoch noch bestimmen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bewertung: 4.0/5
Please wait...