Inflation – Liebe und Hass der Aktionäre

Die Inflation hat im Zeitablauf unterschiedliche Auswirkungen auf die Kursentwicklung. Häufig sehen wir zu Beginn einer inflationären Bewegung steigende Aktienkurse, an einem bestimmten Punkt aber beginnen die Kurse zu sinken. Und sinken auch dann weiter, wenn die Inflation an Dynamik verliert.

Zuerst muss man unterscheiden, um welche Art von Inflation es sich handelt. Nachfrage-induzierte Inflation beginnt in den Endmärkten der Verbraucher, weil deren Kaufkraft zugenommen hat. Das ist der Typ von Inflation, den wir zurzeit erleben. Durch die Corona-Maßnahmen brach insbesondere in den USA ein Geldsegen über die Verbraucher herein, der zunächst zu steigender Sparquote geführt hat und sich seit einiger Zeit mit abnehmender Sparquote in steigender Nachfrage niederschlägt. Die US-Verbraucherpreise steigen seit März 2021 deutlich an.

Kosten-induzierte Inflation geht hingegen von der Angebotsseite aus. Die Anbieter überwälzen ihre Kosten auf die Verbraucherpreise. Hierzu muss bei den Konsumenten ebenfalls genügend kaufkräftige Nachfrage vorhanden sein.

Ich habe ein einfaches Modell entwickelt, dass die Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Daten und die Entwicklung der Aktienkurse und des KGV zeigt. Vorausgesetzt ist zunächst, dass die Nachfrage kaufkräftig genug ist, um die Preisimpulse zu „verkraften“. Ferner setze ich voraus, dass der Aktienkurs proportional zur Entwicklung der Marge, bzw. des absoluten Gewinns reagiert. Er reagiert hingegen umgekehrt proportional zur Entwicklung des KGV, also sorgt etwa eine zunehmende Bewertung für Druck auf den Kurs. Das ist in "normalen" Zeiten ein typisches Anlegerverhalten (qualitativ).

Im Falle der Nachfrage-induzierten Inflation ensteht zum Zeitpunkt t1 ein Inflationsimpuls von 10%, der den Marktpreis entsprechend steigen lässt. Der Impuls nimmt über die Zeit gleichmäßig ab, die Inflationsrate liegt zum Zeitpunkt t4 bei 0%. Die Kosten steigen hingegen zeitverzögert, zum Zeitpunkt t1 lediglich um 5%, in t2 um 10%, danach nehmen sie wieder ab. In t4 beträgt die Kostensteigerung noch 2,5%.

Der Kurs findet in diesem Szenario in t1 und t2 Unterstützung, er steigt von t0 aus in t1 auf 104,09 und erreicht in t2 sein Topp bei 104,47. Das KGV liegt optisch günstig in t2 bei 9,05, also unterhalb des Startwerts von 10. Danach fällt der Kurs, das KGV steigt deutlich an. Beim Verlauf des Kurses macht es wenig Unterschied, ob auf die Entwicklung der Gewinnmarge oder auf den absoluten Gewinn abgestellt wird. Achten Anleger auf den absoluten Gewinn, kommen etwas höhere Kurse zustande.

Bei der Kosten-induzierten Inflation unterstelle ich einen Kostenimpuls von 10% und einen anfänglichen Inflationsimpuls von 5%. Im weiteren Verlauf entwickeln sich die Kosten wie bei der Nachfrage-induzierten Inflation die Preise, umgekehrt entwickeln sich die Preise wie die Kosten beim Nachfrage-Szenario. Hier fällt der Kurs zunächst, das KGV steigt deutlich an. Dann steigt der Kurs fortlaufend, das KGV sinkt gleichzeitig.

Betriebswirtschaftlich steht das Unternehmen am Ende des Betrachtungszeitraums bei der Kosten-induzierten Inflation deutlich besser dar. Der durchschnittliche Gewinn liegt 13,7% höher als im Nachfrage-induzierten Szenario. Auch die durchschnittlichen Kurse sind höher, um 6,4%, bzw. 7,9%. Am Ende des betrachteten Zeitraums liegen die Kurse beim Nachfrage-induzierten Szenario deutlich unter dem Startwert, während sie beim Angebots-induzierten Szenario deutlich darüber liegen. Allerdings setzt das Kosten-induzierte Szenario auch eine größere Kaufkraft der Verbraucher voraus – der Marktpreis liegt am Ende des betrachteten Zeitraums 5% höher.

Natürlich ist das gewählte Beispiel extrem, aber die aufgezeigten Tendenzen dürften erklären, warum Nachfrage-induzierte Inflation zunächst beliebt ist bei Aktionären. Die Inflationsillusion lässt die betrieblichen Daten zunächst besser aussehen als sie sind. Denn in einem Inflationsschub steigen Umsatz und Gewinn auch dann, wenn das Geschäft mengenmäßig lediglich gleich bleibt. Wenn die Inflation abebbt, offenbart sich das schwache betriebswirtschaftliche Bild, die Inflationsillusion zerbricht. Hinzu kommt, dass die Anleihegläubiger ab einem bestimmten Punkt inflationsbedingt eine höhere Rendite sehen wollen. Das ist gleichbedeutend mit einem sinkenden Anleihe-KGV (auch "faires" KGV genannt) und bringt die Aktienanlage zusätzlich unter Druck.

Ergänzung:
US-Präsident Reagan brachte 1981 eine klassische Angebots-orientierte Wirtschaftspolitik auf den Weg, Reaganomics genannt. Mit dem "Economic Recovery Tax Act of 1981" wurde u.a. der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer von 70% auf 33% gesenkt. Im Unterschied zur Nachfrage-Steuerung à la Keynes wird der Schlüssel für die wirtschaftliche Entwicklung darin gesehen, bessere Bedingungen auf der Angebotsseite zu schaffen.

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