Fed vermasselt Jahresauftakt

Das Protokoll der jüngsten Fed-Sitzung, das am Mittwoch veröffentlicht wurde, war in den Aktienmärkten der Aufreger der Woche. Insbesondere die Technologie- und Wachstumswerte gingen auf Talfahrt.

Demnach sollen die massiven Aufkäufe von Anleihen durch die Fed bald enden. Das ist allerdings nicht neu, es wurde bereits im Dezember nach der damaligen FOMC-Sitzung kommuniziert. Neu ist auch nicht, dass die Fed für das laufende Jahr zwei oder drei Zinsschritte ins Auge fasst.

Analysten von Goldman Sachs erwarten ein Auslaufen des QE-Programms der Fed im März und sagen drei Zinserhöhungen in 2022, sowie drei weitere in 2022 voraus. US-Staatsanleihen über zwei Jahre sollen per Jahresende 1,3% kosten, für fünfjährige sollen dann nahezu zwei Prozent anfallen.

Auch das ist nicht überraschend, die so erwartete Entwicklung der Renditen steht im Einklang mit der erwarteten Zinspolitik. Der Satz, der die Märkte umtrieb, lautet demgegenüber: „Einige Entscheidungsträger halten es für angebracht, bald nach Anhebung des Leitzinses mit der Reduzierung der Bilanz der Federal Reserve zu beginnen.“ Und: „Viele Teilnehmer denken, dass die Bilanzverkürzung schneller gehen sollte als in früheren Normalisierungs-Episoden.“

Das Mantra des „Don’t fight the Fed“, seit Greenspan gegen alle Logik, hohe Bewertungen und schwache Makrodaten die gängige Begründung der Bullen, immer noch eine Schippe bei Aktien draufzulegen, bekommt mit der in den Raum gestellten Verkürzung der Fed-Bilanz Risse.

Bisher war nur davon die Rede, dass die laufende Geldvermehrung durch das aktuelle QE-Programm bald endet. Jetzt steht die Möglichkeit im Raum, dass Liquidität durch Verkäufe von „Assets“, hauptsächlich US-Staatsanleihen, sterilisiert, also die Geldmenge insgesamt reduziert wird. Aus „risk-on” wird dann „risk-off”.

Damit käme es auch zu einer dauerhafteren Rotation der Investoren bei den bevorzugten Assets. Wachstumswerte mit der Phantasie zukünftiger überdurchschnittlich hoher Gewinne sind „out“, weil zukünftige Erträge mit steigenden Zinsen weniger wert sind. Aktien von Unternehmen, bei denen es auf ihren inneren Wert ankommt, sind dann eher gesucht. Und natürlich kommen wieder Anleihen in „Mode“.

Seit mindestens 18 Monaten haben wir übergeordnet zusammen steigende Aktienkurse und steigende Renditen gesehen. Zu Jahresbeginn 2021 war zwischen dem Verlauf des S&P 500 und die invertierten Rendite der 10yr US-Staatsanleihen (als Maß für ein „faires KGV“) ein Gleichgewicht erreicht worden. Seitdem wird die Kluft zwischen beiden Zeitreihen immer größer. An irgendeinem Punkt muss es zu einer Gegenbewegung kommen in Richtung eines neuen Gleichgewichts kommen. Das kann dadurch geschehen, dass die Aktienkurse relativ schneller fallen oder dadurch, dass die Rendite relativ schneller fällt.

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Man kann es auch so formulieren: Bis zu einem bestimmten Punkt unterstützen steigende Renditen (=sinkende Anleihekurse) Aktien, dann werden steigende Renditen zu einem Hemmnis für deren weitere Entwicklung. Anfang August 2020 war die Rendite der 10yr TNotes auf einem lokalen Minimum (0,508%), das faire KGV auf einem Maximum (197). Aktuell liegt das faire KGV bei rund 57, die Rendite kommt auf 1,767%.

Würde man unterstellt, dass sich nun Renditen und Aktienkurse proportional zueinander nach unten bewegen, wäre mit einem Gleichgewichtskurs des S&P 500 bei knapp 4200 (aktuell 4677) zu rechnen (wie Mitte April 2021) und einer Rendite von unter 1,6% (aktuell 1,767%). Das sind hypothische Gedankenspiele, die aber zeigen, mit welchem Abwärtspotenzial bei Aktien momentan gerechnet werden kann.

Hohammed El-Erian sagte kürzlich: “Investoren sollten ein Auge auf das Risiko eines abrupten Perspektivwechsels haben von einer relativen zu einer absoluten Bewertung. Wenn das passiert, sollte man sich nicht nicht länger Gedanken machen, wieviel von eingesetzten Kapital (als Ertrag) zurückkommt, sondern darüber, dass das Kapital zurückkommt.“ („…, you should stop worrying about the return on your capital and start worrying about the return of your capital.”).

Dieser Perspektivwechsel würde sich im gezeigten Chart darin niederschlagen, dass ein zunehmendes „faires KGV“ keine unterstützende Funktion für den Verlauf des S&P 500 mehr hätte. Noch kritischer würde es, wenn das faire KGV weiter sinkt, es befindet sich genau wie die zugehörige Rendite gerade an einem kritischen Punkt. Dann würde sich auch der Punkt, an dem ein Gleichgewicht der beiden Zeitreihen erreicht würde, nach unten bewegen, das oben genannte hypothetische Ziel von knapp 4200 für den S&P wäre dann zu hoch gegriffen.

Ein deutliches Warnzeichen für das, was hinter der Kursfassade geschieht, liefert der Nasdaq-Index. Die größten zehn Aktien hier machen etwa 30% des gesamten Index aus und halten den Index entsprechend hoch. Aber 38% der Werte im Index haben sich gegenüber ihren 52-Wochen-Hochs halbiert. 1999 war das bei 35% der Aktien im Index genauso, gleichzeitig war aber auch der Index sehr deutlich in den „Miesen“. Aktuell kommt der NDX auf minus 6% gegenüber seinem Allzeithoch, der Nasdaq Composite liegt 7% darunter.

Die Rendite der 10yr TNotes hat sich seit Jahresbeginn vehement nach oben bewegt, das jüngste Tief lag allerdings schon im alten Jahr. Am 17.12.21 kam die Rendite auf 1,407%, jetzt steht der Wert 25% höher, bei 1,767%. Das ist ein enormer Sprung. Die Rendite steht jetzt auch wieder klar oberhalb einer seit vielen Jahren etabierten Abwärtslinie, klar über der EMA50 und an einem bedeutsamen statischen Pegel, der zuletzt Ende März/Anfang April 2021 erreicht worden war.

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Der Wert ist charttechnisch stark überkauft. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Rendite am aktuellen Punkt auf Sicht einiger Tage zunächst nicht weiter kommt, ist hoch. Das könnte mit einer Gegenbewgung bei Aktien zusammentreffen. Ein wichtiger kurzfristiger Pegel im S&P 500 liegt dabei bei etwa 4730. Würde der mit Bravour genommen, dürfte auch die Region des Allzeithochs bei 4800 noch „drin“ sein. Falls der Index schon bei 4730 in Probleme läuft, müsste man davon ausgehen, dass Santa nicht nur spät dran war, sondern sich auch schon wieder früh verabschiedet.

In Anbetracht der anlaufenden Quartalssaison ist zwar wieder die Rede davon, dass sich die Gewinne besser als erwartet entwickelt haben. Das mag auch sein, je nachdem wie tief man die Messlatte legt. Aber ob das dieses Mal auch wieder reicht, um die Bullen zu beflügeln?

Im Fokus steht jetzt mehr und mehr, wie es makroökonomisch weitergeht. Die monatlichen Stundenlöhne sind im Dezember mit +0,6% gegenüber dem Vormonat doppelt so stark gestiegen. Auf ein Jahr hochgerechnet ergäbe sich damit ein Zuwachs von 7,2% gegenüber einer aktuellen Steigerung von 4,7% im Jahresvergleich. Wenn die Unternehmen diesen Kostenzuwachs über ihre Preise weitergeben können, ist das zwar gut für ihre Gewinnentwicklung, würde aber eine Lohn-Preis-Spirale antreiben.

Das wiederum könnte die Fed zu weiteren „Missetaten“ verleiten, zumal die Arbeitslosenquote im Dezember nochmals deutlich gesunken ist, um 0,3% auf 3,9%. Damit dürfte sie sich dem Ziel einer Normalisierung des Arbeitsmarktes nahe sehen, was ebenfalls keine gute Nachricht wäre für die Liquiditätssüchtigen. Denn dann fällt das als Argument für eine weiter lockere Gangart in der Geldpolitik auch weg.

Also stellt sich wieder einmal mit aller Deutlichkeit die Frage: Wird die Fed „Main Street“ oder „Wall Street“ bevorzugen? Da könnte doch so ein kleiner externer Schock gelegen kommen, um die Antwort auf die lange Bank zu schieben und alle Ankündigungen hinsichtlich Bilanzverkürzung usw. erst einmal wieder Makulatur werden zu lassen. Potenzial gibt es genug.

[Unter Verwendung von Material aus „Fed Minutes Spook Markets Into Selloff“]

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