USA: Lahme Kredittätigkeit, schwaches BIP

Die US-Aktienmärkte haben den Monat Oktober mit Zugewinnen hinter sich gelassen, der S&P 500 ist auf Monatssicht um 6,9% angestiegen. TBonds konnten magere 1,2% zulegen, der CRB-Rohstoffindex schaffte ein Plus von 3,8%. Der Dollar-Index trat in etwa auf der Stelle bei knapp über 94.

Die erste Schätzung des US-BIPs zeigt einen annualisierten Zuwachs im dritten Quartal von zwei Prozent. Erwartet wurden 2,7% nach 6,7% im Vorquartal. Die Konsumausgaben stiegen in Q3 um real 1,6% nach 12% im Vorquartal. Die persönlichen realen Einkommen sanken um ein Prozent und damit stärker als mit –0,2% erwartet. Der Einkaufsmanager-Index für die Region Chicago überraschte positiv.

Alles in allem (noch) keine Argumente dafür, dass der bullische Trend an den Aktienmärkten wegbricht. Allerdings sollte man kurzfristig trotzdem mit steigender Volatilität rechnen.

Das FOMC-Komitee der Fed verkündet am kommenden Mittwoch das Ergebnis seiner Beratungen. Die unerwartet schwache BIP-Entwicklung dürfte eine jetzt schon beginnende Reduktion der QE-Maßnahmen (Tapering) der Fed eher unwahrscheinlicher machen, sie kauft bisher wacker pro Monat für 80 Mrd. Dollar Staatsanleihen und für 40 Mrd. Dollar Hypothekenpapiere. So manchen Akteur an den Finanz-Märkten beschäftigt zudem die Frage, ob der amtierende Fed-Chef Powell im Januar für weitere vier Jahre auf dem Posten bleibt. Normalerweise steht beim Auslaufen einer Amtszeit um diese Zeit schon fest, wie es personell weitergeht.

Weitgehend unbeachtet ist bis jetzt geblieben, dass die Ausleihungen der Geschäftsbanken an Handel und Industrie im Jahresverlauf zehn Prozent unter dem Wert des Vorjahres liegen. Auch der Verlauf aller Bankkredite ist im Jahresvergleich knapp negativ. Mag sein, dass das nur die Korrektur zu den kräftigen Überschwingern ist, die im Zuge der „Anti-Corona“-Maßnahmen seitens Fed und Regierung auftraten. Aber es zeigt, dass ein großer Teil der von der Fed geschaffenen Liquidität in der Finanzwirtschaft verbleibt, bzw. auch dorthin zurückkehrt. Erst über eine anziehende Kredittätigkeit der Banken würde sie den Weg in die Realwirtschaft finden.

Daher ist die Fed auch nicht die Hauptverantwortliche für den aktuellen inflationären Schub in der Realwirtschaft. Der wurde wesentlich verursacht durch die Maßnahmen der Regierung, die direkt die Geldbörsen der Bürger erreicht haben. Im übrigen ist es interessant, zu sehen, unter welchen Bedingungen seit Ende der 1970er Jahre die Ausleihungen jeweils zugenommen haben. Dies war v.a. dann der Fall, wenn die Leitzinsen (eff. FFR) stiegen und der Renditespread zwischen den 10yr-TNotes und den 3m-TBills nach einem Anstieg zu sinken begann. Dieser Zusammenhang war bis 2000 besonders prägnant. Danach entkoppelten sich die Wachstumsraten der Kredite an Handel und Industrie einerseits und der Gesamtbetrag der Ausleihungen andererseits betragsmäßig etwas. Vor dem Beginn von Rezessionen ging der betrachtete Renditespread stets auf oder unter Null. Siehe die beiden folgenden Charts (Chartquelle)!

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Der nächste Chart zeigt die Entwicklung seit 2008 unter Einbeziehung der Entwicklung der Geldmenge M2. Deutlich zu sehen sind die drei QE-Phasen nach 2008. Die erste ging von November 2008 bis März 2010, die zweite erstreckte sich von November 2010 bis Januar 2011, dann folgte die dritte von September 2012 bis Dezember 2013. In dieser Zeit waren Leitzins und Geldmengenentwicklung entkoppelt, auch ist kein solider Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Geldmenge und der Kredittätigkeit erkennbar – das frische Geld blieb im wesentlichen in der Finanzwirtschaft. Anders in der Zeit ab 2017, als sich ohne QE-Maßnahmen Leitzins und Geldmenge wie zu erwarten umgekehrt zueinander entwickelten. Im September 2019 erreichte der betrachtete Spread die Nulllinie, das Warnzeichen für eine herausziehende Rezession, die Geldmenge begann mit den seinerzeit unter einem fadenscheinigen Vorwand neu gestarteten QE-Maßnahmen schnell anzusteigen, die Kredittätigkeit erlahmte vollends.

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Mit „Corona“ expandierte die Geldmenge weiter, das QE der Fed sorgte für eine Entkopplung des Verlaufs der auf Null gesenkten Leitzinsen und der Geldmenge, die Kredittätigkeit nahm zunächst vor allem in Handel und Industrie zu u.a. dank der Kreditgarantien der Fed, der Spread zwischen den 10yr-TNotes und den 3m-TBills stieg deutlich an (auch wegen der Bewegung bei der eff. FFR).

Allein der visuelle Vergleich zwischen der aktuellen nach-Rezessions-Phase mit denen früherer Rezessionen zeigt schon die massiven Eingriffe von Fed und Regierung. Nimmt man die Entwicklung nach 2008 als „Drehbuch“ für das, was jetzt kommen könnte, so ist klar, dass die Geld-Seite der Wirtschaft viel weniger Boden unter den Füßen hat als das nach 2008 der Fall war. So liegt etwa der betrachtete Spread mit 1,2% halb so hoch wie Mitte 2009, 18 Monate nach Beginn der seinerzeitigen Rezession.

Je höher der Spread in der Vergangenheit nach Rezessionen stand, je mehr Potenzial bestand für Kreditaktivitäten. Das ist auch einleuchtend. Eine Hauptaufgabe der Banken besteht darin, kurzfristig angenommene Geldanlagen in langfristige Kredite umzuwandeln. An dieser Fristentransformation verdienen sie besonders, wenn die Zinsen am kurzen Ende niedrig und am langen Ende hoch sind (was der Rendite-Spread zwischen den 10yr-TNotes und den 3m-TBills anzeigt). Dann ist auch die Bereitschaft der Banken besonders groß, Kredite auszuhändigen (cet. par.).

Somit ist der betrachtete Spread ein (nicht das einzige) Maß für die Angebotsseite bei Krediten. Und bezogen auf die aktuelle Situation ist diese deutlich ungünstiger als in vergleichbaren früheren Phasen. Auf der anderen Seite ist die Nachfrageseite gesättigt, viele Unternehmen haben angesichts der Niedrigstzinsen Kredite aufgenommen, die sie zu produktiven Zwecken gar nicht brauchten. Sie haben damit etwa Aktienrückkäufe finanziert oder andere Darlehen abgelöst. Mit anderen Worten: Eine rasche Belebung der Kreditätigkeit ist so bald nicht zu erwarten, auch deshalb nicht, weil die Sparquote in den USA sich gerade erst wieder zu normalisieren beginnt. Sie war im April 2020 auf fast 34% hochgeschnellt und liegt erst seit Juni wieder unter zehn Prozent.

Damit sind die realwirtschaftlichen Wachstums-Aussichten auch in den USA nicht gerade rosig. Daran dürfte auch das bald beschlossene Anreizprogramm u.a. für Infrastrukturmaßnahmen wenig ändern, das nach und nach wieder etwas Schub bringen wird. Gleichzeitig ist eine Steuererhöhung im Gespräch, von deren Ausgestaltung es abhängen wird, wie sehr diese dämpfend auf die Konjunktur wirkt. Außerdem sind weitere Maßnahmen in der Diskussion, die erneut mehr oder weniger direkt den Bürgern in die Taschen fließen. Unsicherheiten…

Die Löhne sind per September um 5,5% gegenüber dem Vorjahr gestiegen, der jährliche Zuwachs war nur in den frühen 1980er Jahren stärker. Der CPI zeigt eine nach unten manipulierte Inflation von 5,4%, die angesichts der stark gestiegenen Hauspreise realistisch eher bei neun bis zehn Prozent anzusiedeln wäre. Da der Arbeitsmarkt weiter angespannt ist, viele Arbeitsplätze bleiben unbesetzt, dürfte die Lohnentwicklung weiter nach oben gehen. Eine Lohn-Preis-Spirale ist die Folge, ein Ende ist gegenwärtig nicht abzusehen (Chartquelle).

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Die viel beschworene Knappheit aufgrund angespannter Lieferketten dürfte bei Licht betrachtet weniger gravierend sein als angenommen, sie ist in vielen Fällen eher ein vorgeschobenes Argument der Anbieter, um die Preise hoch zu treiben. Das Lieferkettenthema dürfte davon abgesehen in der Tat vorübergehend sein, nicht jedoch die Inflation, die zu allererst den Schuldnern zugute kommt. Die Fed hat angesichts des hohen Verschuldungsgrades der Wirtschaft kein Interesse daran, hier bald gegenzusteuern, sie muss sich nur etwas einfallen lassen, um den Aufwärtsdrang der Renditen am längeren Ende zu bremsen. Die BoJ hat vorgemacht, wie es geht. Aber Japan macht auch vor, was die wirtschaftliche Konsequenz der Manipulation der Zinsen ist – wirtschaftliche Agonie, Stagnation (siehe auch hier!).

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