Inflation haussiert

In der zurückliegenden Woche sagte US-Finanzministerin Yellen zunächst, dass Bond-Renditen angesichts des starken Wirtschaftswachstums und der anziehenden Inflation steigen sollten, um sicher zu stellen, dass die Wirtschaft nicht überhitzt. Später war sie bemüht, diese Aussage zu relativieren. Dann warnte die Fed vor möglichen deutlichen Abschlägen bei Asset-Preisen, wenn die Risiko-Neigung nachlasse – und meinte damit wohl Aktien.

Die Fed hatte zwischen März und Juni 2020 über drei Billionen Dollar an Liquidität geschaffen und damit die große „Geldvermehrung“ angeschoben. Die US-Regierung hat bis jetzt mit weiteren fünf Bill. Dollar an kredit-finanzierten Stimuli „einen drauf gesetzt“. Damit nicht genug – die Biden-Administration möchte weitere rund sechs Billionen Dollar ausgeben: 2,25 Bill. Dollar für ein Infrastruktur-Programm, zwei Bill. Dollar für (oder gegen) den Klima-Wandel und 1,8 Bill. Dollar für soziale Zwecke. Natürlich auch wieder alles durch Ausgabe von Schuldscheinen.

Es gibt in der Geschichte zwei Beispiele für ähnlich umfangreiche Staatsausgaben in kurzer Zeit. Das eine betrifft Franklin Delano Roosevelts „New Deal“ von 1933 und folgende Jahre, das andere betrifft Lyndon B. Johnson’s „Great Society“ Programme von 1964. In beiden Fällen brachen Aktien mit in der Folge jeweils anziehender Inflation zunächst nach oben aus. Ein vergleichbares Bild sehen wir aktuell auch.

Die aufgelegten und die geplanten Stimulus-Programme der US-Regierung haben eine unmittelbar auf steigende Nachfrage in der Realwirtschaft abzielende Wirkung. Das betrifft insbesondere die Nachfrage nach Rohstoffen, wobei die sogenannte „grüne Revolution“ besonders Rohstoff-intensiv ist. Das schnelle Anziehen der Nachfrage lässt Versorgungsketten ächzen, und das hierdurch zeitweilig verknappte Angebot hat einen zusätzlich preissteigernden Effekt.

Vermutlich wird schon aufgrund des Basis-Effekts der US-CPI-Index im April im Jahresvergleich auf deutlich über vier Prozent ansteigen, im Mai dürften es über sechs Prozent werden. Der Bloomberg Commodity Spot Index zeichnet den Weg vor, er steht heute nahezu so hoch wie 2011. Im Tief war der Index im Frühjahr 2020 auf rund 260 gefallen, aktuell steht er 80% höher (Chartquelle).

Ähnliches gilt für den CRB-Rohstoff-Index (Exc Ret), er steht heute 90% über seinem Tiefstand aus April 2020 und genauso hoch wie Anfang 2009, als der Absturz im Rahmen der Finanzkrise ein Ende fand. Der Kupferpreis hat seinen gesamten Abstieg seit Anfang 2011 innerhalb von nicht einmal 14 Monaten wett gemacht.

Man kann die anfangs zitierten Statements von Yellen und Fed als Aufforderung interpretieren, in „reale“ Werte, sprich Rohstoffe zu investieren, um etwas heiße Luft aus Aktien abzulassen. Genutzt hat es bis jetzt nichts.

Gold hat vor einigen Tagen den Ausbruch über eine Bull-Flagge geschafft und steht wieder über 1800 Dollar. Gestützt wird die Entwicklung gegenwärtig von immer noch verhaltenen langfristigen Renditen und einem schwächer werdenden Dollar. Tom McClellan sieht Gold in der aufsteigenden Phase eines neuen, 13-1/2 Monate andauernden Zyklus, wo erfahrungsgemäß die höchsten Steigerungen beim Goldpreis anfallen. Im Herbst werde man die Situation dann neu beurteilen müssen, heißt es.

Die US-Arbeitsmarktentwicklung für April hat am zurückliegenden Freitag die hochfliegenden Erwartungen hinsichtlich der Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht erfüllt. Das hat Bedenken reduziert, dass die Fed alsbald in Zugzwang kommen könnte, die Leitzinsen anzupassen. Das haben die Aktionäre nach anfänglicher Job-Enttäuschung goutiert und Dow wie S&P 500 auf neue Rekordhochs befördert. Wenn die Job-Entwicklung aber dadurch gebremst wird, dass nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte zu finden sind, wird das zu Lohnsteigerungen führen, was wiederum potenziell inflationsfördernd ist.

Man kann es drehen und wenden wie man will. Die Renditen am langen Ende werden übergeordnet weiter steigen, die Kurse für Staatsanleihen kommen unter Verkaufsdruck. Die Rendite der 10yr-TNotes (TNX) testet aktuell die lange Abwärtslinie aus 1986 von oben. Diese Linie war lediglich 2018/2019 überschritten worden, im Zusammenhang mit der Toppbildung der Rendite bei 3,25% im Oktober 2018 kamen Aktien seinerzeit unter scharfen Korrekturdruck. Am zurückliegenden Freitag hat der TNX einen ausgepägten unteren Docht fabriziert, der deutlich unter die EMA50 und die angesprochene Linie ging. Der Tagesschluss war klar über beiden Marken, ein typisches Stabilisierungsbild.

Die Entwicklung der langen Renditen dürfte auch zu anhaltendem Druck auf den Dollar-Index beitragen. Das entspräche einem langfristigen zyklischen Muster von rund 14 Jahren (noch deutlicher ist dieser Zyklus bei Euro/Dollar). Zur Jahreswende 2016/2017 gab es im Dollar-Index das jüngste Hoch, bleibt das Muster intakt, wäre bis 2023/2024 übergeordnet mit einer Abwärtsbewegung zu rechnen (Chartquelle).

Ein schwächerer Dollar wiederum stützt die Rohstoffpreise, mithin ist auch aus diesem Grunde nicht zu erwarten, dass die Inflation in den nächsten paar Monaten abebbt.

Wird die Fed etwas unternehmen, um die Inflation zu bremsen? Wenn sie schon nicht aktiv dagegen vorgeht, etwa über Steigerung des Leitzinses, wird sie zumindest passiv durch Zurückfahren ihrer monatlichen Bond-Käufe im Umfang 125 Mrd. Dollar agieren? Ich denke, sie wird nichts dergleichen tun.

Die scharfe Reaktion insbesondere im NDX auf die anfangs erwähnte Äußerung von Yellen hat gezeigt, wie abhängig die Finanzmärkte von den Zentralbanken sind. Die haben ein Monster geschaffen, das immer mehr Liquidität braucht. Wie diese aus der Nummer wieder herauskommen, ist mir schleierhaft. Der sanfte Schubs von Fed und Yellen, dass sich die Finanzmärkte stärker in Richtung Rohstoffe orientieren sollten, wird nicht helfen.

Wie reagieren Aktien? Immerhin befindet sich der S&P 500 seit Oktober 2020 in einem stabilen Aufwärtskanal, dessen Begrenzungen man, wenn man will, bis Ende April 2020 zurückverfolgen kann. Der aktuelle, am 13. Mai 2020 gestartete Aufwärtsschub kommt bald auf die gleiche Länge wie derjenige zuvor von Mitte Februar 2019 bis Ende Februar 2020, jeweils bezogen auf die EMA50w. Aus Sicht der Aktienbullen liegt als nächstes Ziel 4300 nahe. Aus Sicht der Bären kommt zunächst die EMA50 bei 4060 in den Fokus. Aktueller Stand: 4232,60 (Chartquelle).

Ergänzung:
Der Corona-Ausbruch in Indien, der zeitgleich mit der hoch getriebenen Impf-Kampagne statt findet, könnte die Situation bei den Lieferketten weiter verschärfen. 240.000 der insgesamt 1,6 Millionen Seeleute weltweit stammen aus Indien. Verschärfte Reisestriktionen lösen vermehrt Probleme bei Crew-Wechseln aus, heißt es beim Verband Deutscher Reeder.

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