Lockdown bis St. Nimmerlein?

Der sogenannte „Corona-Gipfel“ hat beschlossen, den Lockdown bis zum 7. März zu verlängern. „Corona-Gipfel“, das ist eine Konferenz von Bundeskanzlerin und Chefs der Bundesländer. Sie ist im Grundgesetz nicht vorgesehen, sie ist kein Verfassungsorgan, sie maßt sich aber Rechte an, die bestenfalls den Parlamenten zustehen.

Friseurgeschäfte sollen am 1. März wieder öffnen. Wie der bayerische Ober-Zwangs-Hygieniker Söder mitteilte, habe das „nicht nur mit Hygiene“ zu tun, sondern „auch mit Würde“. Die Menschen müssten sich in der Pandemie „selbst wiederfinden“ können, sagt er. Das finde ich einleuchtend. Wenn einem nämlich die Haare über die Augen wachsen, kann man sich im Spiegel ja nicht mehr selbst wiederfinden.

Was das allerdings mit „Würde“ zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Im Grundgesetz steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die Würde des deutschen Bürgers wird jetzt bald schon ein Jahr mit den Füßen dieses „Corona-Gipfels“ getreten. Diese Würde des Menschen macht sich nicht am Haarschnitt fest. Möglicherweise meinen das die Mitglieder dieses „Gipfels“, weil sie über den gesamten Lockdown hinweg stets würdevoll frisiert herumgelaufen sind.

Und dann sagte Söder auch: “Es ist leichter zuzumachen, als zu öffnen. Das erste erfordert Mut, das zweite Klugheit.“ Auch das finde ich richtig. Es wird tatsächlich klug vorgegangen beim „Öffnen“. Galt zuvor ein Inzidenzwert von fünfzig als relevante Schwelle, so wurde jetzt ein Wert von 35 als das Maß aller Dinge festgeschrieben. „35“, das bedeutet, erst wenn über sieben Tage summiert nicht mehr als 35 sogenannte Neu-Infektionen pro 100.000 Personen auftreten, sollen weitere Lockerungen in Betracht kommen (auf die gesamte deutsche Bevölkerung bezogen bedeutet "35" gut 4.000 "Neu-Infektionen" pro Tag).

Man muss kein Hellseher sein: Vielleicht wird dieser „Corona-Gipfel“ die Inzidenz-Schwelle schon bald weiter senken. Vielleicht erst einmal auf 25. Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach plädiert für 25: „Wenn wir eine 25er-Inzidenz haben und der R-Wert nicht höher als 0,7 liegt, haben wir die Pandemie im Griff.“ Zur Begründung verweist er auf neu aufgetretene, angeblich aggressivere und infektiösere Mutanten des Virus. Wirkliche Wissenschaftler verweisen darauf, dass Mutationen bei Viren die Regel, nicht die Ausnahme sind. Dabei werden sie mit der Zeit womöglich ansteckender, aber weniger gefährlich.

Eines wird immer offenbarer: Diejenigen mit dem Söderschen Mut, zuzumachen, haben Angst wieder aufzumachen. Oder ist es die Gewöhnung der Regierenden an ihre Machtfülle, die sie nicht mehr aufgeben möchten? Oder ist es eine Art Sadismus, Gefallen daran zu finden, Leuten ihren Freiraum zu nehmen, sie bedrückt zu sehen unter den von ihnen herbeigeführten Verhältnissen?

Dazu passt auf der Gegenseite, dass sich immer mehr Menschen an die Einschränkung ihrer Freiheiten gewöhnen. Wieder andere wünschen sich, verunsichert durch das permanente, gewollte Schüren von Ängsten, ein hartes Durchgreifen, weil sie sich nur so vor der Bedrohung durch „Corona“ sicher fühlen. Was wiederum so mancher Politiker dankend aufgreift, um sich in Anbetracht der nächsten Wahlen mit noch drastischeren Maßnahmen beliebt zu machen.

Auf die eine oder andere Art wirkt die Schein-Alternative „Gesundheit oder Freiheit“. Man wählt besorgt zuerst die „Gesundheit“ und stellt dann irgendwann viel später fest, dass man die „Freiheit“ nicht mehr haben kann. Die angebliche Bedrohung durch „Corona“ ist der perfekte Anlass, die bürgerlichen Rechte dauerhaft zu beschneiden. Wem nutzt das?

Die nächste wirtschaftliche Krise ist nicht mehr weit. Die Ungleichmäßigkeit in der Verteilung von Wohlstand und Einkommen ist im zurückliegenden Jahr noch größer geworden. Die Unzufriedenheit mit solchen Verhältnissen nimmt zu. Das alles birgt sozialen Sprengstoff. Dagegen will man gewappnet sein – im Interesse des Erhalts der wirtschaftlichen und politischen Macht der privaten Eigner der Produktionsmittel dieser Gesellschaft.

Die Bundes- und Landesregierungen halten am Lockdown fest als dem zentralen Mittel in der Bekämpfung der „Pandemie“ mit der Infektionssterblichkeitsrate einer mittelschweren Influenza. Dabei ist die WHO längst abgerückt von ihrer ehemals vertretenen Auffassung, dass es sich hierbei um ein wirksames Mittel handele. Auch die Studie von Ionannidis belegt, dass ein Lockdown womöglich mehr Kollateralschäden verursacht als er (als flächendeckende, unspezifische) Maßnahme an Nutzen bringt.

Und: Das Binden der „Corona“-Politik an den Inzidenzwert öffnet der Beliebigkeit Tür und Tor. Ein PCR-Test kann keine Infektion feststellen, er macht lediglich Aussagen darüber, ob bestimmte molekulare Merkmale gefunden wurden, die mit dem Virus in Verbindung gebracht werden. Und selbst das ist aus unterschiedlichen Gründen beim Einsatz des PCR-Test als Massen-Test mit hoher Unsicherheit behaftet, wie die WHO kürzlich noch einmal bestätigte (siehe hier!). Und schließlich lässt sich durch ein zahlenmäßiges Hochfahren der Tests jederzeit eine höhere Zahl von „Infektionen“ erreichen, man hat es also in weiten Grenzen in der Hand, gewünschte Inzidenz-Werte zu produzieren.

Obwohl man sich vordergründig an „neutralen“ Zahlen orientiert, ist die Politik der Regierung in sehr weiten Grenzen beliebig. In einer Demokratie muss die Politik aber nachvollziehbar sein, damit die Bürger sie kontrollieren können. Genau das ist sie in diesem Falle nicht. Die Corona-Politik hat nichts mit demokratischen Grundsätzen zu tun. Das gilt genauso für die, die eine solche Politik entwickeln, vertreten und durchsetzen.

Ergänzung:
Prof. Dr. med. Matthias Schrappe (Homepage) kritisiert die Politik der Regierung seit geraumer Zeit. Im von Schrappe mitverfassten Thesenpapier 6 erfolgt eine dedizierte Auseinandersetzung mit den Inzidenzzahlen und ihrer Eignung als politische Leitlinie.
Schrappe hat sich zusammen mit anderen Mitwirkenden auf der Plattform „CoronaStrategie“ zusammengefunden, um für einen stärkeren wissenschaftlichen Diskurs und interdisziplinäre Risikoeinschätzung in Vorbereitung von politischen Entscheidungen in der Pandemiebekämpfung zu werben. Hier auch Antwort auf die Frage: "Wie endet die Pandemie?“.
Weitere Fundstellen im Internet: "Mediziner Matthias Schrappe: Lockdown ist Befürchtungspolitik“, "Lockdown-Politik ist endgültig gescheitert – das rächt sich bei Impfung“, "Experten wollen weg von 7-Tage-Inzidenz"

Nachtrag:
(12.2.21) Gesundheitssystem in Deutschland per 4.2.21: 3.159 weniger Intensivbetten seit 19.10.2020 (in erster Linie wegen Personalmangel) – Gesamtzahl aktuell 27.818 (Low-, High-Care und ECMO). Belegt sind 83,1% der Intensivbetten-Kapazität, 4.710 sind frei (16,9% der insgesamt verfügbaren Plätze), 15,2% der verfügbaren Kapazität sind belegt durch Covid-19-Patienten. Also totale Überlastung v.a. durch Covid-19?

Lesenswert: "Nachgedacht: Lockdown als versuchter Massenmord"

(16.2.21) Sehr lesenswert, Prof. Schrappe im Interview: „Kanzlerin leidet unter Kuba-Syndrom – sie lässt nur noch eine Meinung zu
Virologe Klaus Stöhr: "Corona ist auf dem Rückzug"
Über die psychologischen Aspekte des laufenden Corona-Manövers, Klaus-Jürgen Bruder, Vorsitzender der "Neuen Gesellschaft für Psychologie" – interviewt von Anneliese Fikentscher: "Corona oder die Angst vor Totalitarismus"

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