EZB öffnet Geldschleusen

Die EZB weitet die Negativzinsen für Banken aus, die sie für bei der Notenbank geparkte Gelder zahlen müssen. Außerdem legt sie das Anleihenkaufprogramm neu auf.

Der Einlagensatz wird von -0,4% auf –0,5% gesenkt. Der Satz ist seit 2014 negativ. Parallel zur Verschärfung der Strafzinsen für Banken wird eine Staffelung eingeführt. Damit werden nicht mehr auf alle bei der Notenbank geparkten Gelder Strafzinsen erhoben. In der Schweiz und in Japan werden solche Stufensysteme bereits praktiziert.

Der Leitzins zur Versorgung der Institute mit Geld bleibt bei 0,0% unverändert. Er liegt seit März 2016 auf diesem Niveau. Die Zentralbank hatte ihre Zinsen letztmalig 2011 angehoben.

Die EZB wird zudem die im Dezember 2018 beendeten Anleihenkäufe erneut aufnehmen und will ab November monatlich Papiere für 20 Mrd. Euro kaufen. Von März 2015 bis Ende 2018 steckte die EZB gemeinsam mit dem nationalen Notenbanken ungefähr 2,6 Bill. Euro in Anleihekäufe.

Die EZB passt des weiteren ihren Ausblick an. Die Kernzinssätze sollen nun so lange auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben, bis das Inflationsziel von knapp zwei Prozent erreicht ist. Bislang waren lediglich bis Mitte 2020 stabile oder niedrigere Kernsätze in Aussicht gestellt worden.

Die Inflationsprognose des EZB-Staff wurde gegenüber der letzten Veröffentlichung deutlich reduziert und soll nun erst in 2021 wieder in Richtung des Inflationsziels steigen.

Weiterhin wurde beschlossen, die Laufzeit der Langfristkredite für Banken ("TLTRO III") von zwei auf drei Jahre zu verlängern.

EZB-Chef Draghi wird im November durch Frau Lagarde abgelöst. Dadurch wird sich an der expansiven Ausrichtung der Geldpolitik der EZB so schnell nichts ändern. Lagarde hat bereits klar gemacht, dass sie für absehbare Zeit eine sehr lockere Geldpolitik für nötig hält. Die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) hatte sich auch wiederholt für eine Einschränkung des Bargeldumlaufs stark gemacht. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass negative Zinsen auf breiter Front umgesetzt werden können.

Die heute bekannt gegebenen Schritte der EZB sind in etwa so ausgefallen wie von den Finanzmarktteilnehmern erwartet. Jedoch fehlt immer mehr der Glaube, dass solche Maßnahmen Konjunktur und Inflation spürbar stimulieren können. Der mit der heutigen Entscheidung einhergehende (zum großen Teil bereits vorweggenommene) Abwertungsdruck auf den Euro dürfte wegen der globalen Handelskonflikte und der globalen wirtschaftlichen Abschwächung nur wenig exportbelebende Wirkung entfaltet. Stattdessen könnten ausländische Zentralbanken ähnlich reagieren, was eine Abwertungsspirale in Gang setzen würde.

Was, wenn die nun beschlossenen Maßnahmen, insbesondere die Wiederaufnahme der Anleihekäufe nicht mehr wirken? Nach dem ersten Gossenschen Gesetz nimmt der Grenznutzen eines wirtschaftlichen Gutes mit seinem fortschreitenden Gebrauch ab. Umgekehrt müssen im Laufe der Zeit immer drastischere Maßnahmen ergriffen werden, um das gleiche Ziel, bzw. den gleichen Nutzen zu erreichen.

Was dann bleibt, das hat vor Jahren die japanische Zentralbank vorgemacht. Sie kauft seit 2012 nicht nur nahezu alle neuen Staatanleihen auf, sondern investiert auch in Aktien und insbesondere in ETFs. Mit Blick auf die Entwicklung der japanischen Wirtschaft seitdem lässt sich jedoch feststellen, dass auch diese drastische Maßnahme nicht gerade überschäumenden Erfolg hervorgebracht hat. Angeblich lässt Draghi bereits prüfen, welche unkonventionellen Wege der Notenbank bleiben, wenn die neuen alten Maßnahmen nicht greifen.

Nachtrag:
Lesenswerter Beitrag zum Thema von Daniel Stelter: „Draghis letzter Wille“.

Ergänzung:
Die Entscheidung der EZB, den Einlagenzins von -0,4% gestaffelt auf -0,5% Prozent abzusenken, entlastet die deutschen Banken. Die Finanzinstitute hatten im vergangenen Jahr nach der alten Regelung fast 2,4 Mrd. Euro an die EZB zahlen müssen. Die Neugestaltung in Form eines gestaffelten Zinses kostet die deutschen Banken nun jährlich etwa 1,9 Mrd. Euro – unter dem Strich also eine um etwa 520 Mio. Euro weniger starke Belastung. Ohne Staffel hätten die Banken mit dem neuen „Strafzins“ rund drei Mrd. Euro pro Jahr zahlen müssen.

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