Inflation und Rezession – eine Gratwanderung

In der Endphase eines Konjunkturzyklus spielt die Inflation für die Finanzmärkte eine besonders wichtige Rolle. Es geht insbesondere bei der Verbraucher-Inflation dann darum, dass sie stark genug ist, um zu zeigen, dass sich die Wirtschaft auf Kurs befindet. Zu stark ist auch nicht gut, u.a. damit sich die Zentralbank nicht zu einem zu aggressiven Kurs genötigt sieht.

Das Ideal-Szenario besteht in anhaltend erhöhter Inflation bei solidem gleichmäßigen Wachstum. Die Kunst ist, beides in der Balance zu halten. Das wird gegen Ende eine Konjunkturzyklus immer schwieriger.

Da Inflation und Zinsentwicklung zusammenhängen (u.a. siehe unten), wird eine zu hohe, bzw. eine sich zu schnell entwickelnde Inflation als Signal für schnell steigende Kreditkosten in der Wirtschaft gewertet. Verteuerte Kredite in allen Sektoren (Unternehmen, Konsumenten, Staat) belasten deren Nachfrage. Bei anhaltend hoher Inflation kommt es in der Regel auch zu steigenden Löhnen, insbesondere wenn die industrielle Reservearmee in Gestalt von Arbeitssuchenden durch vorangegangenes Wachstum schon stark abgeschmolzen ist.

Eine anhaltende Inflation auf hohem Niveau signalisiert so steigende Kosten der Unternehmen. Das drückt die Profitrate, wenn es nicht gelingt, die Kostensteigerungen an die Endmärkte weiterzugeben oder die Preise auf den vorgelagerten Märkten zu drücken. In Zeiten erhöhter Wachstumsraten kommt v.a. der erste Weg in Betracht, der aber auf Endmärkten mit nennenswerter Wettbewerbssituation nur vorübergehend gelingt. Das Mittel der Wahl ist Rationalisierung (=Investitionen), letztlich vor allem durch Steigerung der Produktivität.

Mit der Steigerung der Produktivität steigt das Angebot. Das wirkt in der Tendenz preisdrückend und belastet somit die Gewinnmargen wieder. Zudem steigen die Kosten durch die Beschaffung neuer Anlagen und bei weiter zunehmendem Angebot durch deren sinkende Auslastung.

Dem versucht die einzelne Unternehmung durch sinkende Angebotspreise entgegenzuwirken. Da viele Anbieter in einer vergleichbaren Situation sind, kommt es volkswirtschaftlich schließlich zu einer abwärts gerichteten Preisspirale. Die Gewinnmargen der Unternehmen sinken rasch. Daraus entwickelt sich letzten Endes über Firmenpleiten eine Rezession.

Es ist wie eine Gratwanderung. Die Wirtschaft klettert auf einem Berggrat nach oben, die Abhänge werden immer steiler. Zur einen Seite lauert die Gefahr, dass die Wirtschaft wegen zu stark steigender Zinsen abstürzt (Nachfrageseite), zur anderen gefährden bei schneller Expansion zu stark steigende Lohn- und Anlagenkosten den Aufstieg (Angebotsseite).

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Der Zusammenhang zwischen dem Anteil der Löhne und dem der Gewinne an der Nettowertschöpfung der Unternehmen ist hier dargestellt – siehe „USA – Arbeitsmarkt weiter robust“!

Wie schlägt sich die Inflationsentwicklung der Spätphase eines Konjunkturzyklus in den Finanzmärkten nieder?

Kreditgeber haben in einer Finanz-fokussierten Wirtschaft eine besonders starke Stellung. Sie fordern Kreditzinsen, die einen realen, also um die Inflation bereinigten Ertrag bringen. Bei steigender Inflationsrate werden sie eine steigende nominale Verzinsung verlangen, die Bond-Kurse sinken. Für die alternative Aktienanlage bedeutet das, dass damit zunächst ihr Ertragsrahmen steigt. Entwickelt sich die Inflation weiter, steigt die Anleihe-Rendite weiter, bei Aktien wird eine nominale Expansion von Gewinnen und Dividenden weiter gekauft.

Wenn es Unternehmen durch höhere Preismacht gelingt, Kosten zu überwälzen und ihre Margen zu halten oder auszubauen, untermauert die so weiter angefeuerte Inflation die Anleger-Erwartungen. Die Entwicklung führt schließlich zu Übertreibungen und enttäuschten Erwartungen an die reale Entwicklung der Aktienerträge. Die Illusion realer Zuwächse bei der Aktienanlage wird entzaubert (siehe auch "Inflationsillusion" bei Campbell/Vuolteenaho (2004). Das geht gewöhnlich einher mit stagnierender, insbesondere rückläufiger Inflation. Darauf reagieren Anleiherenditen relativ schnell, sie sinken. Steigende Anleihekurse ziehen weiteres Kapital aus dem Aktiensegment an.

Die nominale Rendite der zehnjährigen TNotes, der sicheren „Referenz“-Anleihe, kommt aktuell auf knapp 3,2%, die Gewinnrendite im S&P 500 liegt mit einem nicht ungewöhnlichen Sicherheitsaufschlag bei 4,4%. Steigt die Inflation weiter an, wäre nach dem zuvor gesagten von steigenden Anleiherenditen auszugehen. Das eröffnet Potenzial für eine ansteigende Gewinnrendite bei Aktien. Um das auszuschöpfen, müsste sich die Gewinnsituation der Unternehmen verbessern – ob hier allerdings aktuell noch viel Spielraum, wage ich zu bezweifeln. (Das gilt insbesondere auch angesichts des politischen Patts nach den Midterm-Wahlen, die weitere Steuersenkungen unwahrscheinlich machen und die Durchsetzung größerer Infrastrukturinvestitionen zumindest vor größere Hürden stellt).

Die Gewinnrendite steigt auch, wenn die Aktienkurse überproportional zur Gewinnentwicklung sinken. Wenn zeitgleich Aktienkurse und Gewinnrendite fallen und die Bondkurse steigen, ist Vorsicht geboten.

Der folgende Chart zeigt die prozentualen jährlichen Veränderungen im S&P 500 (magenta), beim Kehrwert der zehnjährigen Bond-Rendite (als Proxy für Anleihekurse – gelb), bei den Dividenden (rot-braun) und der Gewinnrendite (Kehrwert des KGV – blau). Insbesondere in konjunkturellen Spätphasen fallen die gegenläufigen Entwicklungen bei den Bond-Kursen einerseits und bei der Gewinnrendite, sowie bei den Aktienkursen andererseits auf (und erklären sich durch das zuvor gesagte). Die türkise Linie fasst die Entwicklung von Dividenden, Aktienkursen und Gewinnrendite zusammen. Diese lief kurz vor, bzw. mit Start der beiden zurückliegenden Rezession jeweils in den negativen Bereich. (Dies geschah auch zwischen Juli 2015 und Juni 2016 – wer aber hier nicht im S&P 500 investiert war, hat auch nichts verpasst).

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Das Gesagte wird untermauert durch die Analyse bestimmter Merkmale der Zinsstruktur. Hier ist seit Mai das Signal aktiv, das vor einer innerhalb der nächsten vier bis sechs Quartale startenden Rezession warnt.

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Übertragen auf die aktuelle Situation ergibt sich meiner Meinung nach: Der Eintritt einer Rezession in den USA steht wohl noch nicht unmittelbar bevor, aber es würde mich nicht wundern, wenn dies spätestens zur Jahresmitte 2019 der Fall ist.

Wie steht es aktuell mit der Inflation in den USA? Siehe hier: "Inflation – wie sieht es aus?"

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