Macron – nach der Wahl ist vor der Wahl

Macron ist neuer Präsident Frankreichs. Das war nach dem ersten Wahlgang erwartet worden, bei dem er als Sieger hervorging. Damals konnte er 23,8% der Stimmen auf sich vereinigen, 2,3% mehr als die zweitplatzierte Vertreterin des rechtsnationalen Front National (FN). In der gestrigen Stichwahl holte Macron fast 66% der Stimmen, seine Rivalin kam auf gut 34%.

Damit haben rund 11 Millionen Franzosen ihre Stimme einer Partei gegeben, der FN, die hierzulande mit der AfD oder der NPD vergleichbar ist – oder mit der Pegida, wenn es eine Partei wäre. Zugleich war die Wahlbeteiligung die niedrigste seit fünf Dekaden und die Zahl der ungültigen Stimmzettel nach vier Prozent in der ersten Runde mit neun Prozent so hoch wie noch nie bei einer Präsidentschaftswahl.

Die politischen und wirtschaftlichen Beobachter zeigten sich erleichtert. Der Sieg Macrons war an den Finanzmärkten zuvor bereits gefeiert worden, jetzt heißt es erst einmal „sell the news“.

„Le Figaro“ hebt hervor, dass nur ein Viertel der Franzosen hinter Macrons Frankreich steht. Zwei weitere Viertel, die Anhänger des FN und die Anhänger des Linkspolitikers Mélenchons sind gegen seine pro-europäische Ausrichtung radikal feindselig eingestellt. Es dürfte klar sein, dass viele Stimmen am gestrigen Wahltag nicht für Macron abgegeben wurden, sondern gegen die Vertreterin des FN. Macron ist der Präsident, der so viele Front-National-Wähler gegen sich hat wie nie einer zuvor.

Damit ist nach der Präsidentschaftswahl vor der Parlamentswahl. Macron hat fünf Wochen Zeit bis zu deren erster Runde. Er hat keine etablierte Partei hinter sich und bis jetzt keinen Abgeordneten im französischen Parlament. Es könnte durchaus sein, dass viele derjenigen Wähler, die gestern Macron nur gewählt haben, um den FN zu verhindern, nun ihrer wirklichen Überzeugung freien Lauf lassen und eine Nationalversammlung wählen, die Macron ablehnend bis feindlich gegenübersteht.

In den nächsten Wochen kann noch viel geschehen. In dieser Zeit muss Macron dem französischen Volk deutlich machen, dass er die Alternative ist, auf die es gewartet hat. Die Grundlinien seiner Politik sind allerdings alles andere als leicht zu vermitteln. Macron will die hohe Staatsquote reduzieren, er will das niedrige Rentenalter anheben und die Franzosen mehr arbeiten lassen – alles „unpopuläre“ Maßnahmen.

Mit seinem frischen Wind ist es Macron gelungen, gegen die verkrustete politische Landschaft in Frankreich einen beachtlichen Erfolg zu erreichen. Diese Bewegung muss sich jetzt „materialisieren“ und die Franzosen müssten „um des Großen Ganzen willen“ Einschnitte in das Sozialsystem akzeptieren. Dabei würde helfen, wenn Macron den französischen Wunschtraum ein Stück weit Wirklichkeit werden lässt, mehr Macht in Brüssel zu konzentrieren und dabei auch den französischen Einfluss dort zu stärken. Er plädiert für einige Reformen in Brüssel, so u.a. für gemeinsame Staatsanleihen. Aber genau dies stösst bei der deutschen Politik auf erheblichen Widerstand. Damit sind die Aussichten schlecht, dass Macron hier mehr herausschlagen kann als ein paar mickrige kosmetische Zugeständnisse.

Laut Umfragen vor der Wahl zweifelten viele Franzosen, dass es Macron gelingt, die Arbeitslosigkeit zu senken. Besonders schlechte Werte bekam er bei der Frage, ob er die Sorgen und Nöte der Bürger versteht. Viele Wähler halten Macron für einen elitär-marktliberalen Kandidaten.

Damit erscheint Macron insgesamt als persönlich, institutionell und politisch eher schwacher Präsident. Wenn er seine Versprechungen nicht umsetzen kann oder diese von den französischen Wählern (und Gewerkschaften) nicht akzeptiert werden, dürfte der nächste französische Präsident mit hoher Wahrscheinlichkeit aus den Reihen des FN kommen.

In den Medien wird Erleichterung als Motto des Tages ausgegeben. Die Niederlage des FN wird als Signal interpretiert, dass der Populismus á la Trump seinen Höhepunkt überschritten hat. Das scheint mir aber nichts als pures Pfeifen im dunklen Wald zu sein.

Wenn die EU keine wirkliche, handfeste Zukunftsperspektive für die Otto-Normalbürger in Europa anbieten kann, wird sie sich nicht immer weiter von Wahl zu Wahl hangeln können. Zumal auch keine Lösung für eines der Grundübel dieses Euro-Europas in Sicht ist, die maroden Staatfinanzen. Spätestens im Mai 2018 stehen im wirtschaftlich schwachen Italien Parlamentswahlen an. Dort sind die linken und rechten politischen Strömungen ähnlich ausgerichtet und ähnlich stark wie in Frankreich.

Nachtrag:
(9.5.17) Lesenswert auch: "Keine Wahl für Europa".

(15.5.17) Bezeichnend – nach seiner Inthronisierung am gestrigen Sonntag hat Macron nichts Eiligeres zu tun, als heute, einen Tag später, nach Berlin zu Bundeskanzlerin Merkel zu fliegen, um ihr seinen Antrittsbesuch abzustatten.

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