EU-Kommission hebt Finger gegen Italien

Die EU-Kommission hebt mal wieder den Finger (nein, nicht den Mittelfinger) und droht Italien, wegen dessen wachsender Schuldenlast ein Verfahren gegen das Land zu eröffnen. Italien soll bis April darlegen, wie das Haushaltsdefizit verringert werden kann. Vorgabe sind Einsparungen im Umfang von 0,2% des italienischen BIP, also 3,3 Mrd. Euro. Die Staatsverschuldung kommt auf rund 133% des BIP.

Das Land könnte nach Durchführung eines EU-Verfahrens sogar bestraft werden – eine Geldstrafe von bis zu 0,5% des BIP wäre möglich. Gleichzeitig forderte die Kommission Deutschland mal wieder auf, wegen der hohen Export-Überschüsse in 2016 von fast 253 Mrd. Euro mehr zu investieren. Eine Stärkung der Binnennachfrage in Deutschland würde helfen, die Teuerungsrate zu erhöhen und die Entschuldung in den besonders betroffenen Mitgliedsländern zu erleichtern, heißt es.

Seit Draghis „Whatever it takes“ Mitte 2012 und dem bisher nicht aktivierten OMT-Programm vom September 2012 waren die Renditen in der Eurozone beständig gesunken. Zinsen für zehnjährige italienische Staatsschulden erreichten im Tief im Frühjahr 2015 und im dritten Quartal 2016 etwa ein Prozent. Seit einigen Monaten steigen sie, kürzlich hatten sie zwei Prozent überschritten, aktuell liegen sie bei gut 1,8%.

Der folgende Chart zeigt sehr deutlich, wie weit in Italien soziales Wohlergehen und das der Bond-Halter auseinanderklafft. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt seit 2012 munter weiter und hat kürzlich wieder 40% erreicht. Gleichzeitig spiegeln die Zinsen recht solide Staatsfinanzen wider – lachhaft bei einer Verschuldungsquote von 133% (siehe auch hier!).

Dass die Auftriebstendenzen nicht auf die Renditen von italienischen Staatspapieren beschränkt sind, wird am folgenden Chart deutlich. Er zeigt die inverse Kursentwicklung eines Portfolios aus den fünf Staatsanleihen in der Eurozone mit der höchsten Verzinsung. Eine Aufwärtsentwicklung im Chart entspricht steigenden Renditen in diesen Ländern. Im dritten Quartal 2016 fand der Kurs einen Boden, jetzt steht er rund fünf Prozent höher.

Die EU-Kommission macht sich mit irgendwelchen Drohgebärden Italien gegenüber bestenfalls lächerlich. Die Kommission war schon mit Frankreich, Spanien und Portugal nachsichtig umgegangen – warum soll sie jetzt bei Italien Härte zeigen? In Italien könnten noch in diesem Jahr Neuwahlen anstehen, infolge der Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung im vergangenen Herbst war Regierungschef Renzi zurückgetreten. Wenn die Warnung aus Brüssel den Druck auf die italienische Regierung erhöht, unpopuläre Sparmaßnahmen zu ergreifen, dürfte das den EU-Gegnern im Lande etwa um Grillo in die Hände spielen. Wahrscheinlich lassen sich beide Seiten irgendwelche kosmetischen Operationen einfallen, die den Schein wahren, aber keine praktische Bedeutung haben und schon gar nicht die Situation grundlegend verbessern.

Die Euro-Währungsunion verstösst seit vielen Jahren gegen ihre eigenen Regeln, so ist z.B. im Maastrichter Vertrag einen Schuldenobergrenze von 60% und ein Haushaltsdefizit von maximal drei Prozent festgelegt. Auch von "No Bail-out" ist dort die Rede. Der Vertrag ist von der (richtigen) Annahme ausgegangen, dass eine Währungsunion Regeln für richtiges Verhalten ihrer Mitglieder braucht.

Hat das im Brüsseler Alltagsgeschäft je jemanden gejuckt? Eine Währungsunion bezieht ihre Stabilität nicht nur von harten wirtschaftlichen Fakten, sondern auch vom Vertrauen. Vertrauen hat auch etwas damit zu tun, dass man sich an seine eigenen Regeln hält. Was diese Währungsunion zusammenhält, sind ein paar Worte des Chefs ihrer Zentralbank: „Man werde alles tun, um den Euro zu erhalten.“ Das hat zwar Zeit erkauft, reicht auf Dauer aber nicht aus. 2012 – das ist jetzt viereinhalb Jahre her.

Anmerkung:
Mit dem Satz, die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten, hat Draghi klar die Kompetenzen seiner Instution überschritten. Aus den europäischen Verträgen geht hervor, dass die EZB in erster Linie Preisstabilität zu gewährleisten hat (Art. 127 AEUV). Das Europäische Parlament und der Rat sind hingegen zuständig für die Maßnahmen, die für die Verwendung des Euro als einheitliche Währung erforderlich sind und die Stellung des Euro im internationalen Währungssystem gewährleisten (Art. 119(2), Art. 138 AEUV). Mit anderen Worten: Den politischen Institutionen und nicht der EZB obliegt übergeordnet all das, was den Euro als einheitliche Währung betrifft. Siehe auch hier!

Nachtrag:
(3.3.17) Dr. Daniel Stelter zu Italien: "Italien – die Zeit wird knapp"

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