Wenn Trump nicht gerade über seine Vorhaben zwitschert, richtet sich die Aufmerksamkeit mal wieder in Richtung Euro. Zweijährige Griechenland-Bonds rentieren über zehn Prozent, die Renditen von Bonds anderer Länder der südlichen Peripherie der Eurozone steigen, auch der Spread zwischen französischen und deutschen Renditen weitet sich aus. Momentan wird gerade ein möglicher Wahlerfolg des Front National bei den französischen Präsidentschaftswahlen hoch gekocht (zweiter Wahlgang Anfang Mai).
Interessanterweise hat EZB-Chef Draghi kürzlich in einem Brief an zwei italienische Europa-Abgeordnete geschrieben: „Wenn ein Land aus dem Eurosystem ausscheiden sollte, müssen die im Target-System aufgelaufenen Forderungen oder Verbindlichkeiten ausgeglichen werden.“ (h/t Dr. M. Hüfner) Anlass für seine Äußerungen dürfte die Diskussion in Italien über ein Referendum zum Austritt aus der Währungsunion sein. Draghi droht damit, dass ein solcher Schritt teuer wird. Italien, wie auch Spanien, schulden dem Euro-System jeweils rund 350 Mrd. Euro, Deutschland hat Forderungen in Höhe von über 750 Mrd. Euro (Chartquelle).
Draghi hat mit seiner Äußerung zum ersten Mal die „Ewigkeit“ der Euro-Währungsunion in Frage gestellt – in den Maastricht-Verträgen ist kein Austritt aus der Euro-Zone vorgesehen. Zwar war auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise schon einmal die Möglichkeit eines Austritts diskutiert worden. Die Auswirkungen eines solchen Schritts waren und sind aber überschaubar, das Land ist klein. Und die meisten seiner Schulden liegen mittlerweile wohlverwahrt bei öffentlichen Institutionen der übrigen Mitgliedsländer der Eurozone. Bei einem Land von der Größe Italiens ist das schon anders.
Helfen Drohungen, den Bestand der Eurozone zu sichern? Und wer garantiert, dass Italien im Falle seines Austritts die Target-Schulden zahlt? Das Land ist sowieso schon überschuldet, woher sollen die Mittel kommen – bei über 2,2 Bill. Euro Schulden oder fast 133% bezogen auf das BIP? (Chartquelle)
Eigentlich sagt dieser Chart schon alles über den Zustand der Eurozone: Die Staatsschulden steigen unaufhörlich, gleichzeitig sinken die Zinsen im großen Bild, erst seit kurzem ziehen sie wieder etwas an.
Der Vorteil einer „immerwährenden“ Währungsunion ist, dass die einzelnen Mitglieder vor direkten Währungsspekulationen geschützt sind. Mit seiner Bemerkung hat Draghi die Tür (zunächst nur ein wenig) aufgemacht. Ein durchaus von Draghi gewollter Effekt besteht darin, den Euro schwach zu halten.
Ob daraus ein Sprengsatz für das Euro-System insgesamt wird, steht einstweilen dahin. Akteure an den Finanzmärkten könnten die Bemerkung Draghis als Einladung verstehen und gezielt italienische Staatsanleihen verkaufen, um so die Zinsen hoch zu treiben. Irgendwann kann das Land dem Druck nicht mehr standhalten – was dann kommt, sah man am Beispiel Griechenlands: Kapitalflucht (der Target-Kredit nimmt zu), es werden Kapitalverkehrskontrollen erforderlich, externe Hilfe aus Brüssel ist nötig usw.. Und wenn alles nichts mehr hilft, könnte es zum Ausscheiden aus der Eurozone kommen.
Kann die Euro-Währungsunion dauerhaft fortbestehen? Die Herstellung ökonomischer Konvergenz ist krachend gescheitert, das Gegenteil ist passiert. Es gibt nette Planspiele wie etwa das von Prof. Bontrup (h/t Cashkurs) zur Rückabwicklung der Entwicklung seit 1999 und der Begleichung der Schulden der südlichen Peripherie. Demnach müssten die Löhne in Deutschland 20 Jahre lang jährlich drei bis vier Prozent über dem EZB-Inflationsziel steigen, während gleichzeitig die Lohnerhöhungen in der südlichen Peripherie auf dem Niveau des Inflationsziels bleiben.
Unrealistisch? Ja. Aber daran wird deutlich, welch großes Potenzial an Nicht-Konvergenz angehäuft wurde. Die Entwicklung der Target-Salden ist hierfür ebenfalls ein gutes Indiz. Auch die Entwicklung des deutschen Leistungsbilanzüberschusses zeigt die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung. Die deutsche (Export-)Industrie ist bis jetzt der Gewinner der missratenen Euro-Geschichte.
Wenn die Währungsunion scheitert, kommt einiges auf Deutschland zu: Da sind zunächst die Bürgschaftsverpflichtungen aus den europäischen Rettungsmechanismen, dann stehen die Targetsalden aus dem Eurosystem im Feuer. Und nicht zuletzt droht eine ordentliche Aufwertung in einer neuen Währungskonstellation, sei es alleine oder mit einigen wenigen Nordländern zusammen. Diese Aufwertung löscht den Wettbewerbsvorteil bei Lieferungen ins nicht-europäische Ausland aus, auch Lieferungen nach (Rest-)Europa sind plötzlich entsprechend teurer, zuvor gab es kein Wechselkursrisiko. Und dann sind da noch die steigenden Zinsen – deutsche Staatsschulden werden dann wohl nicht mehr mit nahe Null rentieren.
Gibt es in Berlin Vorbereitungen für den „Ernstfall“? Ich sehe keine. Warum auch? Die (Export-)Industrie wird sich nicht ins eigene Fleisch schneiden, selbst bei noch so viel weiser Voraussicht nicht. Also weiter so!
Nachtrag:
(13.2.17) Thomas Mayer schreibt in der FAZ, eine Rettung des Euro sei möglich, wenn sich die stärkeren Länder an die für die schwachen lebensnotwendigen Verhältnisse anpassen. Das könnte etwa geschehen durch schuldenfinanzierte Staatsausgaben in Deutschland, um durch eine Erhöhung der heimischen Nachfrage den Außenhandelsüberschuss zurückzudrängen oder dadurch, dass die deutschen Löhne stärker steigen, um deutsche Exporte zu verteurn. Auch die Stärkung des deutschen privaten Konsum etwa durch Senkung der Mehrwertsteuer sei ein Weg. All das sei aber kaum wünschenswert. Schwächere Länder der Währungsunion seien daran gescheitert, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und ihre Staatsfinanzen zu sanieren – hier müsse angesetzt werden. Und: "Immerhin könnte der Druck Donald Trumps dafür sorgen, dass die Fehler der Eurorettungspolitik nicht länger unter den Tisch gekehrt werden können."
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