Vor 84 Jahren – Hitler an die Macht

Am 30. Januar 1933 kam Adolf Hitler als Reichskanzler an die Macht in Deutschland. Das ist jetzt 84 Jahre her. Aber Anlässe, sich gerade jetzt daran zu erinnern, gibt es aktuell wahrlich genug. Wie lief das damals ab, welche Interessen waren ausschlaggebend?

Eine Schlüsselrolle in der Vorgeschichte von Hitlers Machtergreifung spielt der parteilose Militär Hindenburg. Er wurde 1925 auf Vorschlag der Rechtsparteien mit 77 Jahren vom Volk direkt zum Reichspräsidenten gewählt als Nachfolger von Friedrich Ebert. Er stand der Weimarer Verfassung als Monarchist zwar distanziert gegenüber, hielt sie aber zunächst hoch.

Als Anfang 1930 die Große Koalition unter Kanzler Hermann Müller (SPD) zerbrach, nutzte „SPD-Hasser“ Hindenburg die Gelegenheit und setzte, ohne das Parlament zu konsultieren, eine national-konservative Regierung unter Heinrich Brüning (Zentrum) ein. Im Juni 1930 hob der Reichstag die von der Regierung gemäß Artikel 48 der Reichsverfassung erlassenen Notverordnungen auf. Daraufhin löste Hindenburg ihn auf, es kam zu Neuwahlen. Damit begann eine Phase von Präsidialkabinetten, die auf der Grundlage von Notverordnungen Hindenburgs zustande kamen, aber keine stabile Mehrheit im Reichstag hatten.

Die Weltwirtschaftskrise führte zur Radikalisierung der Wählerschaft, der Stimmanteil der extremen Parteien stieg an, vor allem die NSDAP gewann. Um weitere Parlamentsauflösungen zu verhindern, beschloss die SPD, die Regierung Brüning fortan zu tolerieren, und stimmte gegen weitere Anträge der extremistischen Parteien auf Aufhebung der Notverordnungen. So blieb die Regierung weiter abhängig vom Parlament, der Plan Hindenburgs schlug zunächst fehl, noch stärkeren Einfluss auf die Regierungsbildung zu nehmen.

Hindenburg wurde 1932 für weitere sieben Jahre in seinem Amt bestätigt, alle „demokratischen" Parteien, einschließlich SPD und Zentrum, stellten sich hinter ihn, um die anderen Kandidaten, Hitler und Thälmann (KPD), zu verhindern. Hindenburg geriet immer stärker unter den Einfluss der Kamarilla, einen Kreis von Freunden und Weggefährten der politischen Rechten. Diese drängten ihn, Brüning zu entlassen. Stattdessen sollte der rechts gerichtete von Papen Reichskanzler werden.

Die konservative Rechte erlitt jedoch am 6. November 1932 eine Wahlniederlage. Unmittelbar zuvor hatten sich noch insgesamt 339 Persönlichkeiten, darunter mehrere Dutzend Großindustrielle, für eine Regierung Papen und die rechte Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und damit gegen die NSDAP ausgesprochen. Mitte November gab es aber eine Eingabe von zwanzig Industriellen, mittelständischen Unternehmern, Bankiers und Junkern an Hindenburg, die Hitler zum Reichskanzler ernannt sehen wollten. Zwar fehlten die Unterschriften der mächtigsten Ruhr-Industriellen, sie hatten jedoch ihre Zustimmung signalisiert.

Verfasst hatte die sogenannte Industrielleneingabe von Hjalmar Schacht, maßgeblichen Einfluss hatte dabei der Großindustrielle Fritz Thyssen. Zuvor war Hitler Gast beim Industrieclub gewesen, dem Vorläufer des heutigen BDI. Hitler präsentierte dort sein politisches Konzept. Der Bankier Hjalmar Schacht wurde Mitte März 1933 Präsident der Reichsbank. Im Januar 1939 wurde er wegen seiner Kritik an der Rüstungs- und Finanzpolitik Hitlers seines Postens enthoben.

Anfang Dezember 1932 berief Hindenburg von Schleicher zum Reichskanzler, entzog ihm jedoch schon bald seine Unterstützung. Am 4. Januar 1933 fanden die entscheidenden Verhandlungen zwischen Hitler und Hindenburgs Kamarilla im Hause des Kölner Bankiers Kurt Freiherr von Schröder statt, anwesend waren die Nazigrößen Hitler, Heß, Himmler und Keppler. Man einigte sich prinzipiell auf eine von Hindenburg zu berufende Hitler-Papen-Regierung. Dies wurde am 30. Januar 1933 in die Tat umgesetzt, Hitler wurde Reichskanzler. Außer Hitler gehörten zunächst nur zwei weitere Regierungsmitglieder der NSDAP an.

Bis zu diesem Zeitpunkt bewegte sich das Geschehen mehr oder weniger im Rahmen der geltenden Gesetze. Die Notverordnungen auf der Grundlage der Verfassung deckten die Winkelzüge Hindenburgs im wesentlichen. Aber mit diesen Notverordnungen wurde der Parlamentarismus in Deutschland nach und nach ausgehöhlt und destabilisiert.

Die NSDAP genoss in der aufkommenden Weltwirtschaftskrise eine nicht unerhebliche Unterstützung in der Bevölkerung. Zudem waren konservative Politiker und Parteien an der Übertragung der Macht an Hitler beteiligt, und zwar neben dessen Ernennung zum Reichskanzler durch Hindenburg auch durch Beteiligung an der von Hitler geführten Regierung. Der Antikommunismus war Anfang 1933 das verbindende Glied der NSDAP mit der DNVP und den Parteien der Mitte (Zentrum, DVP, DStP).

War der Regierungsantritt Hitlers nach dem Recht der Weimarer Republik noch legal, so machte Hindenburg nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 mit der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar den Weg zur Diktatur endgültig frei. Dies war die eigentliche Zäsur – sie setzte wesentliche demokratische Grundprinzipien wie die Freiheit der Person, Presse, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, das Brief- und Fernsprechgeheimis sowie das Vereinigungsrecht außer Kraft. Sie galt bis zum Ende der Nazi-Diktatur.

Die Urheberschaft des Reichstagsbrandes wurde nie ganz geklärt – aber es passte so gut in die Agenda von Hitler und seinen Hintermännern, dass es fast ein Zufall wäre, wenn irgendein Einzeltäter den Brand gelegt hätte. Und wenn doch, dann kam er Hitler und Göring mehr als gelegen. Sie bezeichneten den Brand sofort als Beginn eines kommunistischen Aufstands. Hitler sagte am Brandort, die kommunistischen Abgeordneten müssten noch in dieser Nacht aufgehängt werden: „Alles ist festzusetzen, was mit den Kommunisten im Bunde steht. Auch gegen Sozialdemokraten und Reichsbanner gibt es jetzt keine Schonung mehr.“

In der Reichstagswahl vom 5. März 1933 erhielt die NSDAP 44% der Stimmen, ihr Koalitionspartner, die DNVP, kam auf 8%. Damit war eine ausreichende parlamentarische Mehrheit gegeben. Nachdem die hundert Sitze für kommunistische Abgeordnete für ungültig erklärt worden waren, reichte die Mehrheit sogar fast für Verfassungsänderungen aus. Am 24. März stimmte der Reichtag dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ zu, dem 4. Ermächtigungsgesetz. Da die SPD dagegen stimmte, brauchte (und bekam) Hitler für die erforderliche Zweidrittelmehrheit die Stimmen der Zentrumspartei.

Damit wurde der Reichstag ausgeschaltet und die Verfassung de facto außer Kraft gesetzt. Hitler hatte in der Begründung für diesen Schritt gesagt: „Es würde dem Sinn der nationalen Erhebung widersprechen und dem beabsichtigten Zweck nicht genügen, wollte die Regierung sich für ihre Maßnahmen von Fall zu Fall die Genehmigung des Reichstags erhandeln und erbitten.“ Und so begann der Horror, der zum Zweiten Weltkrieg führte und 55 Millionen Tote auf dem Schlachtfeld, in Konzentrationslagern und im Bombenhagel in den Städten zurückließ.

Als Splitterpartei war die NSDAP für die Industrie bis zum überraschenden Wahlerfolg von 1930 weitgehend uninteressant. Erst danach wurden die Beziehungen zwischen Partei und Industrie enger. Einzelne Industrielle wie Thyssen und Kirdorf machten aus ihrer Unterstützung für die NSDAP keinen Hehl, so spendete allein Thyssen von 1930 bis 1933 etwa 400.000 Reichsmark.

Der ehemalige Reichskanzler Brüning schrieb 1937 aus dem Exil in den USA in einem Brief an Churchill, Hitlers Aufstieg begann 1929, als die deutschen Großindustriellen und andere Geldspenden an andere Parteien einstellten und sie Hitlers Organisation zufließen ließen. Die Reichskanzlei kam in einer Untersuchung zu der Ansicht, dass von April 1931 bis April 1932 von inländischen Unternehmern fünf Millionen, von ausländischen Industriellen hingegen 40 bis 45 Mio. Reichsmark an die NSDAP gezahlt wurden. Als Spender nannte die Untersuchung neben Thyssen den jüdischen Warenhausbesitzer Oscar Tietz, den französischen Interessenverband der Schwerindustrie Comité des Forges, den griechischen Waffenhändler Basil Zaharoff, den britischen Rüstungskonzern Vickers, den niederländischen Ölindustriellen Henri Deterding und den Schweden Ivar Kreuger, zentrale Figur im europäischen Zündwarenmonopol. Es gibt auch Berichte, nach denen reiche US-Unternehmer-Familien Hitler unterstützt haben. Einigen Quellen zufolge unterstützten deutsche Industrielle in der Endphase der Weimarer Republik besonders von Papen und die DNVP, Koalitionspartei der NSDAP.

Der Historiker Karsten Heinz Schönbach widerspricht in seiner 2015 veröffentlichten Dissertation der Auffassung, die Unterstützung der NSDAP durch die Großindustrie sei vor 1933 marginal gewesen. Demnach ist die NSDAP schon von 1927/28 an von Großindustriellen unterstützt worden. Eine vorwiegend NS-freundliche Haltung der Großindustrie gab es nach der Wahlniederlage der konservativen Rechten im November 1932. Nach der Machtergreifung im Januar 1933 stand dann schließlich eine deutliche Mehrheit unter den deutschen Großindustriellen hinter einer Hitlerlösung, so Schönbach.

Am 20. Februar 1933 trafen sich Hitler und Göring in Berlin mit der Spitze des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, dem Vorsitzenden Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und etwa 20 Industriellen. Hitler deutete für den Fall einer Wahlniederlage Anfang März Putschpläne an, daraufhin flossen Wahlkampfspenden in Millionenhöhe.

Die Industrie, bzw. das Kapital, war ingesamt vielleicht nicht Urheber der Regierung Hitler, hat aber durch Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und Neigung zu einem autoritären System die Auflösung der Weimarer Republik vorangetrieben und so der Diktatur den Weg bereitet. Daher trägt die Industrie im allgemeinen und die Großindustrie im besonderen ein hohes Maß an Mitverantwortung für die Ermöglichung der NS-Herrschaft. Die Motivation zur Unterstützung der Nazi-Verbrecher wird in Notizen Krupps über Treffen mit Nazi-Größen deutlich: „Ruhe in der inneren Politik: keine weiteren Wahlen … Ermöglichung der Kapitalbildung … Dementsprechend Entlastung von Steuern und öffentlichen Lasten.“ (Aus „Wer regiert das Geld?: Banken, Demokratie und Täuschung", Paul Schreyer, 2016, Westend Verlag)

Was sind die Lehren?

  • Sei es durch Notverordnungen, Notstandgesetze, durch angeblich im Kampf gegen den Terror angesagte Beschränkungen, sei es durch übermäßige Ausweitung staatlicher Kontrolle – jede Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten bietet ein Einfallstor für Kräfte aller Art, die demokratischen Grundlagen der Gesellschaft auszuhebeln.
  • Je stärker die Freiheiten bereits ausgehöhlt sind, je eher kann es zu diktatorischen Herrschaftsformen kommen. Ob und wie dies geschieht, hängt ab von den jeweils politisch einflussreichen handelnden Personen. Das ist bis zu einem gewissen Grad Zufall. Es kann auch auf legalem Wege geschehen.
  • Wirtschaftlich unsichere Zeiten legen vor allem in denjenigen sozialen Schichten eine Basis für „neue“, extreme, antidemokratische Strömungen, die sich besonders von Abstieg bedroht fühlen.
  • Solche Strömungen gewinnen umso mehr an Bedeutung und Einfluss, je mehr andere „ältere“ politische Richtungen im Kampf um ihre „angestammten“ Pfründe inhaltliche Aussagen in kurzfristiger Taktiererei untergehen lassen.
  • Kapital-Interessen folgen ausschliesslich der Leitlinie, kalkulierbare, hinsichtlich Renditeaussichten günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. Demokratische Prinzipien werden diesem Aspekt untergeordnet.
  • Soziale Entwicklungen jeglicher Art neigen dazu, sich ab einem bestimmten Punkt zu überschlagen. Das Ende der Weimarer Zeit war in drei Jahren besiegelt. Umso wichtiger ist: Wehret den Anfängen!

[Unter Verwendung von Material von Wikipedia und anderen Quellen]

Ergänzung:
Die bekannte Photomontage von John Heartfield in der „Arbeiter Illustrierte Zeitung" von 1932 "Der Sinn des Hitlergrusses – Millionen stehen hinter mir" hier.
Am Ende dieses Links findet sich auch die Montage von Heartfield aus "Die VOLKS-ILLUSTRIERTE" (Jahrgang 1937) mit dem Titel „Der friedfertige Raubfisch" und dem Text "Der friedfertige Raubfisch – ich verabscheue die kollektive Sicherheit. Ich lade die kleinen Fische einzeln ein, zweiseitige Verträge mit mir abzuschließen."

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