EZB: Und noch einen Persilschein

Nach einem jahrelangen Streit hat das deutsche Bundesverfassungsgericht heute das OMT-Programm mit Auflagen gebilligt. Im September 2012 hatte sich die EZB mit diesem Programm (OMT=Outright Monetary Transactions) ermächtigt, Anleihen eines überschuldeten Eurozonen-Landes zu kaufen, um seine Zinslast zu senken und es so zahlungsfähig zu halten. Dieser Beschluss ist bisher noch nicht angewandt worden.

Dem Programm war im Juli 2012 eine Erklärung von EZB-Draghi vor Investmentbankern in London vorausgegangen, die EZB werde alles ihrem Mandat Entsprechende tun, um den Bestand des Euro zu sichern. „Whatever it takes …“ wurde zum geflügelten Wort und zur Garantieerklärung für Bond-Spekulanten.

Vor dem heutigen Urteil des BVG hatten die deutschen Verfassungsrichter den EuGH angerufen. Zuvor hatten sie die Rechtswidrigkeit des OMT-Programms festgestellt, der Kauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt durch die EZB wurde als Umgehung des Verbots der monetären Staatsfinanzierung eingeschätzt. Mit seiner heutigen Entscheidung dreht sich das BVG um 180 Grad und schliesst sich in wesentlichen Punkten dem EuGH-Urteil von 2015 an. Dieses enhalte ausreichende Sicherungen, die verhindern, dass die Bondskäufe gegen geltendes EU-Recht verstossen, heißt es in einer Stellungnahme des BVG.

Das Gericht hat einige dehnbare Bedingungen eingeführt, bei deren Einhaltung sich die Deutsche Bundesbank an dem OMT-Programm beteiligen darf. Zum Beispiel dürfen etwaige Staatsanleihekäufe nicht vorab angekündigt werden. Die jeweiligen Volumen müssen im Voraus begrenzt sein. Zudem dürfen Schuldtitel nur so lange gehalten werden, wie es zur Stabilisierung des betreffenden Krisenstaates unbedingt erforderlich ist. Der Richterspruch verpflichtet die deutsche Bundesregierung und den Bundestag, die Umsetzung des Programms dauerhaft zu überwachen und gegen Verstösse vorzugehen. Insbesondere muss darauf geachtet werden, ob einmal gekaufte Anleihen zu einem Risiko für den Bundeshaushalt werden. Bei Einhaltung dieser Bedingungen verstösst die EZB nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung, sagte Gerichtspräsident Vosskuhle.

Er sagte außerdem, man habe zwar weiterhin Bedenken hinsichtlich des OMT-Programms, sehe sich aber an die Luxemburger Rechtsprechung gebunden. Die europäische Rechtsgemeinschaft gehe aus dem Verfahren gestärkt hervor, heißt es, auch wenn der EuGH und das Bundesverfassungsgericht sich nicht in allen Punkten einig seien. Nun sei aber klargestellt, dass die EZB der gerichtlichen Kontrolle unterliege, wie jede andere europäische Institution auch, so Vosskuhle.

Gegen das OMT-Programm hatten u.a. die Linkspartei im Bundestag, der CSU-Politiker Peter Gauweiler und das Bündnis "Mehr Demokratie" mit der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) geklagt, weil es sich um eine unzulässige Wirtschaftspolitik der EZB handelt.

Damit ist das BVG aus meiner Sicht vor dem EuGH eingeknickt. Womöglich mochte man sich auch nicht verantwortlich fühlen für etwaige Turbulenzen an den angesichts des Brexit-Themas sowieso schon nervösen Finanzmärkten. Die EZB hat damit einen weiteren Persilschein für ihr Tun bekommen, das unter verschiedenen Aspekten gegen die Europäischen Verträge verstösst.

Nun kann man sich auch schon das Urteil zu derweilen noch anhängigen Verfassungsklagen gegen die gegenwärtigen Anleihekäufe der EZB ausmalen. Vorgeblich zur Ankurbelung der Konjunktur kauft die Notenbank seit März 2015 in großem Stil Staats- und seit kurzem auch Unternehmensanleihen.

Vielleicht sollte die EZB künftig mit ihren Persilscheinen handeln. Das hat vermutlich denselben Effekt hinsichtlich Konjunktur wie ihre gesammelten QE-Programme, ist aber finanz- und geldpolitisch unbedenklich – und verstösst vermutlich auch nicht gegen die Europäischen Verträge.

Ergänzung:
Einen zutreffenden Kommentar gibt es in der FAZ – "Die Haftungsgemeinschaft"

Nachtrag:
(22.6.16) Ein lesenswerter Kommentar auch in der Börsenzeitung: "KOMMENTAR – OMT-URTEIL: Karlsruher Kapitulation"

(23.6.16) Pünktlich nach dem Urteilsspruch des BVG hat die EZB mitgeteilt, dass sie griechische Staatsanleihen wieder als Sicherheit akzeptieren will. Ab dem 29. Juni soll eine entsprechende Sonderregelung in Kraft treten. Die Entscheidung wird begründet mit der Verpflichtung Griechenlands auf das Programm des ESM. Die EZB geht davon aus, dass die Auflagen erfüllt werden.
Die EZB dürfte eigentlich keine griechischen Anleihen akzeptieren, weil sie von allen Ratingagenturen weiterhin als "Ramsch" bewertet werden. Für die griechischen Banken öffnet die Annahme griechischer Staatsanleihen durch die EZB jedoch die Tür für günstiges Zentralbankgeld. Bisher werden griechische Geldhäuser durch spezielle und teurere ELA-Notkredite über Wasser gehalten.

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