S&P 500 – wie sieht es aus?

Der S&P 500 gilt als der Leitindex für die globalen Aktienmärkte. Seine Entwicklung lässt sich nicht eins zu eins auf andere große Aktienindices übertragen, aber er gibt dennoch den Takt vor, dem die anderen mehr oder weniger zeitnah folgen. Wie seit der Jahreswende regelmäßig zum Monatsende, zuletzt hier, wird der Index im folgenden technisch analysiert.

Die fraktale Sicht auf den Index ergibt folgendes Bild: Die obere rote Linie („Linearity“) zeigt, wie weit der Herdentrieb, bzw. die chaotische Phase des “Kurssystems” S&P 500, fortgeschritten ist. In chaotischen Phasen können schon kleine Ereignisse zu starken Kursausschlägen führen, die Empfänglichkeit für externe Schocks ist dann besonders hoch. Das Linearitätsmaß hatte im Dezember 2014 einen Rekordwert von 96% erreicht, Ende Juni lag es bei 94%, Ende Juli kam es noch auf 91%. Mit einer unmittelbar bevorstehenden massiven Korrektur, bzw. einen beginnenden Bären-Markt ist erfahrungsgemäß erst zu rechnen, wenn das Niveau von 90% unterschritten wird. Insofern fehlte Ende Juli nicht mehr viel, insbesondere wenn man die sinkende Tendenz seit Jahresanfang einbezieht. Per Ende August ist das Linearitätsmaß auf 83% zurückgefallen, damit ist die Indikation zumindest einer scharfen Korrekturphase gegeben. Per Ende September steht es nun bei 77%. Das ist eine ähnlich dynamische Entwicklung wie nach dem Allzeithoch im Oktober 2007.

Der Chart stellt noch einige andere Indikatoren dar. Die statistische Verteilung der Dynamik im Kursverlauf (gelbe Linie im oberen Chart-Bereich) zeigt ein wieder neutralisiertes bärisches Signal (Ausschlag nach unten). Von der Auswertung von Zuordnung und Richtung verschiedener gleitender Durchschnitte (hellgrüne Linie im oberen Chart-Bereich) kommt per Ende September ein Warnsignal, die Auswertung ist in den neutralen Zustand zurückgefallen.

Vergleichen Sie das Verhalten der beiden Indikatoren in den Topp-Phasen 2000 und 2007 im Chart: Die statistische Verteilung der Kursdynamik läuft einige Monate vor. So ging das hieraus abgeleitete Signal z.B. bereits im Juni 2007 in den bärischen Zustand, während das Linearitätssignal erst per Ende November 2007 unter 90% fiel. Das aus Zuordnung und Richtung verschiedener gleitender Durchschnitte abgeleitete Signal läuft nach, es ist als Bestätigung der beiden anderen Signale anzusehen. Es schaltete z.B. erst Ende Januar 2008 vom bullischen in den neutralen und einen Monat später in den bärischen Zustand.

Die lineare Regression über den langfristigen Kursverlauf (grüne, gestrichelte Linie im Chart) steht aktuell bei knapp 1550. Zeitnäher und damit kurzfristig relevanter ist eine bis Oktober 2007 (damaliges ATH im S&P 500) zurück reichende lineare Regression. Sie notiert aktuell bei gut 1950 (siehe folgender Chart!), der Kurs liegt per EoD vom 2.10.15 nahe daran. Sie kann als das Farrellsche Gummiband aufgefasst werden, um das herum der Kurs im langfristigen Bild nach der Devise „himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ oszilliert.

In diesem Chart wird auch deutlich, dass der Aktienindex zwar seinen steileren Aufwärtskanal aus Ende 2011 nach unten verlassen hat, der Kurs bewegt sich aber im übergeordneten Aufwärtskanal aus 2009 (Untergrenze aktuell rund 1780).

Der nächste Chart zeigt relevante Retracements der Abwärtsbewegung von der Zone der Allzeithochs bei gut 2130 bis herunter zu knapp 1870. Zusätzlich eingezeichnet ist die seit Ende August etablierte Handelsspanne zwischen 1910 und knapp 1990. Der Index bewegt sich nach einer erneuten Annäherung an das Reaktionstief vom 24./25. August bei 1867 nun wieder innerhalb dieses Rechtecks. Dessen untere Grenze, mehrfach "durchlöchert", verliert allmählich an Relevanz. Das Niveau des Reaktionstiefs etabliert sich als relevanter Support-Pegel, es wurde Mitte Oktober 2014 ebenfalls erreicht (und kurz unterschritten).

Der folgende Chart wertet börsentäglich den Verlauf der auf steigende und fallende Aktien entfallenden Volumenanteile aus. Ein im Zeitverlauf sinkender Volumenanteil auf steigende Aktien gilt als Signal für eine Distributionsphase. Akkumulation herrscht vor, wenn der Volumenanteil steigender Aktien zunimmt, was per se bullisch zu werten ist. Nach seit Ende April bis in den Juli hinein vorherrschender Distribution kam es bis zum 3. August zum wiederholtem Umschlag in Akkumulation. Er war jeweils nicht von Dauer und seit Anfang August herrschte wieder Distribution vor.

Seit Anfang September ist eine instabile Akkumulationsphase festzustellen, mit teilweise geringer Dynamik (Verlauf der türkisen Linie!). Zuletzt wackelte die Volumenverteilung wieder zwischen beiden Phasen hin und her. Der gestrige (2.10.15) Handelverlauf zeigte ein überzeugenderes Akkumulationsverhalten, aber "eine Schwalbe macht noch keinen Sommer". Das Durchschnittsvolumen (gelbe Linie im unteren Chartteil) steigt an, was häufig mit Distributionsphasen zusammenläuft. Auch das spricht nicht für ein solide bullisches Bild, im Verlauf einer Akkumulationsphase würde das Durchschnittsvolumen normalerweise eher austrocknen.

Der S&P 500 befindet sich in einer kritischen Phase. Wenn es dem Index nicht zügig gelingt, nach Überwinden des 62er Retracements bei 1970 die Rechteckobergrenze bei knapp 1990 nachhaltig zu durchbrechen, dürfte ein erneuter Test des Reaktionstiefs bei 1870 anstehen. Der Support hier erscheint zwar stabil, aber es ist mittlerweile so viel technisches Porzellan zerschlagen worden, dass ein Test der Untergrenze des langfristigen Aufwärtskanals aus 2009 ins Kalkül gezogen werden sollte. Dies dürfte der eigentliche Prüfstein für den siebenjährigen Bull-Run werden. Neben der schwachen „Technik“ des S&P 500 mehren sich die ungünstigen Signale aus dem Bond- und Zinssegment – keine guten Rahmenbedingungen.
Auf der anderen Seite ist angesichts der in diesem ungewöhnlich langen Bull-Run bei den großen Playern aufgehäuften Menge an Aktien die Notwendigkeit groß, die Aktienkurse nochmals “hochzuleiern”, um sich mit möglichst hohen Gewinnen zu verabschieden, bevor die Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft, mehr noch die Unfähigkeit der Zentralbanken, das per Geldflut zu ändern, nicht länger übersehen werden kann.
Beide Aspekte zusammen genommen sprechen für anhaltend hohe Volatilität und "erratische" Kurse.

Anmerkung:
Der Artikel wurde auf den Handelsschluss vom 2. Oktober 2015 aktualisiert.

Ergänzung:
(4.10.15) In der nächsten Woche startet die Saison der Quartalsberichte. Die Unternehmensgewinne werden für das dritte Quartal mit –4,2% im Jahresvergleich sinkend erwartet. Das wäre ein sechs-Jahres-Tief. Wenn die wirtschaftliche Lage schon ausgeprägt schlecht wäre, könnte man erwarten, dass eine Anzahl von Akteuren auf eine künftige Verbesserung der Gewinnentwicklung wettet. Da dies aber nicht so ist, sondern eine Wachstumsverlangsamung erst begonnen hat, fehlt es da etwas an Phantasie, selbst wenn die Schrumpfung der Gewinne am Ende geringer ausfallen sollte als jetzt erwartet. Außerdem kann die Bewertung von Aktien keineswegs als günstig gelten, zumal sie mit allerlei Tricks wie Aktienrückkäufen, häufig auch noch auf Pump, frisiert worden ist.

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