EZB vor weiteren Lockerungen

Erwartungsgemäß hat die EZB die Leitzinsen auf ihrer gestrigen Sitzung nicht verändert. EZB-Chef Draghi hob hervor, die Krise sei alles andere als vorbei, die wirtschaftliche Erholung sei schwach und bleibe es noch eine zeitlang.

Gleichzeitig betonte er, die Geldpolitik werde in hohem Maße weiter konjunkturstimulierend sein und fügte hinzu: "Wir bleiben entschlossen, bei Bedarf weitere entscheidende Maßnahmen zu ergreifen…und wir sind bereit, alle erlaubten und verfügbaren Instrumente in Betracht zu ziehen."

Reuters bezeichnete die Wortwahl von Draghi als überraschend markig, aber diese Äußerungen sind weder neu noch unerwartet.

Neu ist hingegen, dass Draghi den Rahmen für weitere geldpolitische Maßnahmen recht genau abgesteckt hat. Sollte sich der mittelfristige Inflationsausblick weiter eintrüben, werde die EZB ebenso einschreiten wie im Falle, dass sich die Bedingungen auf dem Geldmarkt weiter anspannen. Die beiden Situationen erforderten unterschiedliche Aktivitäten.

Im Dezember war die europäische Kern-Inflation auf 0,7% im Jahresvergleich abgerutscht. Draghi sieht darin keinen Beleg für eine weiter fortschreitende Deflationsgefahr, weil dies auf eine Änderung in der deutschen Statistik zurückzuführen sei. Dieser Effekt werde mit den Januar-Daten verschwinden, sagte er, fügte aber hinzu: "Wir dürften eine längere Phase niedriger Inflation vor uns haben.“ (Der Chart zeigt den HVPI der Eurozone)

Zum Geldmarkt-Thema führte Draghi aus, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen Überschussliquidität und Eonia-Übernacht-Zinsen gibt. Der Fall der Überschussliquidität, der sich das gesamte Jahr 2013 fortsetzte, bevor es zu Jahresbeginn zu einem deutlichen Anstieg kam, sei daher auch kein automatischer Trigger für weitere Liquiditätsspritzen der EZB. Die Euribor-Zinssätze waren zuletzt deutlich angestiegen und liegen weiterhin klar über dem Durchschnitt der zurückliegenden 12 Monate. Draghi verwies auch auf den Spread bei Anleihen aus dem Finanz- und nicht-Finanz-Sektor, der nun nahezu Null ist. Darin sieht er einen Beleg für die Normalisierung der Finanzmärkte.

Die Frage bleibt dennoch, warum die Interbanken-Zinsen zuletzt deutlich angestiegen sind und auch die Überschussliquidität zunimmt. Abgesehen von Jahreswechseleffekten dürfte sich hier auch der anstehende AQR der EZB niederschlagen.

W. Münchau, Eurointelligence, sieht die EZB-Politik als inkonsequent an. Die Bank hat ein Inflationsziel, es lautet, dass Geldwertstabilität bei jährlichen Preissteigerungen nahe unter 2% gegeben ist. Der wirkliche Skandal der EZB-Politik liege darin, dass sie ihr Ziel verfehlt und sich auch damit abzugeben scheint. Es würde keine langandauernde Deflation gebraucht, um die Wirtschaft zu ruinieren, eine längere disinflationäre Phase täte es auch. Er glaubt, dass die Mehrheit im EZB-Rat den gegenwärtigen Kurs als nicht konsistent zum Geldwert-Ziel sieht. Daher erwartet Münchau recht bald zusätzlich zu einem neuen LTRO weitere geldpolitische Lockerungen.

Mit dieser Erwartung dürfte Münchau nicht alleine stehen. Die gestrige Sitzung der EZB und die anschließende Pressekonferenz dürfte die Basis für weitere geldpolitischen Lockerungen gelegt haben. Sie hat vergleichsweise klare Hinweise gegeben, unter welchen Umständen mit entsprechenden Schritten zu rechnen ist: "Forward guidance" der besonderen Art.

Der Euro wurde im Zuge der gestrigen Pressekonferenz schon kurz gedeckelt, erholte sich dann aber von seinen Tagesverlusten. Angesichts der Perspektiven europäischer Geldpolitik und der hierzu gegenläufigen Reduktion der QE-Maßnahmen der Fed dürfte die Gemeinschaftswährung auch unter Druck bleiben. Sie befindet sich gegen Dollar bereits in Sichtweite einer langen Aufwärtslinie aus 2001, die mit einem Supportpegel bei 1,3450 zusammentrifft (Chart von Incrediblecharts). Gleichzeitig hat sich das Währungspaar recht weit in die Spitze einer großen Dreiecksformation vorgearbeitet – Hinweis auf eine übergeordnete Entscheidungssituation.

Kommissionspräsident Barroso widerspricht seinem Chef – er hat jüngst in Athen die Eurokrise für beendet erklärt (genau wie schon Anfang 2013). Die europäische Politik habe funktioniert, dafür sei auch Irlands Ausstieg aus den Rettungsmaßnahmen ein Beleg. Hierzu merkt Ambrose Evans-Pritchard vom Daily Telegraph zu Recht an, dass von Irland gerade nicht auf die südlichen Krisenländer geschlossen werden kann. Die irische Wirtschaft sei wettbewerbsstark, sie sei offen über die Eurozone hinaus, ihr Leistungsbilanzplus liegt nahe 4% vom BIP. In Italien oder Portugal lägen die Dinge völlig anders.

Und weil die Eurokrise nun endgültig vorbei ist, verzinsen sich neu ausgegebene fünfjährige spanische Staatsanleihen mit 2,4%, dem niedrigsten jemals erreichten Wert. Allerdings bleibt der Risiko-Aufschlag bei 180 Basispunkten, womit die niedrige Rendite auf die sinkenden deutschen Zinsen zurückgeht.

Und weil die Eurokrise nun endgültig vorbei ist, ist die Arbeitslosigkeit in Griechenland im Oktober auf ein neues Hoch bei 27,8% gestiegen und die griechische Industrieproduktion im November um 6,1% gesunken.

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