Wie wird 2014? Hans-Werner Sinn

Prof. Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, hat im Interview mit der schweizerischen „Finanz und Wirtschaft“ seinen Ausblick auf 2014ff gegeben.

Für ihn bedeutet die im Vertrag der großen Koalition vorgesehene Einführung eines Mindestlohns einen Paradigmenwechsel in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Der Staat mischt sich in die Lohnbildung ein, die Aufgabe der Tarifpartner ist. Der Mindestlohn wird die Agenda 2010 rückgängig machen, Deutschland wird wieder der «kranke Mann Europas» aus der Zeit vor der Kanzlerschaft Schröders.

Mit der Agenda 2010 wurden seinerzeit mehr als 2 Millionen Arbeitsplätze neu geschaffen, die gesamte Lohnskala kam ins Rutschen und hat die Preise gedrückt. Das hat die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in der Eurozone gestärkt. Die Arbeitslosigkeit ging zurück, nachdem sie zuvor 35 Jahre lang gestiegen war.

Ein Mindestlohn wird vor allem in den neuen Bundesländern Arbeitsplätze für schlecht Qualifizierte vernichten. Letztlich wird sich das allgemeine Lohnniveau nach oben verschieben, so wie sie sich mit der Agenda 2010 nach unten verschoben hatte. Dadurch steigen unweigerlich auch die Preise. Das kostet Deutschland längerfristig seine mühsam errungene Wettbewerbsfähigkeit.

Die reale Aufwertung in Deutschland im Kontext der Eurozone wird so durch Kosten getrieben, nicht durch steigende Nachfrage. Der Mindestlohn führt zur Stagflation, wie wir sie in 1970er Jahren hatten. Eine Stagnation hilft den europäischen Partnern aber nicht, weil ein solches Deutschland keine Güter bei den Partnerländern kauft.

Zum Thema Euro werden im Koalitionsvertrag keinerlei Perspektiven entwickelt. In Südeuropa haben wir kaum noch beherrschbare Massenarbeitslosigkeit, Griechenland, Spanien und andere Länder sind seit langem in einer grossen Krise. Italien und Frankreich drohen, wirtschaftlich abzurutschen. Deren zunehmend sinkende Wettbewerbsfähigkeit kann mangels Masse nicht durch Geld ausgeglichen werden, wie es bei den kleineren Ländern versucht wird.

Der Euro müsste als „atmende Währung“ aufgestellt werden. Länder müssen in die Währungsunion ein- und wieder austreten können. Sie müssen auch ausgeschlossen werden können, wenn sie für die Union wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit zu einem Problem werden.

Der ifo-Konjunkturindex hat sich nach einer Schwächephase wieder kräftig erholt. Der deutschen Wirtschaft geht es gut, wir erwarten in 2014 eine Zunahme des BIP um 1,5 bis 2%. Exporte und Binnenwirtschaft werden den Aufschwung tragen, Bauinvestitionen werden ein wichtiger Konjunkturtreiber bleiben. Der Trend zu Betongold wird anhalten. Zudem investieren die Unternehmen wieder. Auch der private Konsum dürfte weiterhin zur Konjunkturbelebung beitragen.

Es werden nicht mehr nur Ersatzinvestitionen vorgenommen, zunehmend gibt es auch Erweiterungsinvestitionen. Das stabilisiert die Binnennachfrage und erhöht mittelfristig die Produktionskapazitäten. Es zeigt auch das Vertrauen der Unternehmen in einen Aufschwung.

Der private Verbrauch wird zunächst lebhaft bleiben. Dazu trägt zunächst auch die Erwartung des Mindestlohns bei. Längerfristig dürfte der Mindestlohn allerdings den Konsum drücken, weil das Lohn- und Gehaltsaufkommen wegen der auf den Mindestlohn folgenden Jobverluste zurückgehen wird.

Der gegenwärtige Euro-Kurs von um 1,35 gegen Dollar ist keine Gefahr für deutsche Exporte, er ist eher zu niedrig. Viel zu teuer ist der Euro natürlich für Länder wie Griechenland. Die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse von 7% des BIP bergen die Gefahr, dass über den Export Vermögen im Ausland akkumuliert wird. Das bestand in den zurückliegenden Jahren überwiegend aus Ansprüchen der Bundesbank gegen die EZB, des deutschen Staates gegen die Krisenländer oder der deutschen Anleger gegen die Rettungsfonds. Die deutschen Exportüberschüsse sind zum erheblichen Teil über Druckerpressen in den südlichen Ländern bezahlt worden. Anders hätten die Krisenländer ihre Importe nicht bezahlen können.

Die EU will mehr deutsche Rettungskredite und zugleich weniger deutsche Exporte sehen. Beides zusammen geht nicht. In eigenen deutschen Interesse muss der Leistungsbilanz-Überschuss mit den europäischen Krisenländern abgebaut werden, und zwar dadurch, dass wir weniger Rettungskredite vergeben und das Geld stattdessen im Inland investieren. Die dadurch anziehende Binnenkonjunktur würde Deutschland mehr importieren lassen, der Leistungsbilanzüberschuss würde sinken, Deutschland würde weniger Kredite an das Ausland vergeben.

Für 2014 erwarten ist für die Eurozone ein minimales Wachstum von rund 0,5% zu erwarten. Belastungen kommen aus Italien, auch aus Frankreich.

Die EZB ist fälschlicherweise bemüht, die südlichen Länder mit fiskalischen Massnahmen zu beleben. Auch der jüngste Zinsschnitt der EZB ist falsch. Die Banken Südeuropas, die sich in großem Umfang bei der EZB verschuldet haben, werden mit Zinsgeschenken aufgepäppelt. Diese Niedrigzinspolitik lässt die Sparer inflationsbedingt Verluste erleiden, die Banken erzielen keine ausreichende Erträge im Kreditgeschäft, die Lebensversicherungen haben Mühe, die Zusagen gegenüber den Versicherten einzuhalten.

Sinn widerspricht der Forderung, die EZB solle Staatsanleihen kaufen und damit dem Beispiel der Fed folgen. Die kauft keine Anleihen von Bundesstaaten, schon gar nicht von denen, die fast bankrott sind. Solange es keine gemeinsame Budgetverantwortung und als Grundlage hierzu keine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik gibt, darf es keine Haftungsgemeinschaft geben. Die darf auch nicht von der EZB durch die Hintertür eingeführt werden. Mit diesem Sachverhalt beschäftigt sich derzeit das deutsche Bundesverfassungsgericht.

In den Krisenländern wird Deflation gebraucht. Der Euro hat ihnen eine Inflationsblase gebracht, die muss dadurch korrigiert werden, dass ihre Preise sinken und sie wieder wettbewerbsfähig werden. Deflation ist bitter, aber in einem Währungsraum die einzige, die in einer solchen Situation wirkt. Die Problemländer müssten um 20 bis 30% billiger werden. Gleichzeitig muss eine Deflation in der Eurozone insgesamt verhindert werden, daher müssen die übrigen Euroländer entsprechend inflationieren.

Sparer legen ihr Geld zunehmend in Immobilien an. Die Immobilienpreise steigen, die Gefahr einer Immobilienblase besteht jedoch noch nicht. Die Preissteigerungen sind vergleichsweise gering. Und erfahrungsgemäss dauert es anderthalb Jahrzehnte, bis eine solche Blase platzt. Der erst drei Jahre alte deutsche Boom ist viel schwächer als es der in Südeuropa war.

Am Aktienmarkt sind erhebliche Preissteigerungen zu verzeichnen. Aktien sind aber weiterhin die bessere Geldanlage, solange der Euro besteht und die Regierungen der Südländer mit ihrer klaren Mehrheit im EZB-Rat dafür sorgen, dass der Zins niedrig bleibt. Ein Aktionär sollte aber auch immer zur Wallstreet schauen – sie ist die Leitbörse, sagt Sinn zum Schluss des Interviews.

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