Eurozone – Krise beendet?

Die im Dezember beschlossenen Einzelheiten zur Bankenunion haben auch die letzte Möglichkeit, die Folgen der Eurokrise zu vergemeinschaften, praktisch versperrt. Die Rekapitalisierung von maroden Banken in der Eurozone bleibt Ländersache – erst wenn ein Land überfordert ist und Hilfe aus dem ESM beansprucht, treten die anderen Mitgliedsländer ein.

Damit hat sich die deutsche Seite auf der ganzen Linie durchgesetzt. Anpassungen zwischen den Mitgliedsländern der Eurozone finden weiterhin hauptsächlich durch interne Abwertung in den Krisenländern statt, überbordende Schulden müssen vom Schuldner selbst bezahlt werden – es gibt keinen gemeinsamen Schuldentopf, keine Ausgleichszahlungen, keine Euro-Bonds, keinen Schuldenerlass. Der Weg über die Weg-Inflationierung ist ebenfalls verbaut, disinflationäre Tendenzen in der Eurozone insgesamt vergrößern die Schuldenlast real eher.

Die letzte Rettung für Länder in akuter Not ist der ESM und das OMT-Programm der EZB. Dieses ist jedoch daran gekoppelt, dass Hilfen aus dem ESM beansprucht werden.

Da nun auf der politischen Bühne alle Weichen gestellt sind, geht es darum, zu sehen, wohin der Zug fährt – wenn er fährt und nicht aus den Gleisen springt. Jetzt kommt der Realitätscheck.

Zum im Frühjahr 2012 beschlossenen Fiskalpakt, der gedanklichen Basis der nun vollständig festgezurrten politischen Linie, kommentierte seinerzeit Daniel Gros, Direktor der Brüsseler “Centre for European Policy Studies” zutreffend, dass er nur festschreibt, was schon zehnmal vereinbart wurde. Er ist vom Prizip her eine Wiederholung dessen, was auch schon im Stabilitätspakt steht. Der hat nichts bewirkt (und wurde nicht beachtet), warum soll das nun, viele EU-Gipfeltreffen später, anders sein?

Trotzdem gilt zunächst: Die Krisenländer sind verpflichtet, ihre Schuldenquote innerhalb der nächsten zwei Dekaden Richtung 60% zurückzuführen. Das setzt voraus, dass entweder das BIP (im Nenner des Bruchs) konsistent steigt oder der Zähler kleiner wird, wozu ein Primärüberschuss, also ein staatlicher Budget-Überschuss vor Schuldzinsen nötig ist.

Das ifw Kiel hat untersucht, welche Primärüberschussquoten benötigt werden, um einen Anstieg der Staatsschulden zu verhindern – siehe folgende Tabelle (Auswahl).

Es hat zudem ermittelt, dass oberhalb von 5% des BIP spätestens eine kritische Schwelle erreicht ist. Liegt der benötigte Primärüberschuss über einen längeren Zeitraum hinweg höher, dürfte eine Sanierung der Staatsfinanzen ohne Hilfe von außen kaum noch möglich sein. In einer langfristigen historischen Betrachtung hat sich zudem ergeben, dass dass es nur zwei OECD-Ländern gelungen ist, über einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als vier Jahren Primärüberschussquoten von 5% oder mehr zu erzielen. Es waren Kanada und Belgien jeweils zwischen 1996 und 2002.

Aktuell spricht nicht viel dafür, dass in 2014 selbst das als pessimistisch bezeichnete Wachstumsszenario von 2% erreicht wird. Da je nach Land die Zusammenhänge unterschiedlich nicht-linear sind, kämen bei einem realistischeren Wachstum von 1% eine Reihe von Ländern aus der Tabelle zusätzlich in kritische Bereiche. Aber selbst bei Dekaden andauerndem schönen (Wirtschafts-)Wetter ist die beschlossene Linie Wunschdenken – eine hierzu nötige lange Serie von Primärüberschüssen hat es wohl noch nie gegeben.

Daraus folgt: Der Zug der Eurozone ist zwar mit geringer Geschwindigkeit in die beschlossene Richtung los gefahren, aber er wird aller Voraussicht nach nicht weit kommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Diskussion über Sparziele und nachfolgend über Vergemeinschaftung von Schulden alsbald wieder aufflammt. Griechenland könnte hier als Katalysator dienen – an einem Schuldenschnitt, der diesmal die öffentlichen Kreditoren betrifft, wird kein Weg vorbeiführen. Die griechische Regierung wankt schon…

Und das Schwergewicht Italien, in der Spalte mit 2% jährlichem Wachstum der obigen Tabelle schon auf Rang vier (nach Griechenland, Portgugal und Zypern), stellt den nächsten Krisenherd dar. Um sich den deutschen netto-Arbeitskosten zumindest anzunähern, wäre es am effektivsten, die Lohnsteuern zu senken. Dazu besteht jedoch kein ausreichender fiskalischer Spielraum. Das Land sitzt in der Schuldenfalle.

Weitere Unsicherheitsfaktoren für die erste Jahreshälfte 2014 sind die im Frühjahr anstehende Entscheidung der BVG zum OMT-Programm der EZB, die Wahlen zum europäischen Parlament und der AQR der EZB. Letzerer wird zwar kaum negativ schockieren, weil die EZB keine finanzielle Destabilisierung riskieren wird, aber im Vorfeld werden die Banken dennoch ihre Bilanzen aufhübschen und als Folge davon ihre Kredittätigkeit weiterhin eher einschränkan als ausweiten – mit entsprechenden negativen Folgen für Wirtschaftswachstum, staatlicher Schuldenträgfähigkeit und Entflechtung von Banken und Staaten.

Also: Die politische Richtung für den Weg aus der Eurokrise ist zwar festgezurrt, das heißt aber nicht, dass damit auch die Krise erfolgreich beendet ist. Weil die Linie unrealistisch ist, wird der Streit über die eine oder andere Art der Vergemeinschaftung der Schulden ziemlich sicher bald neu entbrennen.

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