Das „Große Geld“: Gutes Neues Jahr?

Was erwartet das amerikanische “Große Geld” auf den Finanzmärkten für 2014? Die Bank of America Merrill Lynch führt jedes Jahr eine viel beachtete Befragung durch. Die Umfrage fand kurz vor der Fed-Entscheidung statt, mit der Reduktion der QE-Aktivitäten im Januar zu beginnen. Teilgenommen haben 237 Personen, die zusammen 655 Mrd. Dollar an Assets verwalten.

Ganz klar die Erwartung: Die Aktien-Rallye geht weiter. Das muss so sein, der S&P 500 konnte in 2013 um 29,6% zulegen, das ist sein bestes Jahr seit 1997; der Nasdaq stieg sogar um 38,3%, sein bestes Jahr seit 2009. Die „Consumer discretionary stocks“ waren mit plus 40,4% der stärkste S&P-Sektor, der Telecom-Sektor trägt die rote Laterne mit plus 6,6%, gefolgt von Utilities mit 16,5%. Telecom und Versorger gelten als defensive Investments.

Im Durchschnitt rechnen die “Experten” mit einem Jahresendstand 2014 des S&P 500 bei 1.952 Punkten, also fast 6% höher als zum Jahresende 2013. Die Spannweite der Prognosen geht dabei recht weit auseinander, JP Morgan sieht z.B. einen 2014er Endstand von 2075, die Deutsche Bank traut dem S&P 500 hingegen nichts zu (Einzelergebnisse hier).

Einige der Befragten sehen für US-Aktien im ersten Halbjahr noch einen Anstieg auf möglicherweise über 2000, dann jedoch Schwäche. Ein solches Szenario hat viel damit zu tun, dass die Fed ihre Anleihekäufe zurückführt.

Goldman Sachs sagt, die Kunden der Bank würden den S&P 500 zum Jahreende bei 2000 sehen, die Bank selbst sieht ein Ziel bei 1900. Die Zurückhaltung hat damit zu tun, dass höhere langfristige Zinsen erwartet werden. Daher sei es ziemlich wahrscheinlich, dass der S&P 500 irgendwann in 2014 um 10% einbricht, bevor er sich wieder erholt, heißt es.

Nach einer separaten Reuters-Umfrage wird für 2014 ein durchschnittliches Jahresendziel von 1925 erwartet, das sind 4,1% mehr als aktuell.

Insgesamt wollen 54% der Befragten Aktien übergewichten. Hingegen wollen 64% Bonds trotz ihres scharfen Kursverfalls (und steigender Renditen) untergewichten, weil damit gerechnet wird, dass sich die Weltwirtschaft weiter erholt und die Zentralbanken ihre geldpolitischen Lockerungsübungen zurückfahren.

31% der Asset-Manager wollen in 2014 Rohstoffe zunächst untergewichten, das ist das schlechteste Ergebnis für diese Anlageklasse seit 2006, dem Beginn der Umfrage von Merrill Lynch. Auch Gold wird negativ beurteilt, trotz des scharfen Preisverfalls in 2013, dem Jahr mit der schlechtesten Performance seit 1981.

Der Dollar wird von der überwältigenden Mehrheit der Befragten für unterbewertet gehalten.

Bei Aktien wollen 48% der Asset-Manager die Technologie weiterhin übergewichten, trotz (oder wegen?) der Performance dieser Aktien in 2013. Das ist das zweitbeste Ergebnis in fast zehn Jahren. Auch für Bank-Aktien bleiben die Befragten optimistisch.

Was die geographische Verteilung angeht, so wird Japan weiterhin bullisch gesehen. Der Nikkei-Index war in 2013 um 57% angestiegen, sein bestes Ergebnis seit 1972. Auch für US- und europäische Aktien bleibt man bullisch, hingegen werden Emerging Markets untergewichtet. Brasilianische Aktien sind besonders unbeliebt.

Wie es oft so ist mit solchen Befragungen – die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die geäußerten Erwartungen gerade nicht erreicht werden. Die Umfrage spiegelt denn auch vor allem wieder, worin die Befragten bereits stark engagiert sind und daher besteht das Risiko, dass bei kleinen Anzeichen einer Abweichung von den Erwartungen die eingeschlagene Ausrichtung deutlich korrigiert wird, um die aufgelaufenen (hohen) Gewinne zu sichern.

Und so kommt es dann nicht selten, dass die sich die in einer solchen Befragung als besonders unbeliebt darbietenden Assets am Ende als die großen Renner erweisen. So waren die Asset-Manager zum Jahresende 2012 in derselben Befragung bärisch für japanische Aktien, der Nikkei hingegen wurde dann in 2013 zum internationalen Star.

Nomura schreibt diese Entwicklung nun fort und sieht den Nikkei per Ende 2014 bei 18.000 Punkten; per 2018 könnten sogar bis zu 25.000 Punkte erreicht werden, wenn die „Abenomics“ greifen und die Deflation beendet wird.

Wall-Street Analysten haben in den zurückliegenden 25 Jahren das jährliche Gewinnwachstum mit 10 bis 12% vorhergesagt. Langfristig laufen Gewinnwachstum und Kurse ziemlich gut zusammen. Nach einer Untersuchung von Vanguard sind Aktien seit 1926 real im Schnitt aber nur um 6,8% p.a. gestiegen. (Vanguard rechnet selbst damit, dass der breite US-Aktienmarkt im Zeitraum 2012 bis 2020 mehr als durchschnittlich mindestens 5% jährlichen realen Ertrag abwirft, was also im statistisch “normalen” Bereich liegt.) Aus dem Gesagten folgt, dass Wall-Street-Analysten notorisch zu bullisch sind.

Die Unternehmensberatung McKinsey hat schon vor Jahren untersucht, warum die Analysten an Wall-Street durchgängig zu bullisch für Aktien sind (siehe auch hier!). U.a. sind die Wall-Street Unternehmen Marketing-Gesellschaften für Aktien und wer macht schon gerne Werbung für Produkte, deren Preise abstürzen. Die Wall-Street Gesellschaften sind mit ihren gemeinsamen Interessen eine recht homogene Gruppe, zudem greifen sie alle auf dieselben Daten zurück, die Verantwortlichen sind alle durch die gleiche Schule gegangen, ihre finanziellen Anreize sind ähnlich gelagert – warum sollen die Ergebnisse ihrer Analysen daher übermäßig divergieren?

Wenn 2014 also ein durchschnittliches Jahr wird, sollten die Erwartungen bei Aktien auf 10% Plus liegen und es sollten durchschnittlich plus 6% herauskommen. Nun erwarten die Analysten im Mittel nur plus gut 5%, also sollten unter Vernachlässigung von Inflationseffekten nicht mehr als plus 3% herauskommen. 2014 – demnach ein unterdurchschnittliches, jedoch noch positives Jahr?

ABER: In 2013 haben Aktien nun aber schon einen gewaltigen „Schluck aus der Bullen-Pulle“ genommen (und auch in den Vorjahren keineswegs unterdurchschnittlich abgeschnitten). Das rechtfertigt allemal mit zumindest gedämpften Erwartungen für Aktien in das neue Jahr zu gehen. Nach Jahren der liquiditätsgetriebenen Hoffnungs-Rallye stellt sich nun die Frage, was von der Realwirtschaft und von den Unternehmensgewinnen her „geliefert“ wird. Und dass Aktien in einer Bewertungsblase und die Kursentwicklung in einer chaotischen Phase stecken, hatten wir bereits hier diskutiert.

Als „Contrarian” müsste man angesichts dieser Situation und der Umfrageergebnisse damit beginnen, die Ausrichtung auf US- und europäische Aktien zurückzufahren, ebenso müsste man sich aus japanischen Aktien zurückziehen, sowie Technologie- und Bank-Aktien abstoßen. Umgekehrt wären Engagements in Aktien der Emerging Markets angezeigt, sowie bei Rohstoffen und den zugehörigen Aktien. Auch für Gold sollte man zumindest vorsichtig optimistisch sein.

Aber auch hier gilt: Auf das Timing kommt es an und –um ein Wort von Keynes abzuwandeln- die Märkte können länger in eine Richtung laufen, als man als „Contrarian“ solvent bleiben kann. Um dann umso schärfer zu korrigieren…

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