EU: Debatte über Sparkurs geht weiter

Bei Spiegel online ist ein Gastbeitrag erschienen, der in die Linie des jüngsten Anti-Austeritäts-Werbegetrommels passt. Vertreter der EU-Kommission, des Europa-Parlaments und der OECD haben sich zusammen getan, um mit der von Deutschland geprägten Sparpolitik in der Eurozone abzurechnen. László Andor, Pervenche Berès, Joan Burton, Yves Leterme und Henri Malosse fordern zudem eine Abkehr vom Inflationsziel der EZB.

Bisher habe die EU nur die für das Überleben des Euro notwendige Mindestlösung auf den Weg gebracht, schreiben sie, als da sind: Notkredite für Krisenländer, der mit dem OMT-Programm in Aussicht gestellte Kauf von Staatsanleihen durch die EZB, eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung und strengere Grenzen für die Staatsverschuldung.

Die Wirklichkeit in der Eurozone sei hingegen trist und bleibe es auch, wenn man wie bisher lediglich mit sukzessiven Einzelmaßnahmen reagiere, die die Finanzmärkte immer wieder bloß für ein paar Monate beruhigen. Das führe zu keiner nachhaltigen Erholung.

Die Verfasser begrüßen, dass sich die politische Diskussion in der EU von der reinen Sparpolitik weg verlagert und das Wachstum in den Blick nimmt. Allerdings fehle noch eine robuste Strategie. Diese müsse sich auf folgende Elemente stützen:

(1) Eine Bankenunion muss zu tiefgreifenderen Strukturänderungen und schnellerem Schuldenabbau im Bankenwesen führen. (2) Als Gegengewicht zur Konsolidierung in schwächeren Mitgliedstaaten ist ein höherer Konsum in den stärkeren EU-Ländern erforderlich. (3) Die schwächeren Mitgliedstaaten benötigen Investitionen, damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen und den Euro behalten können. (4) Europa braucht eine expansivere Geldpolitik. Die Krise wird in einem Deflationsumfeld nicht überwunden werden. Deshalb ist eine andere Inflationsentwicklung notwendig. Rolle und Befugnisse der EZB müssen überdacht werden. (5) Europa muss in die Fähigkeiten seiner Menschen investieren und Chancen schaffen. Die Mitgliedstaaten müssen die von den EU-Ministern vorgeschlagene Jugendgarantie umsetzen.

Und dann wird es ganz hochtrabend: Europa sollte eine Art Bretton-Woods-Konferenz einberufen, um eine wirtschafts und währungspolitische Regelung für die kommenden Jahrzehnte auszuhandeln. Das beinhalte auch eine Form der Vergemeinschaftung der Staatsschulden. Zudem sollten länderübergreifende automatische Stabilisatoren in Betracht gezogen werden, um beispielsweise die Kosten zyklischer Arbeitslosigkeit durch den Einsatz gemeinsamer europäischer Mittel unter den Mitgliedstaaten aufzuteilen.

Wer sind die Autoren, die fordern, der Schwerpunkt müsse auf die Bedürfnisse und das Potenzial der Menschen verlagert werden?

László Andor ist EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration. Pervenche Berès ist Vorsitzende des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments. Joan Burton ist Ministerin für Sozialschutz in Irland und eine der Vorsitzenden der EU-Ministerratsformation Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz. Yves Leterme ist stellvertretender Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Henri Malosse ist Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses.

Die Autoren sind in ihrer politischen (Un-)Tätigkeit also allesamt mit der sozialen Problematik der EU-Rettungspolitik, der Massen- und Dauer-Arbeitslosigkeit besonders konfrontiert. Klar, dass hier auch das meiste „Umfaller“-Potenzial vorhanden ist.

Entkleidet man die Äußerungen von aller Sozial-Romantik, so bleiben schlicht und ergreifend zwei Forderungen übrig: Druckt erstens mehr Geld und vergemeinschaftet zweitens die aufgehäuften Schulden von Staaten und Banken. Beide Rezepte haben ihre Untauglichkeit im Sinne von Nachhaltigkeit bereits hinlänglich unter Beweis gestellt.

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