Zypern – Vorübung in begrenztem Rahmen

Die Euro-Staaten haben beschlossen, Sparer sollen in Zypern teilenteignet werden. Sie sollen ihren Beitrag zur finanziellen Sanierung des Landes leisten, das maßgeblich von seinem aufgeblasenen Bankensektor in die Krise gestürzt wurde. Der Spiegel jubiliert: „Es geht um Gerechtigkeit (…) Ein richtiger Schritt.“

Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun, wenn Sparer mit Einlagen von unter 100.000 Euro eine Abgabe von 6,75% zahlen müssen, oberhalb dieser Schwelle werden sogar 9,9% fällig? Das soll 5,8 Mrd. Euro erbringen zusätzlich zu 10 Mrd. Euro an EU-Krediten und einer Beteiligung des IWF. Haben die Sparer die Krise verursacht? Nein.

Banken sind Unternehmen, also sollte der Haftungsgrundatz hier genauso gelten wie für jedes andere Unternehmen auch. Wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten kommt, dann müssen dafür Anteilseigner und Kreditgeber einstehen. Dass dem bei Banken nicht so ist, wissen wir spätestens seit 2008 – die sind ja systemrelevant oder "too big to fail". Sie sind wichtiger als Unternehmen, die die Lebensgrundlagen unserer Gesellschaft sichern. Denn Geld kann man ja bekanntlich heutzutage essen, besonders wenn es virtuell vorkommt.

Rechtlich gibt der Sparer seiner Bank zwar einen Kredit. Aber er hat ihr den nicht zu unternehmerischen Zwecken angedient, sondern ihr das Geld in erster Linie zur Aufbewahrung überlassen. Wenn man auch nur den Anschein einer sozialen Komponente hätte wahren wollen, hätte man kleinere Sparbeträge ganz von einer Zwangsabgabe ausgenommen. Die Regierenden der Eurozone wollten nicht…

Zuerst, nach 2008, meinte man in der Eurozone, die Krise sei mit Bürgschaften und Krediten zu bekämpfen, einer versteckten Form der Beteiligung des Steuerzahlers. Man wurde eines Besseren belehrt. Daraufhin folgten Sparprogramme, die die Rezessionen in den betreffenden Ländern nur noch verschlimmerten. Dann kam der Schuldenschnitt in Griechenland. Er brachte ebenfalls keine Verbesserung der Lage. Daraufhin kam Draghi erst mit der LTRO-Kreditspritze und dann mit dem OMT-Programm, das Krisenstaaten mit Anleihekäufen unter die Arme greifen soll.

Jetzt sind wir bei der offenen Beteiligung des „kleinen Mannes“ angekommen. Das wird jetzt erst einmal in begrenztem zypriotischen Rahmen getestet. Über das Wochenende werden Enteignungsgesetze durch das zypriotische Parlament getrieben. Die Banken bleiben bis Dienstag geschlossen, ein Feiertag am Montag kommt da gerade recht. Man darf gespannt sein, welche Szenen sich am Dienstag vor den Bankschaltern abspielen (und wie sich demnächst die Target2-Ströme entwickeln…).

Das, was in Zypern geschieht, ist ein Vorgeschmack auf das, was demnächst auch in anderen Ländern der Eurozone passieren kann. Dass die für die Krise verantwortlichen Institutionen zur Verantwortung, sprich Haftung, herangezogen werden, ist jedenfalls unwahrscheinlich. Auch das ist die Botschaft aus Zypern.

Südamerika kommt näher.

Der Fokus bleibt weiter auf Griechenland und Spanien, dessen marode Banken bereits mit internationalen Hilfsgeldern gestützt werden. In Italien ist die Lage nach dem Patt der Parlamentswahlen weiter unklar und Frankreich ist der nächste große Wackelkandidat.

Nachtrag:
(18.3.13) Zypern hat in den Verhandlungen mit der EU zugestimmt, die Unternehmenssteuern von 10 auf 12,5% hoch zusetzen. Der IWF wird einen Beitrag leisten, der Betrag ist noch unklar. Russland wird das Programm mitfinanzieren, indem ein Kredit von 2,5 Mrd. Euro um fünf Jahre verlängert und der Zins (gegenwärtig 4,5%) gesenkt wird.

Die Zwangsabgabe löst auf Zypern große Entrüstung aus, weil viele Kleinsparer betroffen sind. Eine Mehrheit im Parlament bei der heutigen Abstimmung über das Rettungspaket ist unsicher. Zypern will die Bedingungen für das EU-Rettungspaket nachverhandeln. Es soll versucht werden, die vorgesehene Abgabe auf Bankeinlagen zugunsten von Kleinsparern kurzfristig zu verändern. Im Gespräch ist z.B., die Zwangsabgabe von Sparguthaben unter 100.000 auf 3% zu reduzieren, die darüber auf 12,5% anzuheben. Als Kompensation sollen geschröpfte Sparer eventuell Bank-Aktien erhalten, auch ein Ausgleich aus Gasgeschäften der Regierung ist im Gespräch. Guthaben bei Zweigstellen von griechischen Banken auf Zypern sind nicht betroffen von der Zwangsabgabe.

Schätzungsweise ein Drittel der Einlagen bei Banken auf Zypern besitzen Ausländer, unter ihnen viele reiche Russen und Briten. Zypern steht im Ruf, ein sicherer Hafen für Schwarzgeld zu sein und wenig gegen Geldwäsche zu unternehmen.

Holger Stelzner schreibt in der FAZ, es sei moralisch falsch, die großen Sparer zu schonen und die kleinen bluten zu lassen. So ist der Einlagensicherungsvertrag, wonach Bankkonten bis zu 100.000 Euro in der EU gesetzlichen Schutz genießen, das Papier nicht wert, auf dem er steht. Sparer in der Eurozone könnten nun klar sehen, wie sie durch die Eurogruppe ausgeraubt werden.

Karl Whelan schreibt bei Forbes: „Eine dumme Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Langfristig sei zu bezweifeln, dass die finanzielle Stabilität der Eurozone (und die Existenz des Euro) kompatibel ist mit einer Politik, die die normalen Sparer nicht schützt.

Mohamed El-Erian schreibt in der FT (h/t Eurointelligence): Die Strategie ist riskant und nicht zielgerichtet zugleich. Es bestehe die Gefahr, irgendwo in der Mitte herauszukommen. Einerseits geht man nicht weit genug, um die Probleme Zyperns zu lösen, andererseits werden potentielle negative Konsequenzen nicht genügend abgeschottet.

Andere Kommentatoren waren vor Bank-Runs in den PIIGS und vor einem erneuten Anschwellen der Target2-Ströme Richtung Euro-Nord.

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