Italien: „Erlöser“ erlöst

Der bei seinem Amtsantritt vor über einem Jahr als „Erlöser“ gefeierte italienische Ministerpräsident Monti will vorzeitig abtreten, sobald der Haushalt für 2013 verabschiedet ist, mit dem Italiens Haushaltsdefizit auf 1,8% des BIP sinken soll.

Der Wirtschaftsprofessor, „Technokrat“ und „internationale Berater“ bei Goldman Sachs sieht nach der Ankündigung Berlusconis, sich bei der kommenden Parlamentswahl erneut zur Wahl zu stellen, keine Perspektive mehr, seinen Sparkurs weiter umsetzen zu können. Berlusconis Partei hat Monti die Unterstützung entzogen.

Montis Rückzug bedeutet, dass sein "Reformprogramm" stoppt, bevor es richtig begonnen hat. Seine Regierung der „Fachleute“ kam z.B. bei der tiefgreifenden Umstrukturierung des Staatsapparates nicht weit. So wollte sie die Anzahl der 110 italienischen Provinzen halbieren. Das Steuerrecht sollte vereinfacht werden – auch das bleibt stecken. Ob das Parlament noch ein Dekret durchbringt, das mit einer Vielzahl kleiner Veränderungen das Wirtschaftswachstum unterstützen soll, ist fraglich. Dieses „Wachstumsprojekt Nummer zwei“ sah u.a. Steuervergünstigungen für den Bau von Infrastruktur durch private Investoren vor. Zudem bleibt wohl die Übertragung der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse in ein ordentliches Gesetz auf der Strecke, ebenso wie die Formulierung von mehr als der Hälfte der Ausführungsbestimmungen für bereits beschlossene Gesetze.

Das italienische BIP schrumpft in diesem Jahr um 2,3%, die Arbeitslosigkeit ist auf über elf Prozent angestiegen. Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen haben die seit mehreren Jahren erkennbaren rezessiven Tendenzen verstärkt und es ist kaum abzusehen, dass sich daran in 2013 etwas ändert.

Monti hatte sich auf dem EU-Gipfel im Juni in Szene gesetzt, als er vehement für Eurobonds eintrat. Bei Worten blieb es aber, seine Sparpolitik entsprach den Erwartungen der deutschen Regierung und zugleich ihrer Taktik, solche Themen bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr auf kleiner Flamme zu halten.

Der Chef der Euro-Rettungsfonds ESM und EFSF, Regling, warnt vor einer neuerlichen Verschärfung der Euro-Krise – und (wie sollte es anders sein) der Reaktion der „Märkte“: „Italien hat im vergangenen Jahr wichtige Reformen angeschoben. Das haben die Märkte bislang honoriert, allerdings haben sie auf die aktuellen Entwicklungen Ende vergangener Woche beunruhigt reagiert.“ Ein Comeback Berlusconis wird in Brüssel als Katastrophe für Italiens Finanzen und die Realwirtschaft gewertet.

Monti hat es geschafft, eine Vertrauensblase zu etablieren – mit viel Luft und wenig Inhalt, Inhalt v.a. in der Form struktureller Reformen. Er hat sich auch sonst hervorgetan, z.B. im August mit dem Aufruf, die europäischen Regierungschefs sollten sich bei der Bekämpfung der Euro-Krise ihre Handlungsfreiheit gegenüber den eigenen Parlamenten bewahren.

Steigende Arbeitskosten (die Lohnstückkosten sind in den vergangenen drei Jahren weiterhin gestiegen – um 4,1%), schrumpfendes BIP, schrumpfende Produktivität – das alles bei einem festgetackerten Wechselkurs:

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Die Rendite 10-jähriger italienischer Staatsanleihen steigt um fast 7,8%:

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Nachtrag:
Lesenswerter Kommentar zum gleichen Thema im Blog "Wirtschaftsphilosoph"

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