Griechenland schon wieder gerettet

Die in der Troika versammelten internationalen Geldgeber haben sich am frühen Brüsseler Morgen im Grundsatz auf die Auszahlung von neuen Hilfen an Griechenland von fast 44 Mrd. Euro verständigt. Davon sollen im laufenden Jahr noch 34,4 Mrd. Euro fließen.

Man verständigte sich auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das die Schuldenlast Griechenlands nachhaltig drücken soll. Die Schulden sollen per 2020 auf 124% des BIP sinken und per 2022 „signifikant unter 110%“ liegen. Ein späteres Ziel unter 110% war für den IWF zur „Gesichts-Wahrung“ nötig, damit er das höhere Ziel in 2020 akzeptiert. Er hatte ursprünglich darauf bestanden, dass die Schuldenquote bereits 2020 unter 120% liegen sollte. Das hatte zu einem scharfen Dissens geführt.

Einige Medien schreiben, das Ziel „signifikant unter 110%“ sei ein deutlicher Hinweis auf Abschreibungen der öffentlichen Kreditgeber, d.h. derjenigen der Eurozone. Ein solcher Haircut (OSI) könnte 2015 stattfinden, nachdem das zweite Bailout-Programm in 2014 ausgelaufen ist, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Während der Debatte forderte der IWF die Länder der Eurozone auf, Athen kurzfristig rund 35 Mrd. Euro an Schulden zu erlassen und mittelfristig weitere Reduktionen zu versprechen. Die Länder der Eurozone halten direkt oder indirekt 127 Mrd. Euro der griechischen Staatsanleihen (Chart-Quelle: "Der Spiegel").

Griechenland ist de jure zahlungsunfähig und wird nur über ELAs der EZB de facto davor bewahrt. Für 2012 sind insgesamt 44 Mrd Euro an Kreditzusagen der Troika fällig.

Man habe ein starkes Bündel von Maßnahmen beschlossen, sagte Eurogruppen-Chef Juncker. Und Bundesfinanzminister Schäuble kommentiert: „Wir haben jetzt ein Ergebnis, das wir unseren Parlamenten (…) zur Beratung und Zustimmung vorschlagen können.“ Er hofft, dass die parlamentarischen Beratungen in Berlin bis zum Freitag abgeschlossen werden können.

Dieses „starke Bündel von Maßnahmen“ (oder auch das dritte Rettungspaket) lässt zwar keine neuen Kredite fließen, aber es belastet die nationalen Haushalte der Eurozonen-Länder erneut. Es beinhaltet eine Zinssenkung beim ersten Rettungspaket von 2010 mit 53 Mrd. Euro an Krediten, was die Griechen um rund 2 Mrd. Euro entlastet. Für den deutschen Steuerzahler reduzieren sich die Einnahmen hieraus um einen dreistelligen Millionenbetrag. Weiter wurde ein Zinsaufschub beim zweiten Rettungspaket vereinbart, in den ersten zehn Jahren muss Griechenland keine Zinsen zahlen. Zudem wurde die Laufzeit der im März vereinbarten Kredite aus dem EFSF um 15 auf 30 Jahre verdoppelt. Das bringt eine Entlastung des Athener Haushalts um insgesamt 44 Mrd. Euro (dem deutschen Steuerzahler eine Belastung von über 11 Mrd. Euro). Zum Dritten wird ein Schuldenrückkauf beschlossen. Dabei bietet die griechische Regierung privaten Gläubigern an, Staatsanleihen zu einem Preis von 35 Cent pro Euro Nominalwert zurückzukaufen. Der aktuelle Kurswert der Anleihen liegt zwischen 20 und 30 Cent. Der ESM soll hierzu Griechenland 10 Mrd. Euro leihen, damit könnte das Land eigene Schulden im Wert von 30 Mrd. Euro zurückkaufen und so seine Verbindlichkeiten um etwa 20 Mrd. Euro senken. Viertens schließlich sollen die Notenbanken der Euro-Länder auf Gewinne verzichten, die die EZB durch den Ankauf griechischer Anleihen auf dem Sekundärmarkt erzielt hat. Das bringt den Griechen nach Angaben in der FT insgesamt eine Erleichterung von sieben Mrd. Euro (und belastet den deutschen Haushalt mit knapp 2 Mrd. Euro).

Zins-Erleichterungen, die jetzt für Griechenland beschlossen wurden, sollen auf die Hilfskredite für Portugal und Irland übertragen werden. Das sorgt auch im deutschen Haushalt für weitere Mindereinnahmen.

Die Übereinkunft verschafft zwar Griechenland Luft, aber es ist mehr als zweifelhaft, dass diese länger reicht als bis Ende 2014, dem Auslaufen des im März beschlossen Bailout-Programms. Aus Sicht von Ökonomen führt an einen zweiten Schuldenschnitt, den dieses Mal die Länder der Eurozone tragen müssen, kein Weg vorbei.

Einen solchen Schritt will v.a. die deutsche Regierung aus wahltaktischen Erwägungen zunächst vermeiden. Sie will vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 nicht öffentlich eingestehen, dass die Griechenland-Rettung den deutschen Steuerzahler Milliarden kostet. Bisher hatte sie stets reklamiert, es handele sich dabei nur um Kredite und Garantien. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen kosten aber bereits deutsches Steuergeld, bisher in Form entgangener Einnahmen.

Wie der Spiegel schreibt, fand Schäuble nach der Sitzung in Brüssel vieldeutige Worte: Sobald Athen den ersten Primärüberschuss erziele, sagte er, könne man über weitere Maßnahmen zur Schuldensenkung reden. Der erste Primärüberschuss soll nach neuesten Erkenntnissen 2016 erzielt werden. (Da ist ja fast schon wieder Bundestagswahl…)

Mancher Beobachter spekuliert, dass Spanien noch in dieser Woche noch seinen lange erwarteten ESM-Bailout-Antrag stellt. Der könnte dann eleganterweise gleich mit dem jetzt beschlossenen Griechenland-Paket durch den Bundestag gewunken werden und EZB-Draghi den Startschuss für sein im September angekündigtes OMT-Programm liefern.

Die zehn-jährigen Renditen der griechischen Staatsschulden haben im Vorfeld kaum reagiert und auch im aktuellen Handel ist nur wenig Bewgung nach unten (Kurse nach oben):

Nachtrag:
29.11.12: Schäuble hat in einem Brief an Steinmeier mitgeteilt, dass aus dem dritten Hilfspaket für Griechenland (s.o.) "rund 600 Millionen Euro im Jahr 2013 und rund 530 Millionen Euro im Jahr 2014" zulasten des Bundeshaushaltes anfallen.

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