Kommentare zu OMT und QE3

Fed-Chef Bernanke hatte in seiner Rede auf dem diesjährigen Zentralbanker-Symposium in Jackson Hole die Gründe dafür analysiert, warum der Zustand der US-Wirtschaft auch nach massiven QE-Programmen offensichtlich weiterhin unbefriedigend ist. Er widerspricht dabei der Auffassung, das läge an von der Finanzkrise angerichteten strukturellen Schäden.

Statt dessen zählt er vier „Headwinds“ auf. Erstens: Der Hausbausektor zeigt zwar Zeichen von Erholung, bleibt aber auf niedrigem Niveau und trägt viel weniger zur Erholung bei, als in der gegenwärtigen Stufe des Konjunkturzyklus zu erwarten ist. Zweitens. Die Fiskalpolitik auf Staats- und regionaler Ebene wird zu einem bedeutenden Hindernis für das wirtschaftliche Wachstum. Drittens: Stress in den Kredit- und Finanzmärkten setzt der Wirtschaft weiterhin zu. Harte Kreditbedingungen sind für mögliche Hauskäufer und kleine Unternehmen ein Problem. Viertens: Europa…

Bernanke schätzt den Effekt von QE1 und QE2 so ein: Die längerfristigen Zinsen konnten um 0,8 bis 1,2% gedrückt werden, der volkswirtschaftliche Output ist um 3% höher ausgefallen, außerdem sind rund zwei Millionen Jobs geschaffen worden.

Eugenio Diaz-Bonilla kommentiert: In der Diskussion ist immer wieder vom Tabu für die Zentralbank die Rede, andere Assets als Treasurys zu kaufen. Dieses „Tabu“ ist allerdings längst gebrochen – und das nicht erst mit dem jüngsten QE3-Beschluss. Das Thema wird tabuisiert, weil die Notenbank Kreditrisiken jenseits von „sicheren“ Staatsanleihen vermeiden soll. Der Grund liegt hauptsächlich im Missbrauch anderer Instrumente, der in vielen Entwicklungsländern zu hoher Inflation geführt hatte. Als weiterer Grund wird der Distributions-Effekt angeführt, der bewusst Gewinner und Verlierer kreiert. Den allerdings zieht jede geldpolitische Maßnahme nach sich, wenn auch häufig sehr indirekt.

Damit reduziert sich das angebliche Tabu für Diaz-Bonilla auf die Frage, wie man den Einsatz solcher Instrumente richtig gestaltet. Hierbei sind zwei Regeln wichtig: Die Tinbergen Regel (“On the Theory of Economic Policy” 1952) besagt, eine Regierung kann mit einem Instrument nicht zwei Ziel adressieren. Die Bhagwati-Regel (“The generalised theory of distortions and welfare” 1971) besagt, eine geldpolitische Maßnahme muss ein Problem direkt angehen. Denn je indirekter eine Maßnahme wirkt und je weiter sie vom Problem entfernt ist, je wahrscheinlicher erzeugt ihr Einsatz Verwerfungen und unerwünschte Seiteneffekte, und sei es auch nur über unterschiedlich lange Verzögerungen.

Bernanke hatte in seiner Rede in Jackson Hole Wert darauf gelegt, längerfristige Treasurys und Anleihen von Bundesagenturen als die hauptsächlichen, aber nicht als die einzigen, von der Fed kaufbaren Assetklassen zu bezeichnen. Im Federal Reserve Act 13(3) wird festgelegt, dass die Fed bei außergewöhnlichen Umständen auch andere Asset-Klassen erwerben darf.

Wenn die Umstände außergewöhnlich bleiben, sollte die Fed in Bezug auf die genannten Regeln ihre Interventionen gemäß den genannten „Headwinds“ viel direkter auf den privaten Sektor abzielen, schreibt der Autor. Bernankes Bemerkung und die Tatsache, dass QE3 direkter auf den Hausbaubereich abzielt, könnte die Tür in diese Richtung aufgemacht haben.

Thomas Grennes und Andris Strazds schreiben: Die Fiskalpolitik zaudert, statt dessen wächst der Druck der Politik auf Bernanke und die Fed, drastische und unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen, um die makroökonomischen Probleme zu lösen. Das könnte bald zu höherer Inflation führen. Ironischerweise kann das duale Mandat der Fed diese zu dem (untauglichen) Versuch zwingen, bei anhaltendem Unvermögen der Regierung hinsichtlich einer die Geldpolitik ergänzenden, die Wirtschaft stabilisierenden Fiskalpolitik zwei Vögel mit einem Stein zu erlegen. Die Fed fördert neue Hausbauschulden. Hypothekenzinsen sind in den USA voll von der Steuer absetzbar – eines der größten Schlupflöcher im Steuersystem. Regierung und Opposition sind aber offenbar auch angesichts der „Fiscal Cliff“ nicht gewillt, diese Vergünstigung abzuschaffen und so riskieren alle eine andauernde Schuldenkrise.

(„Fiscal Cliff“: Gemeint sind die Anfang 2013 wirksam werdenden Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen im Umfang von knapp 500 Mrd. Dollar im per Oktober beginnenden neuen Haushaltsjahr, wenn sich die politischen Lager nicht einigen. Auf das Kalenderjahr gerechnet, macht das fast 4% des BIP aus.)

Tim Duy sieht, dass die Fed nicht von Nullzinsen weg kommt, die (realen) Zinsen für 10-jährige TIPS sind sogar negativ. Jetzt hat die Fed die Aussicht auf niedrige Leitzinsen bis Mitte 2015 verlängert. Im Juni 2015 läge die Spitze des letzten Konjunkturzyklus 90 Monate zurück. Im Mittel sind die Spitzen der letzten drei Rezessionszyklen 96 Monate auseinander, im Mittel über alle Zyklen seit 1945 ergeben sich 66 Monate. Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die US-Wirtschaft in eine neue Rezession läuft, bevor sich die Wirtschaft normalisiert, sprich die Zinsen sich von der Nulllinie entfernt haben. Das wäre ein sehr negatives Szenario.

Yves Smith fragt, ob QE3 nicht ein weiterer heimlicher Banken-Bailout ist. Schon Obama und seine Banken-freundlichen Berater hatten wenig Gefallen an gut gezielten steuerlichen Anreizen und stärkerer Schuldenrestrukturierung des privaten Sektors gefunden. Mit QE3 gibt Bernanke dem Aktienmarkt Zucker, um Obamas Wiederwahl zu fördern. Zum anderen schiebt die Fed die Gewinne der Banken absichtlich an – vielleicht auch in der Hoffnung, dass diese sich dann stark genug fühlen, ein paar mehr Kredite zu vergeben. Dabei ist die Finanzspekulation um vieles profitabler und kann –im Gegensatz zu langlaufenden Hypothekenkrediten- schnell hoch und runter gefahren werden.

Nach der Ankündigung von QE3 haben sich die Hypothekenzinsen kaum verändert, die Kurse von MBS hingegen sind deutlich angestiegen. Wenn die Banken die Hypothekenzinsen hoch halten, streichen sie größere Gewinne beim Verkauf der Hypotheken in den Bond-Markt ein. Smith sieht in QE3 eine tolle Chance für Banker, eine Menge Tradingumsatz zu generieren. Aber Kredite vergeben? Das war gestern.

Cullen Roche zeigt sich „verwundert“ über eine Antwort von Bernanke auf der Pressekonferenz zum jüngsten FOMC-Beschluss. Bernanke habe praktisch gesagt, dass die Politik die zur letzten Blase beigetragen hat, nun der Wirtschaft hilft. Wann hat zuletzt ein Zentralbanker (fast) gesagt, eine Blase sei gut?

Der Fed-Chef: Die Mittel der Geldpolitik wirken durch verschiedene Kanäle, etwa Hypothekenzinsen, andere Zinsen, Zinsen von Unternehmensanleihen, auch Preise verschiedener Assets, auch Hauspreise. Wenn die Hauspreise zu steigen beginnen, fühlen sich die Verbraucher wohlhabender, sie konsumieren mehr. Steigen die Hauspreise weiter, kaufen sie Häuser in Aussicht auf weitere Steigerungen. Bei steigenden Aktienkurse sei es genauso: Steigende Assetpreise verschaffen den Unternehmen zusätzliche Nachfrage, die sie brauchen, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu investieren. (Protokoll der Pressekonferenz hier)

Bob Janjuah von Nomura jubiliert nicht über QE3 – im Gegenteil. Er fühlt Angst in den Aktionen von EZB und Fed: Sie sehen etwas, was wir nicht sehen, und was sie sehen, ist nicht gut. Die jüngsten Beschlüsse haben offenbart, wie tief besorgt Draghi und Bernanke über den Zustand der Wirtschaft und des Finanzsystems sind. Was Janjuah aber noch mehr beunruhigt: In beider Antworten steckt im Endeffekt die Aussage „wir geben auf“. Statt nach wirklichen Lösungen zu suchen, bieten sie die Erweiterung derselben fehlgeschlagenen Politik an, die uns erst in die jetzige finanzielle und wirtschaftliche Lage gebracht haben. Nämlich mehr Schulden, mehr Blasen und mehr monetäre Entwertung.

Janjuah sieht den Grund, warum die Bilanzverlängerung der Zentralbanken nicht so effektiv ist, wie diese sich das erhoffen, in demographischen Faktoren. Die Bevölkerungsstrukturen in den USA, Europa und auch in China altern zumindest in den nächsten Jahren stark. Dadurch wird mehr gespart, weniger konsumiert, erst recht weniger schuldenbasiert. Wenn dann auch noch die Fiskalpolitik konsolidieren muss und die Notenbank-Politik schon im Notfall-Status ist, warum soll dann irgendein Firmenchef glauben, jetzt sei der richtige Zeitpunkt, zu investieren, einzustellen, zu wachsen?

Zur Überzeugungskraft des OMT-Programms der EZB: Die Zinsen für spanische zehnjährige Staatsanleihen liegen wieder bei sechs Prozent. Sie tauchten zunächst ab, fanden dann aber Support bei einem vormaligen Widerstand.

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