Nach Spanien – Italien?

Gavyn Davies zitiert in der FT eine Untersuchung von JP Morgan, wonach Spanien bis 2014 etwa 350 Mrd. Euro an Schulden zu finanzieren hat. Nicht eingeschlossen sind dabei die nicht unerheblichen Schulden der Provinzen. Ob das Land diese Beträge aus eigener Kraft aufbringen kann, ist mehr als zweifelhaft. Mit Zinsen von über 6,5% ist Spanien der Zugang zu den Finanzmärkten praktisch versperrt. Was dem sogenannten spanischen Stolz früher oder später bleiben wird, ist, unter den Brüsseler Rettungsschirm ESM zu kriechen.

Die 350 Mrd. Euro kämen zu den am vergangenen Wochenende versprochenen 100 Mrd. Euro hinzu, mit denen die spanischen Banken refinanziert werden sollen. Zusammen mit den bereits zugesagten Programmen für Irland, Griechenland und Portugal kommt ein Volumen von über 700 Mrd. Euro zusammen – das lässt für den ESM nur noch wenig freie Mittel übrig. Für ein weiteres größeres Land jedenfalls reicht es jedenfalls hinten und vorne nicht.

Italien ist dabei, dem Weg Spaniens zu folgen. JP Morgan taxiert den Finanzierungsbedarf des „Stiefels“ bis 2014 auf gut 670 Mrd. Euro. Die Zinsen für zehnjährige italienische Bonds liegen bei über sechs Prozent, die Staatsverschuldung bei 120%. Der früher einmal als Erlöser gefeierte Monti wird blass und blässer. M. Hüfner, Assenagon, hat ihn kürzlich in Brüssel erlebt, er beschreibt ihn so: „…wirkte er abgekämpft, scheint keine große Lust mehr auf das Amt zu haben. In Rom igelt er sich mit wenigen Vertrauten ein und lässt keinen Zweifel, dass seine Zeit als Regierungschef mit der nächsten Wahl zu Ende ist. Der Widerstand im Land gegen seine Politik nimmt zu.“

Die italienische Arbeitslosenquote stieg in den zurückliegenden zwölf Monaten um zwei auf zehn Prozent, sogar auf 36%, wenn man sich die Lage bei den unter 25-Jährigen ansieht. Das BIP wird im laufenden Jahr negativ, die italienische Notenbank rechnet mit minus 1,5% – Rezession also. Die italienische Produktion geht seit 2008 kontinuierlich zurück. Und die Staatsschulden dürften in 2012 wahrscheinlich die Schallmauer von zwei Bill. Euro durchbrechen. Dahinter steckt nicht nur ein erst kürzlich angeworfener Schulden-induzierter Teufelskreis.

Die eigentliche Wurzel der italienischen Misere muss man wohl im Beitritt des Landes zur Eurozone suchen. Das gilt genauso für Spanien, wie auch für andere PIIGS-Mitglieder – siehe hier: "Eurozone – von Anfang an daneben".

Monti zeigt mit dem Finger auf Merkel, die am liebsten alle wichtigen Entscheidungen auf europäischer Ebene auf die Zeit nach der Bundestagswahl 2013 verschieben würde. So viel Zeit wird nicht bleiben.

Was also wird geschehen?
W. Münchau glaubt, in Italien könne der politische Druck für einen Euro-Austritt zunehmen. Dann sei zu erwarten, dass das Land auch seine Auslandsschulden nicht mehr bedient. Italien hat zwar eine hohe Altverschuldung, im Gegensatz zu Spanien aber eine relativ geringe Neuverschuldung, wodurch das Land relativ unabhängig von der Außenwelt sei. Mit Austritt und brachialem Schuldenschnitt wäre die inneritalienische Krise schlagartig zu Ende, glaubt Münchau. Im Eurozonen-Rest finge sie nach diesem Szenario dann erst an: Die europäischen Banken stünden dann vor dem Kollaps. Und weil die immer noch zu groß sind, um zu fallen, müssen sie wiederum herausgehauen werden. Dadurch steigen Deutschlands Staatsschulden stark an. Nicht nur dadurch – es sind dann auch einige hundert Milliarden Euro an Verlusten aus Target2 zu verkraften.

Auch ohne einen eventuellen Austritt Italiens aus der Eurozone steigen die Belastungen für Deutschland schon an. Dadurch, dass Spanien Gelder vom (noch in Betrieb zu nehmenden) ESM bekommt, fällt es als Garant hierfür aus. Die übrig bleibenden Betreiber müssen höhere Garantien erbringen. Das trifft auch Italien. Nur sehr naive Beobachter können glauben, dass es bei Garantien bleibt, letztlich bedeutet das eine Erhöhung der Staatsschulden.

Münchau propagiert (wie seit Jahr und Tag) als Ausweg Eurobonds. Eurobonds sind meiner Ansicht gerade keine Lösung, sondern ein weiterer Sargnagel für die Eurozone. Kurzfristig, das ist klar, schreien alle „Hurra!“, aber dann geht es so weiter wie bisher. Ordnungspolitisch sind Eurobonds eine Katastrophe – Haftung und Kontrolle werden auseinandergerissen, so lange es keine fiskalische Zentralgewalt gibt. Und wenn es die gäbe, ist das angesichts der bisherigen Leistungen des politischen Establishments in Brüssel und anderswo keineswegs eine Garantie, dass es dann besser läuft.

Ein ERF wäre da schon sinnvoller – allerdings auch nur dann, wenn endlich mit der Billig-Eurobond-Lösung Target2 Schluss gemacht wird. So lange hier die Türen weit offen stehen im Selbstbedienungsladen EZB-System, können Schuldnerländer alle noch so gut gemeinten Vorgaben und Rahmenbedingungen aushebeln. Erpressungspotenzial in Gestalt eine Gesamtsaldos von rund 900 Mrd. Euro ist schon genug aufgebaut. Aber niemand auf der politischen Bühne und anscheinend auch niemand in der EZB scheint hier irgendetwas tun zu wollen.

Was bleibt noch als Ausweg? Die Politik wird auf dem EU-Gipfel am Monatsende eine weitere Maus gebären, woraufhin dann ab irgendeinem Punkt die großen Notenbanken eine konzertierte Aktion veranstalten dürften. Ob die EZB dabei zusätzlich zu weiteren LTROs (nochmals eine Billion Euro müsste es schon sein) auch Staatsschulden von Italien und anderswo direkt monetarisiert, muss sich zeigen.

Ja, ist nicht zulässig – wen juckt’s? Hauptsache, das Fiat-Geldsystem bekommt das, was es braucht – Liquiditätsdrogen.

Nachtrag:
(15.6.12) Spanische Bond-Renditen steigen über 7% – eine volle EFSF/ESM-Unterstützung für Spanien wird damit immer wahrscheinlicher. Italienische Bond-Renditen jetzt klar über 6%, auch hier naht der Punkt, an dem das Land keine sinnvolle Finanzierung seiner Schulden auf den Finanzmärkte mehr erreichen kann. Und Alexis Tsipras sagt, wenn Spanien 100 Mrd. Euro ohne Bedingungen bekommen kann, warum soll Griechenland dann nicht gleichbehandelt werden und im Euro bleiben.

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