Round-up: Griechenland-Bailout

Wie kam es zu der Situation in Griechenland? Wie sind die Aussichten? Was müsste getan werden? Worauf läuft der "Bailout" hinaus? Eine Artikelsammlung:
"Miese Spiele am Olymp" vom 14.2.12 blickt zurück.
"Die neue Kolonie: Griechen, die Neger der Eurozone" vom 17.2.12 zeigt auf, wie Griechenland mit dem Spardiktat einen Teil seiner Souveränität einbüsst.
"Was kann Griechenland retten?" vom 19.2.12 fragt nach dem Ausweg.
"Griechenland-Bailout – nicht mal Sterbehilfe für das Land" vom 21.2.12 beurteilt den Bailout-Beschluss der EU vom 20./21.2.12.

(21.2.12) Griechenland-Bailout - nicht mal Sterbehilfe für das Land

Die FAZ schreibt zum Ergebnis der jüngsten Brüsseler Beratungen: Griechenland erhält neue Finanzhilfen über 130 Mrd. Euro, private Gläubiger verzichten im Wege eines Bond-Tauschs auf mehr als die Hälfte ihrer Forderungen. Damit sei Griechenlands Zukunft innerhalb der Eurozone und die finanzielle Stabilität des Währungsraums gesichert, sagte Eurogruppen-Vorsitzender Jean-Claude Juncker zum Abschluss der Beratungen der Finanzminister.

„Juncker“? Das ist doch der, der sagte: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“

Dann schaun mer mal.

Der größte Anteil der beschlossenen Hilfs-Mittel ist für die Finanzierung des Bonds-Swaps vorgesehen und dafür, die Stabilität des griechischen Bank-Systems sicher zu stellen. Reuters schreibt: „The vast majority of the funds in the 130-billion-euro program will be used to finance the bond swap and ensure Greece's banking system remains stable; some 30 billion euros will go to "sweeteners" to get the private sector to sign up to the swap, 23 billion will go to recapitalize Greek banks. A further 35 billion or so will allow Greece to finance the buying back of the bonds. Next to nothing will go directly to help the Greek economy.“

Der griechischen Wirtschaft wird mit „next to nothing“ geholfen. Das also ist mit der Absicherung von „Griechenlands Zukunft in der Eurozone“ gemeint.

Die privaten Gläubiger Griechenlands sollen per Gesetz zu einem Forderungsverzicht gezwungen werden. Die Regierung wird dem Parlament dazu in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, teilte das griechische Finanzministerium mit. Er sieht rückwirkende Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses) vor, mit denen eine Mehrheit der Gläubiger (wahrscheinlich zwei Drittel) entscheidet, wie hoch der Forderungsverzicht ausfällt. Die nominale Abschreibung von gut 50% der griechischen Schulden entspricht rund 70% Verlust auf den gegenwärtigen Netto-Wert. Die am 20. März fällig werdende Griechenland-Anleihe (WKN A0T6US) notiert aktuell bei 36.

Mit den erwähnten und weiteren Maßnahmen (s.u.) soll per 2020 eine Schulden-Quote von 120,5% erreicht werden.

Liest man den inoffiziell bekannt gewordenen, als „strictly confidential“ eingestuften Troika-Bericht (Brüssel-Blog der FT), kann man nur zu dem Schluss kommen, den auch Eurointelligence zieht: „This report is absolutely incredible. Not only is the troika’s strategy once again based on the most optimistic of all optimistic assumptions about future state of the world. The troika no longer seems to believe in the success. The report essentially says that Greece is bankrupt under any reasonable assumptions.“ (Der Report kann hier heruntergeladen werden)

Im einzelnen: Der Bericht spricht von grundsätzlichen Spannungen zwischen den beiden Zielen des Hilfsprogramms Schuldenreduktion und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in dem Sinne, dass die zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit benötigte Deflation unausweichlich zunächst zu einer höheren Schuldenquote führt. Je nachdem wie stark sich die verlangten Reformen verzögern, kann sich die Schuldenquote in 2015 bei bis 178% einstellen. Der Troika-Bericht rechnet mit einem Rückgang des diesjährigen BIP um optimistische 3%, realistischer aber um bis zu 4,3%. (Fachleute gehen längst von einem doppelt so hohen Wirtschaftseinbruch wie dem „best case“ der Troika aus, berichtet die FTD) Weiter: Zunächst dachte man, griechische Banken benötigen 30 Mrd. Euro an Hilfe, dann ging man von 40 Mrd. Euro, im Bericht ist von „wahrscheinlich“ 50 Mrd. Euro die Rede. Klar ist auch, dass schon 2014 weitere Mittel benötigt werden. Ursprünglich war einmal von 50 Mrd. Euro die Rede, jetzt könnten es im worst-case ab 2014 über einen längeren Zeitraum bis zu insgesamt 245 Mrd. Euro werden.

Wie sehr der Troika-Bericht selbst in seinem "downside case" noch die rosarote Brille auf hat, zeigt sich darin, dass er in 2013 von minus einem Prozent BIP-Wachstum ausgeht. Im vierten Quartal 2011 lag die Schrumpfung des BIP bei 7%. Das ist denn mal ein Turn-around!

Im Bericht wird auch über die Schwierigkeiten gesprochen, neue private Darlehensgeber für Griechenland gesprochen. Denn die sind hinsichtlich der Sicherheiten nachrangig zu den öffentlichen und privaten Gläubigern, die am Schuldenschnitt und Bond-Tausch teilgenommen haben. Damit aber schlägt jeder Rückschlag bei der Sanierung Griechenlands voll auf die öffentlichen Hände zurück.

Der Bericht weist ausführlich auf die Risiken hin, unter denen das offizielle, dem jüngsten Brüsseler Beschluss zugrunde liegende Szenario steht: Das, was jetzt beschlossen wurde, funktioniert nur, wenn wir ab sofort nur noch eitel Wirtschafts-Sonnenschein haben und es auch sonst keinerlei externe (politische) Schocks gibt.

Eigentlich kann man diesen Artikel hier beenden. Das, was die Finanzminister gestern in Brüssel vorgeführt haben, ist bestenfalls dazu da, die europäischen Steuerzahler für dumm zu verkaufen – und zwar wider besseren Wissens. Der Griechenland-Bailout rettet die Gläubiger, für das Land selbst ist es nicht mal eine Sterbehilfe. Ach so, ist ja schon tot…

Der Vollständigkeit halber nachfolgend doch noch die übrigen, in Brüssel beschlossenen Punkte:

Es wird eine vergrößerte und permanente Präsenz der EU-Kommission in Griechenland geben. Griechenland willigt ein, drei Monate Schulden-Dienst auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Griechenland wird in den nächsten zwei Monaten gesetzliche Vorkehrungen treffen, dass der Schuldendienst oberste Priorität hat. Gewinne der nationalen Notenbanken auf Griechenland-Bonds werden an die Mitgliedsländer transferiert. Die Zinsen für bereits geflossene Kredite werden rückwirkend reduziert. Hinzu kommen Auflagen, die weiter unten bei "Die neue Kolonie: Griechen, die Neger der Eurozone" skizziert sind.

Eine Umfrage in Griechenland zeigt, dass 77% der Griechen unter allen Umständen in der Eurozone bleiben wollen. Das ist so viel wie vor zwei Monaten auch. Fast zwei Drittel sagen, eine Koalitionsregierung sei am besten, um das Land aus der Krise zu führen. Die „Neue Demokratie“ bekommt keine absolute Mehrheit mehr und muss mit der PASOK zusammen regieren. 27% der Wähler sind aber noch unentschlossen oder wollen nicht wählen.

(19.2.12) Was kann Griechenland retten?

Griechenland verkommt unter dem Spardiktat der Troika zur Kolonie, die Griechen werden die Neger der Eurozone. Daran wird auch das nächste Hilfspaket im Volumen von 130 Mrd. Euro nichts ändern. Das jetzt kommende Sperrkonto, auf das Mittel zum Schuldendienst abgezweigt werden, zeigt worum es geht: Die Gläubiger sollen gerettet werden. Schließlich ist das Land auch nach dem nun wohl ebenfalls kommenden Schuldenschnitt keineswegs schuldenfrei – fast 270 Mrd. Euro bleiben.

Das Land verfügt weder über einen im klassischen (westlichen) Sinne funktionierenden Staatsapparat, noch über eine auch nur im Ansatz wettbewerbsfähige Wirtschaft. Es ist auf der Stufe eines Entwicklungslandes.

Die herrschende EU-Politik sieht bisher vor, das Land in der Eurozone zu halten. Da der Wechselkurs als Instrument zur Angleichung wegfällt, bleibt nur die deflationäre Anpassung. Das gilt in gleicher Form für alle PIIGS. Im Falle Griechenlands müssten die Preise um 31% fallen, hat der Leiter des ifo-Instituts, Sinn, ausgerechnet.

Entsprechend müssten die Löhne sinken – eine der Bedingungen, die Griechenland von der EU aufoktroiert bekommt, ist eine Senkung der Mindestlöhne um 25%, bei jüngeren Arbeitnehmern um noch mehr. Selbst wenn dies umgesetzt würde – die starken griechischen Gewerkschaften sind auch noch da. Abgesehen davon würde es nichts nutzen. Das Land hat keine nennenswerte Exportindustrie, die davon profitieren würde und dem Land einen Wachstumsimpuls geben könnte. Die übrigen Industriezweige kommen durch eine solche Deflation nur noch weiter unter Druck. Und mit ihnen das Wirtschaftswachstum. Gleichzeitig bleiben die privaten Schulden erhalten. Das sorgt dafür, dass immer mehr Unternehmen pleite gehen, die Deflationsspirale geht weiter.

Das griechische Leistungsbilanzdefizit liegt gegenwärtig bei 10%. Es wird quasi automatisch über Target2 finanziert, 27% davon trägt Deutschland. Alles nur Kredit? Ja, erst mal schon. Später dann wird es zum Geschenk. Und wie es so ist mit solchen Geschenken, der Beschenkte will immer mehr. Die Erfahrungen der Entwicklungshilfe zeigen, nur Hilfe zur Selbsthilfe bringt ein Land weiter.

Damit Griechenland überhaupt geholfen werden kann, muss das Land aus dem einheitlichen Euro-Währungsraum ausscheiden. Wenn es die Drachme wieder einführt, kann es gleichzeitig bestimmen, dass die Staatsschulden künftig auf Drachme lauten (Lex Monetae), wie Sinn erklärt (siehe auch hier). Die Situation im Land ändert sich relativ gesehen nicht – Vermögen und Schulden werten im gleichem Maßstab ab.

Danach fängt die Arbeit an. Einige der zu treffenden Maßnahmen unterscheiden sich nicht von einzelnen Punkten im Spardiktat der Troika, sie haben aber mit der Drachme jetzt konstruktive Effekte. Die Bürokratie muss schlanker und effizient werden, Regeln müssen vereinfacht und vereinheitlicht werden. Regulierungen bei bestimmten Berufszweigen müssen zum großen Teil fallen. Der Arbeitsmarkt muss flexibilisiert werden. Das alles sind auch Voraussetzungen dafür, dass ausländische Investoren wieder Interesse an dem Land finden können.

Vassilis Antoniades und Camille Egloff von der Boston Consulting Group haben sich mit dem Thema befasst. Zwischen 2004 und 2010 betrugen die ausländischen Direktinvestitionen in Griechenland im Durchschnitt ein Prozent, viel weniger als bei den Nachbarländern (siehe Chart von BCG).

Aktuell dürfte sich der geringe Zufluss wegen der Krise in einen Abfluss verwandelt haben. Die Autoren stellen heraus, dass Griechenland im Vergleich zu seinen Nachbarn über eine gute Infrastruktur verfügt (irgendwo müssen sich die Strukturfonds der EU ja auswirken). So könnte das Land zur südlichen Transportdrehscheibe Europas im internationalen Handel werden. Der Tourismus dürfte auf der anderen Seite stark profitieren, weil Ausländer das Land wegen seines niedrigen Wechselkurses attraktiv finden.

Mit der eigenen, abgewerteten Währung und entsprechenden Reformen wird das Land schnell für ausländische Direktinvestitionen interessant. Neben Transport-, und Tourismussektor dürfte auch der Landwirtschaftssektor Kapital anziehen.

Der Austritt Griechenlands aus der Eurozone ist „alternativlos“, um mal ein arg strapaziertes Wort zu benutzen.

Ob dann die Einrichtung einer Süd-Euro-Zone folgen sollte, in die neben Griechenland auch Italien, Spanien und Portugal kommen? Italien, Spanien und Portugal stehen unter demselben Deflationsdruck, deren Preisniveau hat bisher ebenfalls kaum reagiert. Auch hier findet munter Eurobond-ähnliche Finanzierung in Form von Taget2 statt. Die Bundesbank hat hieraus mittlerweile Forderungen von über 500 Mrd. Euro. Zu einem Prozent Zinsen. Und ohne die Möglichkeit, diese Kredite jemals zu kündigen.

Nach Sinn beträgt die deutsche Haftung für die Krisenländer aus den diversen Brüsseler Rettungsmaßnahmen mittlerweile 643 Mrd. Euro. Plus Zinsen für die Kredite. Die Bundesregierung behauptet immer noch, es seien lediglich 211 Mrd. Euro. Wenn die Länder-Rettung a la Griechenland so weiter geht, erreichen wir bald die Billionen-Grenze. Dass es bei der bloßen Haftung bleibt, glaubt sowieso schon niemand mehr.

Die 500 Mrd. Euro an Taget2-Krediten, die „einfach so“ ohne jede parlamentarische Mitwirkung zustande kamen, engen den Manövrierspielraum von Deutschland ein: Im Interesse der Rettung der alten Kredite könnte Deutschland immer eher bereit sein, neuen Rettungsaktionen zuzustimmen. Falls nicht, steigt der Target2-Saldo eben immer schneller.

Währenddessen müssen Italien, Spanien und Portugal erst einmal anfangen, zu deflationieren. Insbesondere Italien kann mit diesem Druck aufgrund der relativ hohen Produktivität der Wirtschaft zwar besser umgehen als z.B. Griechenland. Aber wahrscheinlich wird die Politik nach einer kurzen Phase der Konsolidierung wieder den einfacheren Weg der Transfer-Union beschreiten. Mag sein, dass dann wieder ein paar Wahlen gewonnen werden, die strukturellen Probleme werden aber nicht gelöst.

Wenn nicht schon vorher alles auseinanderfliegt, zahlt am Ende die „Nord-Euro-Gruppe“, bevor alles auseinanderfliegt…

Oder man bekommt rechtzeitig die Kurve zu einem „Süd-Euro“.

(17.2.12) Die neue Kolonie: Griechen, die Neger der Eurozone

Mit was für einem Tamtam wurde Europa aus der Taufe gehoben. „Vaterland der Vaterländer“, Träumereien von ewigem Wohlstand und Frieden usw. Die Realität sieht ein wenig anders aus. Griechenland wird zur Kolonie.

Im Vorfeld einer erneuten entscheidenden Sitzung in Brüssel am kommenden Montag (einer von so vielen mit so wenig Ergebnis), wird Griechenland mit immer mehr Bedingungen konfrontiert, die es erfüllen muss, um die nächsten Hilfszahlungen zu erhalten. Die Vereinbarung mit privaten Gäubigern über einen Schuldenschnitt scheint zwar unter Dach und Fach. Aber die Regierung muss bis Ende Februar auch noch ein 24-Punkte-Programm abarbeiten, das eine weitere Bedingung für das nächste Hilfspaket ist. Zudem soll ein „Sperrkonto“ eingerichtet werden, um Zinszahlungen für die neuen Anleihen abzusichern. Die Troika soll demnächst permanent in Athen vertreten sein. Weiter wird Druck ausgeübt, dass nach Neuwahlen eine große Koalition gebildet wird – wir haben ja schließlich eine Demokratie (in Griechenland) (und anderswo). Als „Gegenleistung“ sind weitere Zinssenkungen für laufende Kredite der Eurozone im Gespräch.

Der Schuldenstand der Athener Regierung ist per Ende 2011 auf 368 Mrd. Euro angewachsen, macht über 170% des BIP. Das BIP sank um 6,8 % auf 215 Mrd. Euro. Das bestätigt, was längst klar: Die für 2020 angepeilte Schuldenquote von 120% wird nicht erreicht werden können. Nach neuen Berechnungen der Troika kommt sie auf 128%. Daraus folgt, dass das neue Hilfsprogramm 136 Mrd. Euro groß sein muss, sagt sie. (Irgendwie lächerlich).

Eine(r) will sich davon machen: Die EZB versucht offenbar, mit einem Anleihetausch über das Wochenende Verluste durch eine Umschuldung griechischer Staatsanleihen zu vermeiden. Das berichtet die FAZ. Mit dem Bondtausch würde die EZB beim erwarteten Haircut in GR außen vorbleiben. Zur Begründung wird angeführt, dass sie sich ansonsten dem Vorwurf aussetzt, verbotene Staatsfinanzierung zu betreiben. (So kann man das auch sehen…). Die neuen Anleihen sollen zwar dieselben Bedingungen haben wie die alten, sie wären aufgrund des Ausgabedatums aber nicht Teil des Haircuts. Die EZB hält griechische Staatsanleihen mit einem Nennwert von 50 bis 55 Mrd. Euro, die sie seit Mai 2010 zu deutlich niedrigeren Kursen gekauft hat (gekauft zu etwa 40 Mrd. Euro).

Der Schuldenschnitt, der 100 Mrd. Euro bringen soll, wird dem Vernehmen nach über rückwirkende gemeinsame Umschuldungsklauseln (retroactive collective action clauses) erfolgen. Sie gelten für alle Gläubiger, wenn eine Mehrheit dafür stimmt. Die EZB ist zwar größter Einzelgläubiger der Griechen, verfügt aber über keine ausreichende Stimmen-Mehrheit. (Siehe auch hier!)

Die Süddeutsche Zeitung berichtet von Dissens zwischen Merkel und Schäuble. Schäuble will angeblich den Bankrott Griechenlands innerhalb der Eurozone, Merkel ist dagegen, weil sie Ansteckung von Italien und Spanien befürchtet. (Heute trifft sie nicht ganz zufällig mit Monti zusammen). Finnland und Österreich schlagen sich auf die Seite von Schäuble, die Niederlande und Luxemburg tendieren sogar zum Rausschmiss von Griechenland aus der Eurozone. Beobachter sagen, die deutsche Haltung gebe zwar vor, Griechenland eine kleine Chance einzuräumen, in der Eurozone zu bleiben, insgeheim bereit man aber den Rausschmiss vor.

Lorenzo Bini-Smaghi, der am lautesten vor einem Haircut in Griechenland gewarnt hatte, sagte, ein Exit Griechenlands werde katastrophale Folgen haben. Er schreibt in der FT: „Griechenland leidet nicht unter Zahlungsbilanzproblem, das mit finanziellen Instrumenten behebbar ist. Es hat ein größeres strukturelles Problem, das nur durch eine Kombination von makroökonomischen, strukturellen und sozialen Maßnahmen gelöst werden kann. Es benötigt darüber hinaus über die nächsten zehn Jahre technische Hilfe (…) Gebraucht wird mehr ein Programm, wie es der IWF für Entwicklungsländer betreibt (…) mit langfristiger Finanzierung zu vertretbaren Bedingungen (…)“

Der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff bezweifelt, dass die europäischen Hilfsprogramme die erhoffte Wende bringen werden. „Um Griechenland wettbewerbsfähig zu machen, müssten die Löhne um die Hälfte sinken", sagte er dem „Der Spiegel". Je länger die Wirtschaft schrumpfe, desto größer werde der Druck auf die Politik, dem Schrecken ein Ende zu bereiten. Er empfiehlt der Regierung in Athen, die Währungsunion für einige Jahre zu verlassen. Um den Euro zu retten, soll gleichzeitig aus der Währungszone rasch eine politische Union geformt werden mit Zentralregierung, inklusive eines Finanzministers.

Übergangs-Ministerpräsident Papademos stellt demgegenüber in Aussicht: „Wenn wir das Programm umsetzen, können wir erwarten, dass es ab 2013 zu einer wirtschaftlichen Erholung und Wachstumsraten zwischen 2,5 und 3 Prozent in den Jahren 2014 und 2015 kommt.“

Man kann es drehen und wenden wie man will: Es ist aussichtslos, bei dem mittlerweile erreichten Grad der wirtschaftlichen Schrumpfung in Griechenland auch noch Staatsschulden zu reduzieren. Das Land war immer schon wirtschaftlich unterentwickelt im Vergleich zum Rest der Eurozone (sogar zu Portugal), das Schneeballsystem der Finanzierung des Landes musste scheitern und ist gescheitert. Eine Chance hätte das Land nur, wenn alle Schulden auf Null gestellt werden und das Land die Eurozone verlässt. Und selbst wenn es die Eurozone verlässt, braucht es noch viele Jahre finanzielle Hilfe, um eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen. Wie Smaghi richtig bemerkte…

Das Beispiel Griechenlands ist Hinweis darauf, dass das Europa, von dem die sogenannten Väter des „Vaterlands der Väterländer“ geträumt haben, untergeht. Die bürokratische Verteilung von den reichen Nationen über Strukturfonds auf die armen Länder hat das Gegenteil von wirtschaftlicher Angleichung gebracht. Die reichen Länder sind dabei noch reicher geworden (bzw. ihre Großbanken), das in die schwachen Länder geflossene Kapital hat zu dramatischen Fehlallokationen geführt und korrupte Strukturen gefestigt. Die neoliberale Wirtschaftsreligion ist auch hier gescheitert, reißt mit ihrem Scheitern alles mit. (Siehe auch:Eurozone – von Anfang an daneben)

Wir könnten es dabei bewenden lassen, wenn die Hauptprofiteure an dem Europa, so wie wir es bisher kennen gelernt haben, die Zeche zahlen – schließlich war es ihr Geschäft. Aber die Großbanken haben sich rechtzeitig so „unentbehrlich“ gemacht, dass die Staaten ihrem „Hilfeersuchen“ gerne nachkommen. Auch dabei könnten wir es noch bewenden lassen. Aber leider sind „wir“ der Staat. Und „wir“ haben dieser Politik nichts entgegengesetzt, vielleicht, weil wir nicht konnten…

Die Lehren der Weimarer Republik sind auf heute übertragbar. Nach Ende des ersten Weltkriegs wurde sie ausgezehrt, musste sparen, um Reparationsleistungen bedienen zu können. Je weniger Hoffnung bestand, diesem Zustand entkommen zu können, je stärker gewannen radikale Kräfte an Zulauf. Wie es nach 1933 weiterging, wissen wir, und es sieht durchaus so aus (wenn es noch in der Frühphase), dass das, was mit Griechenland geschieht, radikalen Kräften nicht nur in diesem Land Auftrieb gibt.

Für den Anleger: Die „Griechenland-Kiste“ bleibt hochriskant. Nach der Reaktion der Finanzmärkte zu urteilen, scheint die Katastrophe abgewendet. Aktien steigen munter weiter, Rohstoffe verteuern sich. Ich würde nicht darauf wetten, dass alles so harmlos bleibt, wie es aussieht.

Sparen in Griechenland
Medizinische Versorgung: Im Gesundheitswesen sollen über 1,1 Mrd. Euro eingespart werden.
Verteidigungshaushalt: Im Militäretat soll um 600 Mrd. Euro reduziert werden.
Alterversorgung: Die Renten sollen um 15% gekürzt werden.
Öffentlicher Dienst: Bis 2015 sollen 150.000 Stellen gestrichen werden, überflüssige Beörden sollen abgeschafft werden.
Löhne: Der Mindestlohn (751 Euro) soll um 25% reduziert werden, bei unter 25-jährigen sogar um 32%. "Geschlossene Berufe" vom Fremdenführer bis zum Optiker sollen dereguliert werden.
Steuern: Das Steuersystem soll vereinfacht werden. Dadurch will man der Steuerhinterziehung besser beikommen.

(14.2.12) Miese Spiele am Olymp

Da kommt Griechenland mit gefälschten Zahlen in die Eurozone. Tatkräftig mitgeholfen hat eine gewisse Investmentbank. Dann schüttet die EU ihr Füllhorn aus über dem Land. Von den für den Ausbau der Infrastruktur gedachten Mitteln kommt nur das allernötigste auch dort an. Das ist nur folgerichtig bei einer Politikerkaste, die in Jahrzehnten autoritärer Herrschaft gelernt hat. Um die Vasallen zu versorgen, wird der Staatsapparat aufgebläht. Der einheitliche Euro, die einheitliche Geldpolitik tun ein Übriges, um die Entwicklung aus dem Ruder laufen zu lassen. Eine Kreditblase entsteht, das Land bleibt wirtschaftlich rückständig. Die Schattenwirtschaft blüht.

Angeblich merkt niemand in der riesigen Politbürokratie in Brüssel, was sich da zusammenbraut. Schließlich stellt sich im Mai 2010 heraus: Griechenland ist zahlungsunfähig. Milliarden an Hilfszahlungen werden mobilisiert, die griechische Regierung kommt den (am Anfang noch) sinnvollen Sparauflagen nicht (kaum) nach. Es gehört zu dem makabren Szenario eines stinkenden, verfaulten Staatsapparats, dass sogar Tote weiter Rente erhalten haben.

Jetzt verordnet die Troika ein Spardiktat, das zwar richtige Punkte adressiert. Aber konstruktive Elemente, die der griechischen Wirtschaft auf die Beine helfen, sind nicht vorgesehen. Dass das schief geht, kann sich jeder ausrechnen.

Die griechischen Regierungen konnten sich bisher sicher sein, dass sie die Trümpfe in der Hand hielten, indem sie erpresserisch das Gespenst der Staatspleite an die Wand malten. Zum Erpressen gehören immer zwei: Die politische Führung der Eurozone hat sich durch permanente Unfähigkeit erpressbar gemacht.

Das griechische Kapital ist längst über alle Berge und wenn es nicht in Schweizer Tresoren verschimmelt, wird es z.B. in Londoner Immobilien angelegt. Der griechische Staat kann bis heute Steuerschulden im Volumen von mindestens 40 Mrd. Euro nicht eintreiben, sagt er.

Ausbaden muss die Misere die griechische Bevölkerung. Die in Athen brennenden Häuser können nichts dafür. Diejenigen, die etwas dafür können, bleiben bisher unbehelligt. Und die sitzen überall in Europa, auch in Griechenland.

Das Spardiktat von Eurozone, IWF und EZB ist darauf angelegt, dass Griechenland fällt. Es soll den Boden bereiten dafür, das Land vollständig unter Brüsseler Kontrolle zu stellen. Dazu wird u.a. auch ein Sperrkonto diskutiert, von dem aus Anleihegläubiger künftig fällige Zinszahlungen erhalten.

Im April sind Neuwahlen, es gilt als sicher, dass der Führer der „Neuen Demokratie“ Regierungschef wird. Der hat schon angekündigt, dass er neu verhandeln will. Angeblich war er auch schon in Moskau, um nachzuhören, was er von dort an Unterstützung erwarten kann.

Am 20. März müssen Altschulden in Höhe von 14,5 Mrd. Euro getilgt werden. Am 18. Mai ist der nächste Fälligkeitstermin für griechische Staatsanleihen im Volumen von gut 8 Mrd. Euro.

In spätestens drei Monaten stellt sich dieselbe Frage wie heute: Soll Griechenland innerhalb oder außerhalb der Eurozone pleite gehen? Und eventuell kommen weitere hinzu: Marschiert dann der Sparkommissar ein in Athen? Wer bekämpft die absehbaren Tumulte? Eine Brüsseler Friedenstruppe?

 

Aktuell:
(9.3.12) Nach Angaben des griechischen Finanzministeriums haben private Gläubiger bei Papieren nach griechischem Recht im Volumen von 177 Mrd. Euro für den Schuldenschnitt gestimmt (85,8%). Bei den übrigen beträgt die Beteiligungsquote 69%. GR will nun alle Gläubiger mit Anleihen nach griechischem Recht zum Umtausch zwingen. Dazu müssen die CACs aktiviert werden. Zusammen mit den anderen Anleihen würde die Beteiligung am Schuldenschnitt dann insgesamt bei 95,7% liegen (197 von insgesamt 206 Mrd. Euro Anleihevolumen in der Hand privater Gläubiger). Die Frist für die Beteiligung von Anleihegläubigern nach ausländischem Recht bis zum 23. März verlängert werden.

Die Entscheidung darüber, ob durch den vollzogenen Schuldenschnitt CDS getriggert werden, trifft der Derivateverband International Swaps and Derivatives Association (ISDA), eine Organisation der Banken. Das wurde am Abend auch so beschlossen. Es wird geschätzt, dass CDS im Umfang von saldiert rund 3 Mrd. Euro "unterwegs" sind. Unsaldiert liegt das Volumen gut 20 mal so hoch, wird geschätzt.

(23.3.12) Hier (FAZ) finden sie neue Informationen zum Stand der Hedgefonds-Aktivitäten in Bezug auf Griechenland.

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