Die neue Kolonie: Griechen, die Neger der Eurozone

Mit was für einem Tamtam wurde Europa aus der Taufe gehoben. „Vaterland der Vaterländer“, Träumereien von ewigem Wohlstand und Frieden usw. Die Realität sieht ein wenig anders aus. Griechenland wird zur Kolonie.

Im Vorfeld einer erneuten entscheidenden Sitzung in Brüssel am kommenden Montag (einer von so vielen mit so wenig Ergebnis), wird Griechenland mit immer mehr Bedingungen konfrontiert, die es erfüllen muss, um die nächsten Hilfszahlungen zu erhalten. Die Vereinbarung mit privaten Gäubigern über einen Schuldenschnitt scheint zwar unter Dach und Fach. Aber die Regierung muss bis Ende Februar auch noch ein 24-Punkte-Programm abarbeiten, das eine weitere Bedingung für das nächste Hilfspaket ist. Zudem soll ein „Sperrkonto“ eingerichtet werden, um Zinszahlungen für die neuen Anleihen abzusichern. Die Troika soll demnächst permanent in Athen vertreten sein. Weiter wird Druck ausgeübt, dass nach Neuwahlen eine große Koalition gebildet wird – wir haben ja schließlich eine Demokratie (in Griechenland) (und anderswo). Als „Gegenleistung“ sind weitere Zinssenkungen für laufende Kredite der Eurozone im Gespräch.

Der Schuldenstand der Athener Regierung ist per Ende 2011 auf 368 Mrd. Euro angewachsen, macht über 170% des BIP. Das BIP sank um 6,8 % auf 215 Mrd. Euro. Das bestätigt, was längst klar: Die für 2020 angepeilte Schuldenquote von 120% wird nicht erreicht werden können. Nach neuen Berechnungen der Troika kommt sie auf 128%. Daraus folgt, dass das neue Hilfsprogramm 136 Mrd. Euro groß sein muss, sagt sie. (Irgendwie lächerlich).

Eine(r) will sich davon machen: Die EZB versucht offenbar, mit einem Anleihetausch über das Wochenende Verluste durch eine Umschuldung griechischer Staatsanleihen zu vermeiden. Das berichtet die FAZ. Mit dem Bondtausch würde die EZB beim erwarteten Haircut in GR außen vorbleiben. Zur Begründung wird angeführt, dass sie sich ansonsten dem Vorwurf aussetzt, verbotene Staatsfinanzierung zu betreiben. (So kann man das auch sehen…). Die neuen Anleihen sollen zwar dieselben Bedingungen haben wie die alten, sie wären aufgrund des Ausgabedatums aber nicht Teil des Haircuts. Die EZB hält griechische Staatsanleihen mit einem Nennwert von 50 bis 55 Mrd. Euro, die sie seit Mai 2010 zu deutlich niedrigeren Kursen gekauft hat (gekauft zu etwa 40 Mrd. Euro).

Der Schuldenschnitt, der 100 Mrd. Euro bringen soll, wird dem Vernehmen nach über rückwirkende gemeinsame Umschuldungsklauseln (retroactive collective action clauses) erfolgen. Sie gelten für alle Gläubiger, wenn eine Mehrheit dafür stimmt. Die EZB ist zwar größter Einzelgläubiger der Griechen, verfügt aber über keine ausreichende Stimmen-Mehrheit. (Siehe auch hier!)

Die Süddeutsche Zeitung berichtet von Dissens zwischen Merkel und Schäuble. Schäuble will angeblich den Bankrott Griechenlands innerhalb der Eurozone, Merkel ist dagegen, weil sie Ansteckung von Italien und Spanien befürchtet. (Heute trifft sie nicht ganz zufällig mit Monti zusammen). Finnland und Österreich schlagen sich auf die Seite von Schäuble, die Niederlande und Luxemburg tendieren sogar zum Rausschmiss von Griechenland aus der Eurozone. Beobachter sagen, die deutsche Haltung gebe zwar vor, Griechenland eine kleine Chance einzuräumen, in der Eurozone zu bleiben, insgeheim bereit man aber den Rausschmiss vor.

Lorenzo Bini-Smaghi, der am lautesten vor einem Haircut in Griechenland gewarnt hatte, sagte, ein Exit Griechenlands werde katastrophale Folgen haben. Er schreibt in der FT: „Griechenland leidet nicht unter Zahlungsbilanzproblem, das mit finanziellen Instrumenten behebbar ist. Es hat ein größeres strukturelles Problem, das nur durch eine Kombination von makroökonomischen, strukturellen und sozialen Maßnahmen gelöst werden kann. Es benötigt darüber hinaus über die nächsten zehn Jahre technische Hilfe (…) Gebraucht wird mehr ein Programm, wie es der IWF für Entwicklungsländer betreibt (…) mit langfristiger Finanzierung zu vertretbaren Bedingungen (…)“

Der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff bezweifelt, dass die europäischen Hilfsprogramme die erhoffte Wende bringen werden. „Um Griechenland wettbewerbsfähig zu machen, müssten die Löhne um die Hälfte sinken", sagte er dem „Der Spiegel". Je länger die Wirtschaft schrumpfe, desto größer werde der Druck auf die Politik, dem Schrecken ein Ende zu bereiten. Er empfiehlt der Regierung in Athen, die Währungsunion für einige Jahre zu verlassen. Um den Euro zu retten, soll gleichzeitig aus der Währungszone rasch eine politische Union geformt werden mit Zentralregierung, inklusive eines Finanzministers.

Übergangs-Ministerpräsident Papademos stellt demgegenüber in Aussicht: „Wenn wir das Programm umsetzen, können wir erwarten, dass es ab 2013 zu einer wirtschaftlichen Erholung und Wachstumsraten zwischen 2,5 und 3 Prozent in den Jahren 2014 und 2015 kommt.“

Man kann es drehen und wenden wie man will: Es ist aussichtslos, bei dem mittlerweile erreichten Grad der wirtschaftlichen Schrumpfung in Griechenland auch noch Staatsschulden zu reduzieren. Das Land war immer schon wirtschaftlich unterentwickelt im Vergleich zum Rest der Eurozone (sogar zu Portugal), das Schneeballsystem der Finanzierung des Landes musste scheitern und ist gescheitert. Eine Chance hätte das Land nur, wenn alle Schulden auf Null gestellt werden und das Land die Eurozone verlässt. Und selbst wenn es die Eurozone verlässt, braucht es noch viele Jahre finanzielle Hilfe, um eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen. Wie Smaghi richtig bemerkte…

Das Beispiel Griechenlands ist Hinweis darauf, dass das Europa, von dem die sogenannten Väter des „Vaterlands der Väterländer“ geträumt haben, untergeht. Die bürokratische Verteilung von den reichen Nationen über Strukturfonds auf die armen Länder hat das Gegenteil von wirtschaftlicher Angleichung gebracht. Die reichen Länder sind dabei noch reicher geworden (bzw. ihre Großbanken), das in die schwachen Länder geflossene Kapital hat zu dramatischen Fehlallokationen geführt und korrupte Strukturen gefestigt. Die neoliberale Wirtschaftsreligion ist auch hier gescheitert, reißt mit ihrem Scheitern alles mit. (Siehe auch:Eurozone – von Anfang an daneben)

Wir könnten es dabei bewenden lassen, wenn die Hauptprofiteure an dem Europa, so wie wir es bisher kennen gelernt haben, die Zeche zahlen – schließlich war es ihr Geschäft. Aber die Großbanken haben sich rechtzeitig so „unentbehrlich“ gemacht, dass die Staaten ihrem „Hilfeersuchen“ gerne nachkommen. Auch dabei könnten wir es noch bewenden lassen. Aber leider sind „wir“ der Staat. Und „wir“ haben dieser Politik nichts entgegengesetzt, vielleicht, weil wir nicht konnten… (Siehe auch: Miese Spiele am Olymp)

Die Lehren der Weimarer Republik sind auf heute übertragbar. Nach Ende des ersten Weltkriegs wurde sie ausgezehrt, musste sparen, um Reparationsleistungen bedienen zu können. Je weniger Hoffnung bestand, diesem Zustand entkommen zu können, je stärker gewannen radikale Kräfte an Zulauf. Wie es nach 1933 weiterging, wissen wir, und es sieht durchaus so aus (wenn es noch in der Frühphase), dass das, was mit Griechenland geschieht, radikalen Kräften nicht nur in diesem Land Auftrieb gibt.

Für den Anleger: Die „Griechenland-Kiste“ bleibt hochriskant. Nach der Reaktion der Finanzmärkte zu urteilen, scheint die Katastrophe abgewendet. Aktien steigen munter weiter, Rohstoffe verteuern sich. Ich würde nicht darauf wetten, dass alles so harmlos bleibt, wie es aussieht.

Sparen in Griechenland: Medizinische Versorgung

Im Gesundheitswesen sollen über 1,1 Mrd. Euro eingespart werden.

Sparen in Griechenland: Verteidigungshaushalt

Im Militäretat soll um 600 Mrd. Euro reduziert werden.

Sparen in Griechenland: Alterversorgung

Die Renten sollen um 15% gekürzt werden.

Sparen in Griechenland: Öffentlicher Dienst

Bis 2015 sollen 150.000 Stellen gestrichen werden, überflüssige Beörden sollen abgeschafft werden.

Sparen in Griechenland: Löhne

Der Mindestlohn (751 Euro) soll um 25% reduziert werden, bei unter 25-jährigen sogar um 32%. "Geschlossene Berufe" vom Fremdenführer bis zum Optiker sollen dereguliert werden.

Sparen in Griechenland: Steuern

Das Steuersystem soll vereinfacht werden. Dadurch will man der Steuerhinterziehung besser beikommen.



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