Das Inflationsziel der Fed – bald neues QE-Programm?

Die erste Vorabschätzung der US-BIP für das vierte Quartal 2011 kam am zurückliegenden Freitag mit annualisiert plus 2,8% schwächer als mit plus 3,1% erwartet herein. Im Vorquartal waren 1,8% Zuwachs ermittelt worden. Im Jahresvergleich stieg das BIP um 1,6% nach plus 1,5% im Vorquartal.

Die gute Nachricht: Die US-Wirtschaft erzielte die höchste Steigerungsrate seit eineinhalb Jahren. Die schlechte: Betrachtet man die Struktur der Zahlen hinter der „Zuwachs-Fassade“, ergibt sich ein weniger günstiges Bild.

Der Lager-Aufbau erbrachte allein einen Wachstumsbeitrag von 1,94%. Er lässt darauf schließen, dass die US-Unternehmen mit einer stärkeren Nachfrage gerechnet hatten. Der private Verbrauch (PCE) wuchs nur relativ verhalten um 2% nach 1,7% im dritten Quartal. Der BIP-Deflator ging scharf auf plus 0,4% zurück, Analysten hatten einen Anstieg von 1,5% erwartet, nachdem er im dritten Quartal noch bei plus 2,6% gelegen hatte. Die Staatsausgaben belasteten mit minus 4,6% nach minus 0,1% im Vorquartal.

Die Fed hat in der zurückliegenden Woche zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein Inflationsziel festgelegt. Es liegt bei 2% und damit auf der Höhe der Ziele anderer Zentralbanken. Das der EZB z.B. liegt „unterhalb, aber nahe an 2%“. Die Fed begründet dieses Vorgehen damit, der Erwartungshaltung der “Märkte” einen Anker zu bieten. Ihr Schwenk dürfte auch unterstreichen, dass die Preisentwicklung für sie das wichtigste Merkmal bei Festlegung ihrer Geldpolitik darstellt. Dabei achtet die Fed aktuell hauptsächlich auf den PCE-Preis-Index (PCEPI), jedoch bereinigt um Nahrungsmittel und Energie. Dieser Kern-PCE-Preis-Index ist im vierten Quartal 2011 um magere 0,3% im Quartalsvergleich und im Jahresvergleich um 1,7% gestiegen.

Im Klartext: Die Fed möchte diese, ihre zwei Prozent auch sehen und wird im Zweifelsfall per geldpolitischer Lockerung “nachzuhelfen” versuchen. Je schwächer sich die US-Konjunktur in der nächsten Zeit entwickelt, je eher wird die Fed die Liquiditäts-Hähne weiter aufdrehen.

Gold hat die Botschaft sofort verstanden und übersprang unmittelbar nach Bekanntgabe der Fed-Entscheidung eine wichtige Zone und kennt seitdem kein Halten mehr.

Die Fed hat ihre Projektionen gegenüber November weiter zurückgenommen. Das BIP soll in 2012 jetzt zwischen 2,2 und 2,7% wachsen, die avisierte „PCE-Inflation“ liegt bei 1,4 bis 1,8%, erst 2013 könnte sie bis zwei Prozent gehen.

Nimmt man hinzu, dass der die BIP-Entwicklung im vierten Quartal stützende Lager-Aufbau zugleich Schatten auf die Entwicklung des oder der nächsten Quartale wirft, liegen geldpolitische Lockerungsübungen tatsächlich nicht so weit weg. Die Auswertung einiger Merkmale der US-Zinsstruktur stützt diese Annahme ebenfalls. Mancher Beobachter erwartet ein neues QE-Programm, dann QE3 oder ähnliches schon für März.

Ich hatte am zurückliegenden Wochenende unter dem Titel „Aufschwung 2012?“ anhand der Analyse von Hausbausektor und Konsumenten-Verfassung überlegt, wie es um den Fortgang der wirtschaftlichen Erholung nach dem Crack-up Boom nach Herbst 2008 bestellt ist. Ich war zu dem Schluss gekommen, dass mit einer Fortdauer der moderaten wirtschaftlichen Erholung zu rechnen ist. Da die Wachstumsrate aber hinter der früherer nach-Rezessions-Phasen zurückbleibt, ist das ist vor dem Hintergrund einer weiterhin hohen Gesamtwirtschuldung der Wirtschaft keine günstige Nachricht. Das führt die Notwendigkeit weiterer staatlicher Sparmaßnahmen auch in den USA vor, was das BIP-Wachstum weiter dämpft.

Vervollständigen wir das Makrodaten-Puzzle weiter: Ein Blick auf die US-Preisindices zeigt, dass sich der Produzentenpreisindex PPI sich seit einigen Monaten schwächer entwickelt als sein konsumseitiges Pendant CPI. Die gelbe Linie im Chart zeigt die abnehmende Differenz der jährlichen Zuwachsraten der beiden Indices. Die liegt beim CPI bei knapp 3%, beim PPI bei 4,8 Prozent. Das Verhältnis beider fällt seit der zweiten Hälfte 2002, aktuell zeigt sich im Verlauf Tempoverlust (siehe Chart!).

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Liegt die Steigerungsrate des CPI über der des PPI, kann daraus geschlossen werden, dass die Preisentwicklung von der Konsumseite getrieben ist und damit auf ausreichend kaufkräftige Nachfrage verweist. In dieser Hinsicht ist die aktuelle Preisentwicklung nicht als „gesund“ einzustufen. Eine nicht-konsumgetriebene Preisentwicklung signalisiert mangelnde Marktmacht der Unternehmen auf den Endmärkten und damit auch ungünstige Bedingungen für die Gewinnentwicklung.

Einen weiteren Hinweis auf die Gewinnentwicklung liefert das Verhältnis zwischen dem Preisindex der Fertigprodukte, also dem PPI und dem Preisindex für Rohmaterial (CRM: Crude Materials). Dieses Verhältnis steigt seit April 2009 beständig an und notiert seit April 2011 bei 1,3 (siehe Chart!). Das ist offenbar eine kritische Grenze, wie die Entwicklung der zurückliegenden mindestens vier Dekaden zeigt. Ein steigendes Verhältnis zeigt einen zugunsten der Rohstoffanbieter enger werdenden Gewinn-Spielraum für die normalen Fertigungsbetriebe.

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Die sich verschlechternde Situation bei der Entwicklung der Unternehmen wird in der aktuellen Quartalssaison auch deutlich an der sogenannten „Beat-Rate“. Darunter wird der Anteil der Unternehmen verstanden, die besser als erwartete Zahlen melden. Bis zum Wochenende haben fast 200 S&P 500 Unternehmen Zahlen gemeldet, 59% haben die Erwartungen schlagen können. Als historische Referenz gilt 70%. Damit legt dieser Indikator eine unterdurchschnittliche Gewinnentwicklung nahe. Ein endgültiges Urteil ist aber erst Mitte Februar möglich, wenn die Mehrheit der Unternehmen berichtet haben.

In der folgenden Woche wird das Makro-Puzzle durch weitere Bausteine vervollständigt. So gibt es am Dienstag den Case-/Shiller-Hauspreisindex mit Daten bis November, sowie am Freitag den US-Arbeitsmarktbericht für Januar.

Da die „Märkte“ die Botschaft der Fed von den geldpolitischen Lockerungsübungen gerne hören, könnten Makrodaten nun „invers“ interpretiert werden: Fallen sie besser aus als gedacht, verringert sich dadurch die Hoffnung auf schnelle Liquiditätsflut, enttäuschende Daten hingegen würden sie eher früher als später erwarten lassen. Und mit der Aussicht auf baldige Liquidität steigen, bzw. fallen die Kurse.

So ganz einfach wird es dennoch nicht ablaufen. Das Aktien-Segment ist mittlerweile krass überkauft (siehe Chart!).

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Möglich, dass Rücksetzer von zu spät Gekommenen als Einstiegsgelegenheit gesehen werden. Allerdings ist das Maß der Überkauftheit mittlerweile so hoch wie seit dem offenen Ausbruch der Finanzkrise nicht mehr. Damit ist die Rückschlagsgefahr jetzt groß. Ein Rückzug im S&P 500 bis 1250, wenn nicht 1220, sollte einkalkuliert werden, entsprechend 6200, bzw. 6000 im DAX.

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