EZB senkt Leitzins, enttäuscht hoch fliegende Erwartungen

Die EZB senkt heute den Leitzins um 0,25 auf 1%, und damit auf das Krisentief. Der Zinsschnitt ist der zweite in der Amtszeit von EZB-Präsident Draghi, der seit 1. November auf dem Chefsessel der europäischen Zentralbank sitzt.

Der Schritt war weithin erwartet worden. Euro/Dollar reagierte dennoch verhalten positiv. Noch stärker allerdings reagierte das Währungspaar zusammen mit den US-Aktien-Futures nach oben, als um 14:30 auch die Zahl der Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe gemeldet wurde. Sie fiel deutlich tiefer aus erwartet, noch dazu wurde die Schwelle bei 400.000 klar unterschritten.

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Doch das hielt nicht lange, auch der DAX konnte sich nicht lange über den wichtigen Pegel bei rund 6020 aufschwingen. Denn auf der zeitgleich begonnenen Pressekonferenz der EZB wurden diejenigen enttäuscht, die sich „starke“ Aussagen erhofft hatten, wie die EZB künftig zur Lösung der Euro-Schuldenkrise beitragen werde. Insbesondere gab es auch keine, von manchem erwartete Andeutung über die Ausweitung des Bondmüll-Programms SMP ("S_onderM_üllP_rogramm"). Zudem sagte Draghi, das Verleihen von Geld an den IWF entspreche nicht den EU-Verträgen, womit er Hoffnungen auf eine stärkere Rolle des IWF bei der Lösung der Euro-Krise dämpfte.

Neben der Leitzinssenkung wegen der Wahrscheinlichkeit einer milden Rezession verkündete Draghi, dass sich die Banken bis zu einer Laufzeit von drei Jahren Geld in unbegrenzter Höhe bei der EZB leihen können. Der Zinssatz soll fest sein und sich am Leitzins orientieren. Bislang stellt die EZB Liquidität für maximal ein Jahr zur Verfügung. Zudem müssen die Banken geringere Sicherheiten hinterlegen, was höhere Kreditvolumina ermöglicht. Auch mit diesen Schritt hatten viele gerechnet.

Als Grund wird das Misstrauen der Banken untereinander angegeben. Die Liquiditätsquelle „Interbankenmarkt“ ist nahezu versiegt, die Institute horten ihr Geld wegen der Schuldenkrise, anstatt es zu verleihen. Das war auch als Grund für die konzertierte Aktion von vergangener Woche angegeben worden, als die großen Notenbanken der Welt beschlossen, bis 2013 Dollar-Liquidität in unbegrenzter Höhe zu verleihen.

Draghi holt der Eurozonen-Politik die Kohlen nicht aus dem Feuer. Das ist wohl die Botschaft des Tages. Damit steigt die Unsicherheit vor dem EU-Gipfel an.

Euro/CHF spiegelt das wider (Chart von Ariva). Mit Beginn der EZB-Pressekonferenz erstarkt der Schweizer Franken gegen Euro. Sicherheitshalber werden ein paar Euro in die Schweiz geschafft.

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Der Dollar-Index zeigt einen deutlichen "safe heaven"-Reflex, nachdem er vor 14:30 (8:30 EST) unter die wichtige Marke ~78,40 gesunken war.

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