Warten auf etwas „Großes“

Die „Märkte“ haben (schon lange) kein Vertrauen mehr in die europäische Politik, hinsichtlich der US-Politik sieht es nicht viel anders aus. Seit Mitte dieser Woche scheinen sie auch keines mehr in die Fed zu haben.

Die Fed hatte am Mittwoch im Kommunique ihrer FOMC-Sitzung von “significant downside risks” gesprochen (siehe hier!). Gleichzeitig sagte sie, die Konjunktur werde sich wahrscheinlich schnell weiter erholen. Angesichts dieser widersprüchlichen bis negativen Aussichten – sie hatte bisher nur von „downside risks“ (ohne „significant“) gesprochen – empfanden die großen Marktakteure die beschlossenen (und erwarteten) Maßnahmen wohl als Tropfen auf den heißen Stein.

In der Tat – die „Operation Twist“ ist zunächst auf ein Volumen von 400 Mrd. Dollar bis Juni 2012 veranschlagt. Das nimmt sich bescheiden aus gegen die Summe von über 1 Bill. Dollar, die zuvor in QE-Programme geflossen ist. Zumal der „Twist“ von der Geldmengenwirkung her neutral ist, es werden lediglich Fristen verlagert. Die Bilanzsumme der Fed soll durch „Twist“ nicht über den jetzt erreichten Wert von 2,85 Bill. Dollar hinaus steigen.

Die „Märkte“ reagierten noch am Mittwochabend mit heftigen Abschlägen, die sich am Folgetag mit vermehrter Dynamik fortsetzten. Der Dollar-Index stieg deutlich an und zeigt, dass der Greenback beschleunigt heimgeholt wurde. TBonds wurden gekauft, als gebe es morgen keine mehr. Die langfristigen Zinsen haben ein neues historisches Tief markiert.

Der IWF hatte am Tage vor dem Fed-Beschluss in seinem „global financial stability report“ ein düsteres Bild von der Weltkonjunktur gezeichnet und insbesondere auch auf den Umstand hingewiesen, dass die Banken besonders in Europa, aber auch anderswo rekapitalisiert werden müssen. Die Verfassung der Staatsfinanzen allerdings lässt dazu wenig Spielraum.

Die Fed torpediert mit „Twist“ die Bank-Margen. Das traditionelle Bank-Geschäft besteht darin, zu kurzfristigen Zinsen zu leihen und zu langfristigen zu verleihen. Mit „Twist“ wird ihre ohnehin schon schwache Stellung noch verschlechtert.

Insgesamt also eine Situation, die sehr an die Tage nach der Lehman-Pleite im September 2008 erinnert. Damals hatten die „Märkte“ das Vertrauen in die Allmacht der Fed verloren und mit dem Crash des Herbstes 2008 reagiert.

Auch wenn Fed-Chef Bernanke die meiste Zeit seines Berufslebens an der Universität mit Studien über die Zeit nach 1929 verbracht hat, so dürften er und seine Mannen von der Marktreaktion auf das FOMC-Kommuniqué mit der „müden“ Antwort auf die allgegenwärtigen Probleme nicht sonderlich überrascht sein.

Wenn also keine taktische Fehleinschätzung vorliegt, was steckt dahinter? Entweder schätzt die Fed die Lage so ein, dass momentan Abwarten und Pulver trocken halten besser ist als gegen eine Entwicklung angehen, die sich zunächst „austoben“ muss. Oder sie hat etwas „in peto“, dem sie nicht vorgreifen will. Was könnte das sein? Vielleicht wird hinter den Kulissen an einer globalen, konzertierten Aktion gearbeitet. Vielleicht ein “Haircut” bei Schuldenstaaten (Griechenland, auch Italien usw.) mit Rekapitalisierung, bzw. Verstaatlichung strauchelnder Banken?

Dazu passt, dass heute Weltbank und IWF zu ihrer Jahrestagung zusammenkommen. Die G20 hatten auf ihrer gestrigen Sitzung schon gesagt: „Wir verpflichten uns, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Stabilität des Bankensystems und der Finanzmärkte wie erforderlich zu gewährleisten.“ Die Zentralbanken seien bereit, die Finanzinstitute mit der nötigen Liquidität zu versorgen. Die Regierungen der G20 würden sicherstellen, dass die Banken über genügend Kapital verfügen. Details wurden nicht veröffentlicht. Es verlautete lediglich, die Mitglieder der Euro-Zone seien übereingekommen, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Flexibilität des EFSF zu vergrößern. Das ist nicht besonders neu.

Dieses Wochenende ist jedenfalls geradezu prädestiniert dazu, dass irgendetwas „Großes“ in die Welt gesetzt wird.

Der S&P 500 hatte zu Beginn der Woche nochmals kurz an 1220 angeklopft. Diese Marke scheint sich als Obergrenze einer Seitwärtsrange zu bestätigen, deren Mitte bei 1120 gestern erreicht wurde. Unter 1100 wird es wahrscheinlich in Windeseile bis zur Untergrenze bei rund 1020 gehen. Der Index hat gestern wieder das Niveau von Anfang August erreicht, intraday tauchte er darunter, er schloss aber über 1120 (siehe Chart!). Beim DAX verlaufen kritische Pegel bei rund 5190 und 5040. Letztere wurde heute kurzzeitig unterboten wurde. Darunter ist die Kellertür bis 4570 offen.

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Der VIX notiert über seinem gegenwärtigen „Panikpegel“ bei 36,50. Die gestrige Tageskerze, kleiner Körper mit langen Dochten, könnte aber anzeigen, dass der „Angstmesser“ kurzfristig nicht höher steigen wird (siehe Chart!).

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Interessanterweise gibt es auch im Dollar-Index Anzeichen, dass die Aufwärtsluft erst einmal dünn wird. Der Index hat gestern mit einem ausgeprägten „Kreuz“ an einer wichtigen Marke geschlossen (siehe Chart!). Die könnte bedeuten, dass der „safe heaven“-Reflex im Dollar zunächst ausläuft.

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Die Hinweise zusammen genommen deuten daraufhin, dass die Kontraktionswelle an den Märkten zunächst abebbt. Gut möglich, dass die „Märkte“ auf das oben angerissene „Große“ warten und dann im Vorfeld des Quartalsendes noch Window-Dressing betreiben. Durchaus möglich, dass in diesem Zusammenhang nochmals 1220 im S&P 500 und parallel dazu im Euro/Dollar die Marke um 1,40 anvisiert wird.

Auch wenn der S&P 500 sich nochmals nach oben ausrichten sollte – so lange die Volumenverteilung in Distribution ist, ist das eher eine Rallye, in der Material von großen Adressen auf kleine übertragen wird. Die Akkumulationsphase endete punktgenau mit dem Mittwoch dieser Woche und dem „Twist“-Beschluss der Fed (siehe Chart!).

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Edelmetalle, in den vergangenen Jahren die sichersten der sicheren Häfen, sind zuletzt ebenfalls kräftig unter die Räder gekommen. Das gleicht dem Bild vom Herbst 2008, als die Flucht in Cash zur Liquidierung aller Assets trieb. Nachdem Gold den Pegel bei 1750 gebrochen hat, ist ein Doppeltopp bestätigt. Das spricht für einen Zielkurs von rund 1600 (siehe Chart!). Da die fundamentale Triebkraft hinter der Entwicklung des Goldpreises im Bereich der Schuldenproblematik zu suchen ist, und die sich nicht so bald in Luft auflöst, dürften sich viele (Nach)kauf-Willige bei 1600 auf die Lauer legen. Die Untergrenze des Aufwärtskanals aus 2008 liegt aktuell bei unter 1500.

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Wie geht es mit TBonds weiter? Der Twist der Fed führt zu steigender Nachfrage nach solchen Papieren. Damit sinkt die lange Rendite tendenziell weiter. Versicherer, die einen großen Teil ihrer gewaltigen Kapitalmenge in Festverzinslichen angelegt haben, büßen an Ertragskraft ein. Twist treibt solche Institutionen aus solchen Anlagen genauso wie Banken die Ertragsmöglichkeiten ihres traditionellen Kreditgeschäfts beschnitten werden. Noch ist die Nachfrage nach TBonds extrem, jeder will sich noch Papiere mit höheren nominalen Zinsen sichern, bevor sich die Bond-Halter nach neuen Geschäftsideen umsehen.

Insofern ist der Fed-Beschluss konsistent zu früheren Aktionen: Kapital wird in riskantere Assets getrieben, Aktien und Rohstoffen. Angestrebt werden Wohlstandsgewinne eher durch Spekulation als durch Realwirtschaft – Endphase des Finanzkapitalismus.

Charts Gold und Dollar-Index von Incrediblecharts

Artikelbild: Das Bild (Quelle) kann ich mir mit seinem satirischen Bezug nicht verkneifen.

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