Gewonnen – Ouzo für alle!

Griechenland ist (mal wieder) gerettet. Das griechische Parlament beschloss Mitte der Woche ein Sparpaket, das die Voraussetzung ist für die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem Rettungsprogramm vom Mai 2010. Außerdem stellt es die Weichen für das nächste in der Größenordnung von weiteren rund 120 Mrd. Euro.

Mit dem Sparpaket will die griechische Regierung bis 2015 Einsparungen und Mehreinnahmen im Volumen von 28 Mrd. Euro erzielen. Hinzu kommen Einnahmen von insgesamt 50 Mrd. Euro aus Privatisierungen. Nur am Rande: Von den 18 Mrd. Euro, die der griechische Staat 2009 an Löhnen zahlte, entfielen 39 % auf Zulagen, Prämien und Boni. Beispiele: Kilometergeld für Lokführer, Prämie für das Aktentragen bei staatlichen Büroboten usw.

Italien hat zeitgleich Maßnahmen beschlossen zur Reduktion von Defizit und Schulden. Danke Silvio! Gadaffi nannte Berlusconi jetzt „mein armer Freund“. Wegen seines vorgezogen-paradiesischen Lebenswandels wohl nicht. Da kann der „weitblickende“ Libyer ja nur die desolate Haushaltslage gemeint haben…

Die wird sich allerdings sehr wahrscheinlich genauso wenig verbessern wie die Finanzlage in Griechenland seit einem Jahr. Aber als Signal waren die römischen Sparbeschlüsse vielleicht sogar wichtiger als die Abstimmung in Athen. Und auch der Vorschlag aus Frankreich zu einer freiwilligen Beteiligung von Banken und privaten Gläubigern trug zur Entspannung bei (siehe: Brady für Griechenland?).

Wer es glauben mag, sieht durch die Entwicklung der zurückliegenden Woche nun alle Damoklesschwerter und sonstigen Gefahren für das Weltfinanzsystem als erledigt an. Wer es nicht glaubt, hat auch recht. Es kommt nur auf den Zeithorizont an.

Mit Benzin kann man kein Feuer löschen, Schulden kann man nicht mit Schulden bekämpfen. Der Harvard-Professor und frühere Chefökonom des IWF, Kenneth Rogoff, sagt treffend: „Die EU schiebt das Schuldenproblem nicht nur vor sich her, sondern wie einen Schneeball den Berg hinunter.“ (Weitere Zitate zur Griechenlandkrise hier: „Was Ihr wollt – Worte zur Griechenlandkrise“).

Wir befinden uns nun im Juli – dem historisch seit 1950 gesehen für Aktienkurse viertbesten Monat im Jahr (siehe Chart!).

Rückblende: Vor einem Jahr startete am 7. Juli eine "Juli-Rallye", die den S&P 500 bis zum Monatsende gut 7 % höher trieb. Damals hatte die erste Rettungsaktion Griechenlands, sowie die Befürchtungen um einen "Double dip" in den USA den S&P 500 von Ende April bis Ende Juni um 16 % gedrückt.

Katalysator für den diesjährigen Rückzug der Aktienkurse war dem Vernehmen nach auch wieder "Griechenland". Auch in diesem Jahr startete der Niedergang Ende April, endete aber bereits am 24. Juni. Der S&P 500 verlor in dieser Zeit gut 7 %.

Das jüngste Tief des S&P 500 liegt 24 % höher als das Tief vor Jahresfrist, das KGV rund 18 % über dem vor einem Jahr. Mithin sind die Unternehmensgewinne stärker gestiegen als die Kurse. Billig sind Aktien mit einem aktuellen KGV von über 23 deswegen nicht, vor einem Jahr lag das KGV bei knapp 20. (Siehe Chart! – www.multpl.com)

Steht die US-Wirtschaft aktuell um so viel besser da? Zuletzt hatten Makroindikatoren in Serie an Auswärtsdynamik verloren. Dedizierte Abwärtsbewegungen haben sich bisher allerdings nicht eingestellt. In den USA war häufig von einem „soft patch“ die Rede. Ist der jetzt schon wieder vorbei?

Neben den (kurzfristigen) Entspannungssignalen aus der Staatsschuldenecke gab es in den zurückliegenden Tagen einige US-Makrodaten, an denen die „Märkte“ bullische Hüte hängen können:

Da ist einmal der Verlauf der Kredittätigkeit. Es gab im Mai einen minimalen monatlichen Anstieg. Die Bodenbildung schreitet weiter fort, mehr aber bisher auch nicht. Zum anderen ist der Case/Shiller-Hauspreis-Index zuletzt wieder etwas angestiegen. Er steht jetzt 3 % tiefer als vor einem Jahr, Beobachter hatten minus 4 % erwartet. Und dann ist der ISM-Index der US-Einkaufsmanager im Juni unerwartet gestiegen. Der Sub-Index für die Preise sank weiter, was auf nachlassende Preissteigerungen hinweist, diejenigen für Produktion, Aufträge und insbesondere für Beschäftigung stiegen.

Dem ISM-Stimmungs-Index aus der Industrie steht der Index für das US-Verbrauchervertrauen entgegen. Der ist im Juni unter einer wichtigen Schwelle weiter gefallen. Allerdings ist der ISM-Index der für die Wachstumseinschätzung bedeutendere, weil vorlaufende Index. Zudem wird er (zu Recht) stärker beachtet.

(Charts am Artikelende!)

„Soft patch“ vorbei? Aus den neueren Makrodaten kann bestenfalls geschlossen werden, dass die Wachstumsschwäche nicht ausufert. Eine Rückkehr der konjunkturellen Aufwärtsdynamik kann daraus nicht abgeleitet werden. Aber die paar wenigen positiven Makro-Indikationen reichten aus, um die Aktienbullen auf den Plan zu rufen. Eine technische Erholung war überfällig und die Bereitschaft zum Window-Dressing zum Quartalsende groß.

Der ISM-Index gab gestern den Ausschlag, dass die US-Indices wichtige Pegel durchbrachen, so etwa der S&P 500 den bei rund 1330. Auch der DAX konnte nachbörslich (knapp) über den wichtigen Pegel bei rund 7430 steigen.

Wie geht es bei Aktien weiter? Der S&P 500 hat jetzt mit einem Stand von 1340 den oben angedeuteten „KGV-Rückstand" fast aufgeholt. Die anstehenden Quartalszahlen werden zeigen, ob die ambitionierte Bewertung bei Aktien mit der Unternehmensentwicklung in Einklang steht.

Die Aktien-Rallye der vergangenen Tage fand von technisch stark überverkauftem Niveau aus statt und zeigt mit dem extremen Anstieg der vergangenen Tage bereits wieder kurzfristig überkaufte Züge. Der Anstiegswinkel der aktuellen Bewegung ist vergleichbar mit dem von Anfang März 2009. Der VIX, „Angstmesser an Wall Street“, ist in der zurückliegenden Woche um 23 % gefallen. Er notiert jetzt mit 15,87 wieder unter der Zone zwischen 18,30 und 16,30, Jahrestief war Mitte April bei 14,40. Starker Fall in sehr kurzer Zeit!

Wie immer, so wurde auch diese Rallye durch Short-Eindeckungen beschleunigt. Die bärisch eingestellten Akteure hatten es Mitte Juni nochmals geschafft, nachzulegen, mussten jetzt aber ihre Positionen fluchtartig räumen (siehe Chart!).

Der Chart zeigt dies mit dem Verlauf der gelben, bzw. türkisen Linie – Bewegungen nach unten zeigen einen Ausbau bärischer Positionen (und umgekehrt). Betrachtet man den Verlauf über die zurückliegenden 14 Monate, so fällt auf, dass im Januar 2011 das Maximum an bullischer Positionierung erreicht wurde. Seither wird die Positionierung in Optionen übergeordnet beständig bärischer. Um eine Trendwende herbeizuführen, muss noch einiges investiert werden.

Die Volumenverteilung an der NYSE war am gestrigen Freitag die bullischste in diesem Jahr. Der auf steigende Aktien entfallende Volumenanteil machte 90 % aus, in der Rangliste der zurückliegenden 12 Monate kommt der gestrige Tag auf Platz elf. Einige Tage zuvor, am 21. Juni, war schon einmal ein ähnlich bullischer Wert erreicht worden. Die Volumenverteilung ist am Freitag der Vorwoche auf „Akkumulation“ gesprungen, ein wichtiges Indiz dafür, dass große Adressen Aktienmaterial einsammeln. Die vorhergehende Distributionsphase hatte am 28. April begonnen (siehe Chart!).

Auch andere technische Indizien sprechen dafür, dass die Aktienbullen pünktlich mit dem Ende von QE2 das Heft in die Hand genommen haben. Fragt sich nur, wie lange. Oberhalb von 1365 dürfte die Luft im S&P 500 bereits sehr dünn werden, vielleicht sind noch 1375 per Monatsende möglich. Ganz kurzfristig dürfte erst einmal der Widerstand bei 1340 bremsen. Auch die kommenden Makrodaten (z.B. US-Arbeitsmarktdaten am nächsten Freitag) dürften Anlässe für Gewinnmitnahmen liefern.

Auffallend ist, dass Rohstoffe nicht mitziehen, Öl hatte erst vor einigen Tagen einen erneuten Kollaps erlebt. Gegenwärtig sollte das nicht überbewertet werden. Setzt allerdings jetzt nicht bald eine Erholung ein, wäre das ein Warnzeichen vor weiter nachlassender Nachfrage.

Makrodaten



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