Guttenberg: Von Doktoren und Vorbildern

Ich habe gezögert, ob ich hier etwas zum "Fall Guttenberg" veröffentlichen soll. Schließlich geht es hier um "Finanzen", nicht um "Politik".

Aber diese Trennung ist künstlich und bestand in Wirklichkeit nie. Spätestens mit der Finanzkrise wurde das für jedermann sichtbar, als das Bankensystem, der wichtigste Teil des Finanzsystems, um Steuerzahlers Rettungsgeld anstand.

Politiker sollen nach hehren Demokratie-Vorstellungen Vorbilder sein, Führungspersönlichkeiten, die sich dadurch auszeichnen, dass sie das Gesamtwohl im Auge haben und in der Lage sind, ihm in besonderer Weise zu dienen. Guttenberg hat sich selbst genau so positioniert, nicht ohne massive Unterstützung durch das Blatt mit den vier Buchstaben und dem dahinter stehenden Verlag.

Nach dem, was die Internet-Seite Guttenplag zusammengetragen hat, muss man davon ausgehen, dass die Doktorarbeit von Guttenberg in erheblichem Umfang durch Kopieren (und marginales Adaptieren) von nicht direkt kenntlich gemachten Quellen gefertigt wurde. Und: Diese Methode wurde auch bei Passagen angewandt wurde, bei denen es um die wissenschaftliche Quintessenz geht.

Guttenberg stellt in seiner Verteidigung ab auf bedauerliche Fehler. Angesichts der Häufung dieser Fehler kann man aber kaum von einem Versehen sprechen.

Als Eingeständnis auf Raten, dass dem so ist, werte ich, dass Guttenberg in der vergangenen Woche seinen Titel lediglich „vorrübergehend“ ("ich betone, 'vorrübergehend'") ruhen lassen wollte, gestern aber nun die Universität Bayreuth gebeten hat, diesen zurückzunehmen (abzuerkennen).

Guttenberg wird durch den Verzicht auf den Titel nicht verhindern können, dass sich ein Prüfungsausschuss der Universität Bayreuth damit beschäftigt, ob er bei der Abfassung seiner Doktorarbeit unzulässig vorgegangen ist.

Jeder, der eine wissenschaftliche Arbeit anfertigt, versichert u.a., dass er sie selbst erstellt hat. Ist dem so? Ist dann alles erstunken und erlogen, was „Guttenplag“, die FAZ, die Süddeutsche und andere zusammengetragen haben?

Erst recht nach seinem gestrigen, endgültigen Verzicht auf den Doktortitel liegt es doch ziemlich nahe, dass Guttenberg eine falsche Versicherung abgegeben hat. Zwar kein Tatbestand eines Meineids, aber auch kein Kavaliersdelikt.

Kann er damit noch im Amt bleiben? Frau Merkel ficht die Frage nicht an. Sie sagte, sie bräuchte ja keinen Doktoranden, sondern einen Verteidigungsminister. Wie verhielte es sich denn, wenn Herr Guttenberg silberne Löffel geklaut hätte? Würde sie das dann auch noch sagen? Was spricht dagegen, dass sie das dann auch noch sagt? Schließlich hat er ja niemanden umgebracht. (Das wäre natürlich etwas anderes…)

Mich wundert das alles nicht.

Bis auf eines: Wie kann jemand wie Guttenberg eigentlich so einen Fehler machen? Er müsste sich doch klar darüber sein, dass sich früher oder später jemand mit der Sache beschäftigt und herausfindet, was jetzt herauskam. Aber offenbar kamen ihm die Gedanken gar nicht erst.

Ist das eine Form von Allmachts-Phantasie, der Glaube, unangreifbar zu sein, sich alles leisten können? Genau diese Attitüde darf ein Politiker in einer Demokratie nicht haben.

Dazu passt das schmale Bändchen „Empört Euch!“, das dieser Tage in deutsch erschienen ist. Die französische Fassung hat es innerhalb kürzester Zeit auf eine Auflage von einer Million Exemplare gebracht. Der Verfasser ist Stephane Hessel. Er ist über 90 Jahre alt, war zu Zeiten des „1000-jährigen Reiches“ Mitglied der Résistance.

Nachtrag: Mittlerweile hat Jura-Prof. Lepsius (47), Nachfolger auf dem Lehrstuhl von Peter Häberle (Guttenbergs Doktorvater), gesagt: "Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat." (Bericht z.B. aus der "Süddeutsche Zeitung").

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