QE2 ohne nachhaltigen Inflationseffekt

6. November 2010:

Die Fed will die Inflation ankurbeln – sagt sie. Das wird ihr mit ihrer QE-Politik im aktuellen Umfeld nicht nachhaltig gelingen.

Nachfolgend fasse ich noch einmal meine Sicht der Dinge zusammen, wie ich sie in zurückliegenden Artikeln entwickelt hatte:
8.10.10 – QE2
14.10.10 – Währungskrieg? Inflationskrieg!
22.10.10 – Ich kann mich nicht erinnern…
29.10.10 – Fed – quer gedacht…

Inflation entsteht aus einem Ungleichgewicht zwischen Geldmenge und realem Output. Das Preisniveau (P) entspricht per Definition dem Produkt aus Geld-Basis (M) und Umlaufgeschwindigkeit (V), dividiert durch Real-Output (Y).

Die Geldmenge kann durch Geldschöpfung der Banken via Kredit steigen. Da sich die US-Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle befindet (Cash-Präferenz), ist die Nachfrage nach Krediten gering und unelastisch bezogen auf das Zinsniveau. Damit ist von dieser Seite kein wesentlicher Inflationsimpuls zu erwarten.

Ein preistreibender Effekt könnte sich aus wachsender Güter-Nachfrage ergeben. Das lässt zunächst die Umlaufgeschwindigkeit steigen. Für die Nachhaltigkeit einer solchen Entwicklung wäre aber ein Wohlstandseffekt erforderlich, der angesichts hoher Arbeitslosigkeit und hoher Verschuldung aus der Real-Wirtschaft selbst heraus nicht so bald wird generiert werden können.

Unglücklicherweise führt in einer Wirtschaft, die unter ihrem Potenzialwachstum operiert, zusätzliche Nachfrage zwar zunächst zu einer Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit, nicht zu einer Ausweitung kreditfinanzierter Investitionen. Wie John P. Hussman von www.hussmanfunds.com zeigt, verhalten sich in einem Zins-Umfeld nahe Null Umlaufgeschwindigkeit und Geldmenge gegenläufig.

Die Money Base in den USA ist seit Februar rückläufig (siehe Chart!). MZM, das Maß für die Versorgung der Wirtschaft mit liquiden finanziellen Assets, läuft seit Mitte 2009 seitwärts (siehe Chart!). Die zugehörige Umlaufgeschwindigkeit (nur vierteljährliche Messung) stieg seit diesem Zeitpunkt, tendiert aber seit April wieder flach. Seit dem offenen Ausbruch der Finanzkrise ist sie gesunken.

Die Möglichkeit eines Wohlstandseffekts diskutiert Harvard-Professor Martin Feldstein: Bernankes Argument für QE basiert auf der Theorie der Portfolio-Balance. Durch Fed-Käufe steigen die Bond-Preise und damit der Wert des Bond-Anteils in einem Portfolio. Um das Verhältnis zu anderen Anlagegattungen zu halten, müssen diese verstärkt gekauft werden. Dadurch steigen insbesondere die Aktienkurse, was einen Wohlstandseffekt bewirkt.

Die Aktienkurse sind seit einer Rede von Bernanke zu QE2 Mitte September bereits deutlich gestiegen. Feldstein ging vor dem FOMC-Beschluss zu QE2 von Kurssteigerungen um weitere 10 % aus. Private Haushalte halten Aktien im Volumen von 7 Bill. Dollar, was einen Wohlstandsgewinn von weiteren 700 Mrd. Dollar bedeuten würde. Würde man den Wohlstandseffekt 1:1 rechnen (der Wohlstandsgewinn wird also komplett konsumiert), wären das 5 % des BIP. Feldstein rechnet aber mit um deutlich weniger als ein % vom BIP steigenden Konsumausgaben und geht damit offenbar von weiter steigender Sparquote, bzw. weiterem Deleveraging aus. Er resümiert, der Wohlstandseffekt sei zwar willkommen, aber viel zu klein, um Einkommen und Beschäftigung deutlich zu steigern.

Die Voraussetzungen, dass QE2 die gewünschte Wirkung erzielt, sind also insgesamt denkbar schlecht.

Bleibt Bernanke & Co noch, auf die Wirkung von Inflationserwartungen zu setzen, also darauf, dass an irgendeinem Punkt die Wirtschaftssubjekte zu befürchten beginnen, dass Bargeld deutlich an Wert verliert. Momentan zeigen sich die Inflationserwartungen (siehe Chart!) zwar etwas erhöht, sie notieren klar über dem Tief aus Juli, aber leicht unter dem Niveau aus April. Insofern haben die angelegentlichen Bemerkungen von Bernanke ein wenig genützt, aber die Dynamik scheint zunächst einmal wieder erloschen.

Außerdem: Die schönsten Erwartungen nutzen nichts, wenn sie von der Realität nicht gestützt werden. Der CPI ist mit einer Jahresrate von lediglich 1,1 % unterwegs, 2 % werden allgemein als "richtig" angesehen (siehe Chart!). Und so lange die Situation der Liquiditätsfalle fortbesteht – siehe oben.

Was bleibt noch? Staatsausgaben, die ohne Rücksicht auf Produktivität getätigt werden, können nachhaltige inflationäre Effekte haben, wie Hussman schreibt. In diesem Fall fließt Geld aus dem staatlichen in den privaten Sektor, gleichzeitig bleibt die Menge an Waren unverändert. Massive Transferzahlungen an Wirtschaftssubjekte und Unternehmen wären ein Beispiel. Aber auch hier gilt prinzipiell, dass in einer Liquiditätsfalle eine steigende Geldmenge durch sinkende Umlaufgeschwindigkeit konterkariert wird – Cash ist "Trumpf", der preistreibende Effekt dieser Staatsausgaben bleibt gering.

Alles schon mal da gewesen – im Japan seit den 1990er Jahren. Und doch nicht – denn seine erste "verlorene Dekade" fiel zusammen mit einem globalen Wirtschaftsboom, der die Sitution in Japan abgemildert hat.

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