Zurück zur landwirtschaftlichen Produktionsweise?

Der diesjährige Agricultural Outlook von OECD und FAO sieht in den nächsten Jahren strukturelle Veränderungen auf den Weltagrarmärkten, die die Preise für viele Agrarprodukte nach oben treiben. Dabei spielt die zunehmende Nachfrage nach Biokraftstoffen eine entscheidende Rolle. Aber auch durch klimatische Einflüsse geschmälerte Ernteergebnisse, sowie ein Rückgang der Exportsubventionen tragen zu diesen langfristigen Veränderungen bei.

In den USA soll sich dem Bericht zufolge die Jahresproduktion von Äthanol auf Maisbasis zwischen 2006 und 2016 verdoppeln. In der EU wird eine Steigerung der Produktion von Ölsaaten, vor allem Raps, im gleichen Zeitraum von zehn auf 21 Millionen Tonnen erwartet. In Brasilien soll die jährliche Äthanolproduktion im Jahr 2016 auf rund 44 Milliarden Liter kommen, nach 21 Milliarden heute. Auch in für China rechnen die Organisationen im gleichen Zeitraum mit einer Verdoppelung der Ethanolproduktion auf dann 3,8 Milliarden Liter pro Jahr. Steigende Futtermittelpreise führen auch zu höheren Kosten bei der Fleischproduktion.

Wie sehr die landwirtschaftlichen Erzeuger von den Preissteigerungen bei Agrarprodukten profitieren, ist schwer zu sagen; als sicher gilt, dass der Handel höhere Gewinne abwerfen wird; auch den Herstellern von Landmaschinen, Pflanzgut, sowie von Mitteln zur Düngung und zum Pflanzenschutz werden gute Aussichten bescheinigt. Auch die verbraucherseitigen Verarbeitungs- und Handelsunternehmen dürften zu den Gewinnern gehören, weil die Konsumenten geringe Möglichkeiten haben, Grundnahrungsmittel zu substituieren.

Es ist an dieser Stelle immer wieder gefragt worden, was ein Katalysator für die immer stärkeren Ungleichgewichte in der globalisierten Wirtschaft sein könnte. Die angesprochene Problematik wird zwar wohl kein kurzfristiger Anstoß für einen Dominoeffekt sein; aber hier liegt ein langfristig wirksamer Krisenherd , der umso tiefgreifendere und nachhaltigere wirtschaftliche und politische Veränderungen bewirken wird.

Politischen Sprengstoff bergen höhere Preise für Agrarprodukte vor allem für Länder mit Nettolebensmittelimporten und für die arme Bevölkerung in den Städten. Damit dürfte sich der globale Unterschied zwischen "arm" und "reich" ebenso (weiter) verschärfen, wie innerhalb der entwickelten Industrieländer.

Der wirtschaftliche Sprengstoff liegt darin begründet, dass ein steigender Anteil der Konsumausgaben für Grundnahrungsmittel und Energie den Teil schmälert, den die Verbraucher für industrielle Produkte zur Verfügung haben. Da der Anteil der industriellen Produktion an der Wertschöpfung der modernen Wirtschaft sehr viel höher ist als der der landwirtschaftlichen Produktion, wirkt die Veränderung in der Konsumstruktur über diesen Hebel entsprechend negativ auf die Wachstumsaussichten.

Wachstum ist allerdings genau das, was der Kapitalismus am nötigsten braucht. Ohne nachhaltiges, reales Wachstum lassen sich die inhärenten Instabilitäten dieses Wirtschaftssystems auch mit der raffiniertesten Geldpolitik nicht beherrschen. Und aus heutiger Sicht ist nichts erkennbar, was dafür sorgen könnte, die landwirtschaftliche Produktion in dieselben Dimensionen von Produktivität und Wertschöpfung wie die industrielle Produktion zu katapultieren.

Wann die globalen Aktienmärkte die sich hierdurch ergebenden negativen Aussichten für die Entwicklung der Unternehmensgewinne vorwegzunehmen beginnen, ist schwer zu sagen. Vielleicht ist die gegenwärtige Phase einer unruhigen Seitwärtsbewegung nahe von (historischen) Rekordmarken schon ein Vorbote. Sollten die nicht zur Kernrate der Preissteigerungsindices gehörenden Preise für Nahrungsmittel und Energie nachhaltig (weiter) steigen, wäre das kein gutes Signal für die Liquiditätsversorgung der Finanzmärkte und stützt auch Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen kaum.

Die technische Lage an den Aktienmärkten ist angespannt. Im S&P 500 steigt seit Mitte Juni der bullische Anteil am Umsatz an. Das Volumen der täglich umgehenden Aktien steigt dabei beständig weiter: Mitte Januar waren es im langfristigen Mittel 2,5, aktuell sind es 3,0 Milliarden Aktien täglich. Diese Akkumulation trifft sich mit einer per Saldo Seitwärtsbewegung im Index. Ob die bullische Positionierung dieser Phase Früchte trägt, ist noch nicht ausgemacht. Der VIX spiegelt ein erhöhtes Bedenken-Niveau wider, auch das PCR ist nicht besonders bullisch. Das spricht eher dafür, dass die Konsolidierung bullisch aufgelöst wird.

Der NDX ist zuletzt im bullischen Sinne vorgelaufen. Die runde Marke von 2000 zieht. Ebenfalls bedeutsam ist, dass der Index dabei ist, aus einem wichtigen Widerstandsbereich aus 2001 auszutreten. Das dürfte weitere Käufer anlocken und dem Index wahrscheinlich weitere relative Stärke verschaffen.

Auch wenn die Zeichen kurzfristig eher für die Bullen sprechen, so wirkt die Aktienveranstaltung mittlerweile sehr angespannt. Auf mittlere Sicht könnten die geschäftsärmeren Sommerwochen durchaus noch dazu herhalten, dass große Akteure Material auf hohem Kursniveau abladen. Über diesen Horizont hinaus aber dürften die Bären strategisch zum Zuge kommen. Die Kursschwäche bei vielen Bankaktien ist ein Warnsignal.

Seitenhieb: Die gegenwärtige Bundesregierung tritt hinsichtlich ihrer Haushaltspolitik in die Fußstapfen aller ihrer ruhmreichen Vorgängerinnen seit mindestens 40 Jahren. Statt die aktuellen Zuflüsse zur Konsolidierung und Schuldentilgung einzusetzen, wird der Ausgabenhahn wieder einmal aufgedreht. Man will ja schließlich wieder gewählt werden, was schert einen da, wie das die kommenden Generationen ausbaden.
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