S&P 500 – auf dünnem Eis

Das gleiche Spiel wie seit etlichen Monaten: Immer, wenn der S&P 500 an einem kritischen Punkt steht, wird eine Nachricht verkündet, die einen Fortgang bei den Gesprächen zur Beilegung des Handelsstreits USA-China nahelegt.

So auch in der zurückliegenden Woche. Am Mittwoch war der S&P 500 mit einem kleinem Gap-up über die EMA50 gehüpft – mit Rückenwind von zahlreichen Fed-Offziellen, die sich in ihren Reden zu einem Tauben-Chor formiert hatten. Am Donnerstag dann kam Meldung, die USA und die VR China würden früh im Oktober wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren.

Prompt folgte das nächste größere Gap-up im S&P 500, das über die Hochs aus September 2018 und Ende April führte. Damit war der Abstand zur EMA50 dann so groß, dass ein unmittelbarer Re-Test des Ausbruchs (mit ungewissem Ausgang) unwahrscheinlich wurde.

Auch die Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten am darauf folgenden Freitag blieb ohne große Wirkung, sie zeigte einen geringer als erwarteten Zuwachs an Arbeitsplätzen und gleichzeitig eine größer als erwartete Steigerung der Löhne und Gehälter. Zeitgleich meldete sich Fed-Chef Powell zu Wort – er sehe keine Rezession kommen, legte aber nichtsdestotrotz erneut nahe, dass die Leitzinsen auf dem nächsten FOMC-Treffen am 18. September auf dann 1,75% bis 2,00% gesenkt würden. Nach Fed Fund Futures beträgt die implizite Wahrscheinlichkeit für einen solchen Schritt fast 94%.

Die großen Akteure an den Finanzmärkten wollen die Aktienkurse weiter steigen sehen. Als mediales Leuchtfeuer dient die (vage) Aussicht auf einen Waffenstillstand im Handelsstreit, wie auch die Erwartung geldpolitischer Anreize seitens der großen Zentralbanken und die Hoffnung auf fiskalische Stimuli. Hier richtet sich das Augenmerk in dieser Woche auf die EZB und die deutsche Bundesregierung, die laut über eine Konjunkturspritze via Schatten-Haushalt nachdenkt.

Aktienkurse und makroökonomische Aussichten entfernen sich seit geraumer Zeit immer weiter voneinander. Die Aktienbullen bewegen sich auf immer dünneren Eis. Noch spricht mehr für die Oberseite. Das Allzeithoch aus Ende Juli ist mit 3026 zum Greifen nahe – der S&P 500 schloss gestern bei 2978,43. Ziele darüber wäre eine Aufwärtslinie, die die Hochpunkte aus Ende Januar 2018, September 2018 und Juli 2019 verbindet (aktuell bei gut 3040). Auch die 38er Fibonacci-Extension des Aufwärtsimpulses aus der Jahreswende bei rund 3185 könnte ein (sehr „ehrgeiziges“) weiteres Ziel sein (Chartquelle).

Wie das so ist bei einem Gang auf dünnem Eis – oft reicht schon ein kleiner Anlass, um einzubrechen. So ist es auch beim S&P 500 in der aktuellen Situation. Ungünstige Meldungen hinsichtlich Handelsstreit oder Gewinnentwicklung wie auch makroökonomische Enttäuschungen führen in dem fragilen Umfeld rasch zu Gewinnmitnahmen und mehr.

Der S&P 500 ist in diesem Jahr zu einem großen Teil durch KGV-Steigerung getrieben worden, Anleger haben in eine hohe Bewertung hinein gekauft und sitzen jetzt auf noch höher bewerteten Aktien. Die Entwicklung von Dividenden und Gewinnerwartungen spielt hingegen kaum eine Rolle (Chartquelle).



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