Bemerkenswerte Bewegungen

Am zurückliegenden Freitag kam es aus heiterem Himmel zu einer weiteren Runde an Strafzöllen. China legte vor, von der neuen Maßnahme sind rund 75 Mrd. Dollar an US-Importen betroffen, die Maßnahme wird am 1. September, bzw. am 15. Dezember wirksam. Die USA konterte mit zusätzlichen Zöllen auf chinesische Importe im Gesamtwert von 300 Mrd. Dollar zu denselben Stichtagen.

Mitte August war die Einführung von zusätzlichen US-Strafzöllen auf chinesische Güter wie zum Beispiel Laptops oder Mobiltelefone noch vom 1. September auf den 15. Dezember verschoben worden ("Weihnachtsgeschäft"!). Das hatte für Entspannung an den Finanzmärkten geführt, zumal in der zurückliegenden Woche auch noch gezwitschert worden war, dass Gespräche mit China einen guten Verlauf nähmen.

So war Fokus der Akteure an den Finanzmärkten in Richtung „Jackson Hole“ gewandert, dem jährlichen Symposium der Zentralbanken dieser Welt. Hier war die Eröffnungsrede des Fed-Chefs am zurückliegenden Freitag von besonderem Interesse, man erwartete Aufschlüsse über den weiteren geldpolitischen Weg der Fed. Powell gab jedoch in dieser Hinsicht keine neuen Hinweise, er wiederholte nur, die Fed werde in geeigneter Weise agieren, um die wirtschaftliche Expansion zu erhalten. Wichtiger war, dass er die Unsicherheiten hinsichtlich des internationalen Handels als neue Herausforderung bezeichnete, die die Fed kaum beeinflussen könne. Das nahm US-Präsident umgehend zum Anlass, um Powell per Twitter als „Feind“ zu bezeichnen. Zudem forderte er die US-Firmen auf, sich neue Handelspartner außerhalb Chinas zu suchen.

Man kann beide Neuigkeiten als doppelten Schock bezeichnen, der die Akteure an den Finanzmärkten aus der Bahn geworfen hat. Es war zu vermuten gewesen, dass man sich bis Ende August auf einen Fortgang der Mitte August begonnenen Expansion eingestellt hatte (siehe hier!). Die Vertiefung des Zerwürfnisses zwischen Trump und Powell wiegt schwer. Der US-Präsident hat nun einen Sündenbock, dem er die Belastungen aus dem Handelsstreit in die Schuhe schieben kann. Das bedeutet umgekehrt, dass Trump sich von dem Verlauf der Aktienkurse abzukoppeln beginnt, den er bisher immer als Stimmungsbarometer für seine Politik bezeichnet hatte. Zukünftig wird er wohl weniger gezielten Support für Aktien zwitschern.

Insofern war der zurückliegende Freitag nicht einfach ein Tag mit schlechten Nachrichten, die schnell wieder vergessen sind. Er markiert eine deutliche Verschärfung der gesamten innen- und außenpolitischen Situation in den USA um den Handelsstreit herum. Die Forderung Trumps, US-Firmen sollten sich neue Geschäfte außerhalb Chinas suchen, bedeutet auch, dass die etablierten internationalen Lieferketten umgebaut werden sollen. Das verursacht erhebliche Friktionen, deren Belastungen das Zeug haben, einen wirtschaftlichen Abschwung zu verstärken.

Die Bewegungen eines solchen Tages bei Preisen, Kursen, Währungen und Renditen sind denn auch mehr als lediglich eine kurzfristige „Störung“. Ich will mir einige ansehen.

Die US-Renditen sind weiter gesunken, die Kurse von Staatsanleihen deutlich gestiegen. Die Kurse der 30-jährigen TBonds sind wieder auf das Niveau von Mitte August gestiegen, die Rendite der zehnjährigen TNotes ist um 0,082% auf 1,528% zurückgefallen. Sie notiert jetzt wieder so tief wie seit Mitte 2016 nicht. Bei 1,40% liegt ein wichtiger Support aus Juli 2012, der im gesamten Bull-Run sei 2009 nur Anfang Juli 2016 kurz, aber sonst noch niemals unterboten wurde.

Die Tatsache, dass eine neue Auflage lang laufender, mit einem Coupon von 0% ausgestatteter deutscher Staatsanleihen Abnehmer findet, zeigt ebenso, in welch marodem Zustand sich das Finanzsystem mittlerweile befindet.

Der S&P 500 ist am Freitag um 2,6% eingebrochen, er notiert jetzt wieder unter dem wichtigen Pegel von 2873, dem Hoch aus Ende Januar 2018. Langfristig bedeutsamer, er schloss erneut knapp oberhalb der EMA200 (graue Linie). Diese Linie wurde im August bereits fünf Mal attackiert und zeigt damit mittelfristig bedeutsame Schwäche auf. Hält sie jetzt nicht länger der „Schwerkraft“ stand, dürfte zügig das 38er Retracement des Impulses aus Jahresanfang erreicht werden. Etwas oberhalb davon verläuft eine Aufwärtslinie aus 2009/2010 (braune Gerade).

Auf der Unterseite finden sich bedeutsame Supportpegel im Bereich des 50er Retracements bei rund 2650 und dann bei rund 2575, dem 62er Retracement. Dieses fällt zusammen mit dem 38er Retracement des Aufwärtsimpulses aus der Zeit der Wahl von Trump zum US-Präsidenten, das in der Korrektur des seinerzeitigen Allzeithochs aus Ende Januar 2018 Support bot.

Für die Oberseite gilt, dass Kurse oberhalb von 2873 eher kurzfristiges Kaufinteresse wecken (Chartquelle).

Das Kursverhältnis Euro/Dollar fiel nach der Wahl von Trump zum US-Präsidenten zunächst relativ zügig unter eine Aufwärtslinie aus 1985 (blau-graue Gerade). Nach einem Tief zur Jahreswende 2016/2017 startete eine nachhaltige Aufwärtsbewegung, die im Februar 2018 bei 1,2500 auslief. Seitdem entwickelt sich das Währungspaar abwärts, und testet die langfristige Abwärtslinie aus 1985 seit Anfang August erneut, als die Zinsstruktur weitere Hinweise auf eine heraufziehende Rezession gab. Am zurückliegenden Freitag machte es einen Satz nach oben (Chartquelle).

Verhältnisse von Währungen unterliegen zahlreichen unterschiedlichen Einflüssen aus Waren- und Kapitalströmen. Im der kurzfristigen Analyse lassen sich diese kaum voneinander trennen. Übergeordnet sind in der aktuellen Situation zwei Aspekte wichtig. Eine Verschärfung des Handelsstreits USA-China kann dazu führen, dass Europa künftig eine wichtigere Rolle als Handelspartner der USA einnimmt. Das würde zu einer Aufwertung des Euro im Verhältnis zum Dollar führen. Auch wenn Portfolioinvestitionen aus den USA verstärkt würden, würde das den Euro im Verhältnis zum Dollar stärken.

Derselbe Effekt tritt ein, wenn Ausländer ihre Euro-Kredite zurückführen. Dieser Punkt ist mittlerweile von erheblicher Bedeutung, das Zinsniveau in Europa ist seit längerer Zeit deutlich niedriger als das etwa in den USA. Daher machte es für internationale Akteure an den Finanz- und Realmärkten Sinn, sich in Euro zu verschulden, zumal dies den Außenwert des Euro drückt. Und umgekehrt: Verstärken sich die Bremsspuren in der internationalen Wirtschaft, werden Akteure in der Real-, aber auch in der Finanzwirtschaft ihre Kreditausrichtung zurückfahren. Damit ist der Euro als Carry-Trade-Währung ein Anzeigeinstrument für heraufziehende Krisen. Wie stark hieraus der Aufwertungsdruck auf den Euro im Verhältnis zum Dollar ist, hängt allerdings auch von der Bedeutung der anderen großen Carry-Trade-Währung ab, dem Yen.

Ich sehe in der Entwicklung von Euro/Dollar seit Anfang August den Ansatz einer Bodenbildung. Hier kann es schnell gehen, denn die Abwicklung von Carry-Trade-Krediten hat eine sich selbst verstärkende Wirkung. Eine Umkehr in der mittelfristigen Ausrichtung von Euro/Dollar würde ich dann bestätigt sehen, wenn der Pegel von 1,1430 und das 50er Retracement der Aufwärtsbewegung aus der Jahreswende 2016/2017 bei 1,1460 überwunden wird.

Ein schwächerer Dollar ist häufig ein günstiger Begleitumstand für die Entwicklung des Goldpreises. Das gilt über Opportunitätskosten auch für niedrige Zinsen/Renditen, da Gold keinen laufenden Ertrag abwirft. Der Preis des Krisenmetalls war auf dem Weg, den Anstieg von Anfang August von rund 1420 aus zu korrigieren, da brachte der zurückliegende Freitag einen Schub in die Gegenrichtung. Am Ende des Tages notierte er mit 1526 wieder so hoch wie seit April 2013 nicht. Ich weiß nicht, was angesichts der aktuellen Lage dagegen spricht, dass der Goldpreis in überschaubarer Zeit zumindest bei 1900 steht, dem Hoch aus Sommer 2011 (Chartquelle).

Die Rohstoffpreise zeigen insgesamt seit einiger Zeit Schwäche. Ich greife Kupfer heraus, ein zentraler Rohstoff der Elektronik, die unser aktuelles Wirtschaftssystem prägt. Der Preis in Gestalt des S&P GSCI Copper Index hat sich von seinem Hoch aus Anfang 2011 zunächst kontinuierlich abwärts bewegt, bis er im Frühjahr 2016 einen Boden fand. Nach einer Seitwärtsphase startete im September 2016 ein Aufwärtsimpuls, der Mitte 2018 am 50er Retracement der Abwärtsbewegung aus 2011 endete. Seitdem wird dieser korrigiert, der Index bewegt sich mittlerweile im Bereich von dessen 62er Retracement (400). Das ist der „letzte“ Support, bevor dieser Aufwärtsimpuls für „tot“ erklärt werden muss (Chartquelle).

Mit den Reaktionen von Renditen, Kursen, Währungen und Preisen auf den doppelten Schock am zurückliegenden Freitag sehe ich einen weitere, wichtige Bestätigung, dass sich die Weltwirtschaft auf eine Rezession zubewegt, nachdem sich die entsprechenden Anzeichen Anfang August bereits verstärkt hatten (siehe hier!). Die aktuelle Mixtur aus sinkenden Renditen und Aktienkursen, tendenziell festerem Euro/Dollar (sowie festerem Yen) und sinkenden Rohstoffpreisen (Öl kann dabei eine Sonderrolle spielen – „Iran“) sollte übergeordnet anhalten – kräftige kurzfristige Gegenbewegungen nicht ausgeschlossen. Möglicherweise könnte es in diesem Zusammenhang auch zu einer relativen Stärke europäischer Aktien gegenüber denen aus den USA kommen.

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