S&P 500 – es wackelt weiter

Der S&P 500 zeigte zum Ende der Vorwoche ein einigermaßen bullisches Bild, wie hier dargestellt. Am Montag kamen noch Tagesgewinne hinzu, dann allerdings wurde der Rückwärtsgang eingelegt.

Als Anlass galten zunächst Äußerungen des neuen, nach wie vor unter verschärfter Beobachtung stehenden Fed-Chefs vor dem US-Kongress, nach denen er sich überzeugt hinsichtlich der Entwicklung der Inflation zeigte und gleichzeitig vor einem Schub bei den Lohnkosten warnte. Akteure an den Finanzmärkten rechneten daraufhin mit vier Zinsschritten nach dreien zuvor und nahmen Geld aus Aktien. Dann kam der nächste Anlass, die Seitenlinie aufzusuchen: Trump kündigte Strafzölle für Stahl- und Aluminium-Importe an. Das rief nach „Zinssorgen“ auch noch die „Angst“ vor einem Handelskrieg wach.

Am gestrigen letzten Tag der zurückliegenden Handelswoche sahen die ersten Akteure aber schon wieder Kaufkurse. Das mit dem Handelskrieg relativierte sich wieder, obwohl sich die EU mit der Drohung starker Gegenmaßnahmen weit aus dem Fenster gelehnt hatte. So sollen dann auch Importe von Harley Davidson Motorrädern strafbesteuert werden, genauso will man bei Wiskey verfahren. Starker Tobak!

Interessant, wie gut abgezirkelt die Korrektur bisher verläuft. Gestern wurde im S&P 500 intraday die Oberseite eines alternativen langfristigen Aufwärtskanals getestet und dann zugekauft. Allerdings bleibt die EMA50 unterboten – hinsichtlich des mittelfristigen Bildes ist das ein ungünstiges Indiz, zumal sie sich auch leicht abwärts neigt (Chartquelle).

Man kann in die Kursbewegung des S&P 500 seit 8./9. Februar eine im Entstehen begriffene Bärflagge hineininterpretieren (grau gezeichnet), nach deren Bruch ergäbe sich rund 140 Punkte Abwärtspotenzial. Ich sehe zwei kurzfristige Szenarien: (1) Der Kurs entwickelt sich zunächst innerhalb der Bärflagge aufwärts, stößt oben an, wodurch sie sich weiter manifestiert. Wird sie später gebrochen, gäbe es die Chance auf einen Doppelboden im Bereich von 2550. Das könnte in eine übergeordnete Seitwärtsspanne zwischen rund 2550 und 2880 überleiten. (2) Etwas wahrscheinlicher ist es, wenn jetzt recht zügig das 50er Retracement des „Trump-Schubs“ seit November 2016 angelaufen wird, wie das hier dargestellt wurde. Das wäre zumindest ein „normaler“ Korrekturverlauf, wobei auch noch das 62er Retracement als Ziel in Betracht kommt.

Übergeordnet befindet sich die Entwicklung des S&P 500 in den zurückliegenden 36 Monaten nach „Augmented Dickey-Fuller“-Test mit einer 99%-igen Wahrscheinlichkeit in einem nicht-stationären, also chaotischen Zustand. Kennzeichnend dafür ist, dass selbst kleinste externe Ereignisse auf die Kurse erhebliche Auswirkungen haben können. Aussagen über ein halbwegs exaktes Timing können hieraus aber nicht abgeleitet werden.

Der folgende Chart stellt das ähnlich dar. Hier dient der Verlauf der Ähnlichkeit der Kursentwicklung mit linearen Strukturen als Indiz für den Systemzustand. Demnach besteht der chaotische Zustand des „Systems“ S&P 500 seit der Jahreswende 2014/2015. Im Unterschied zur Episode vor 2008 war jedoch der Eintritt in die chaotische Phase nicht mit bald darauf folgenden nachhaltigen Kurseinbrüchen verbunden. Es entwickelte sich zunächst lediglich eine sehr volatile Seitwärtsbewegung, in der das Linearitäts-Merkmal bis hin zur Untergrenze abgebaut wurde. Danach folgte eine erneute Aufwärtsbewegung des Kurses und ein erneuter Ausbau der Linearität bis auf aktuell 94% (Jahreswende 2014/2015: 98%). Damit ist der Systemzustand des S&P 500 erneut hochgradig chaotisch.

Um ein besseres Timing zu ermöglichen, wurden weitere Kriterien hinzugenommen, die in der gelben und hellgrünen Linie im oberen Chart-Teil repräsentiert sind. Das hinter der gelben Linie liegende Kriterium warnt seit November vor einer Korrektur, allerdings fehlt nach wie vor die Bestätigung durch das hinter der hellgrünen Linie liegende Indiz. Diese beiden Kriterien hatten per Februar 2008, bzw. per Februar 2001 vor nachhaltigen Kurseinbrüchen gewarnt (Ausschlag beider Linien nach unten). Für ein langfristiges Bild, d.h. Risikomanagement, ist das meiner Meinung nach akzeptabel, ein besseres Timing aufgrund von Monatsdaten dürfte nur schwer möglich sein. Kürzere Datenraster bergen die Gefahr von zu vielen Fehlsignalen.

Aus technischer Sicht besteht somit zurzeit weiterhin kein Anlass, einen Bär-Markt auszurufen. Zum gleichen Schluss kommt auch der Verfasser des Artikels „Was There A Stock Market Bubble? Did It Burst?“. Vorsicht ist aber angebracht angesichts der weit fortgeschrittenen Entwicklung.

Bemerkenswert ist die Entwicklung der US-Renditen und des Dollar-Index in der zurückliegenden Woche. Die zehnjährigen TNotes haben sich von ihrem in der Vorwoche erreichten Hoch bei fast drei Prozent bis auf 2,8% zurückgezogen. Entwarnung würde ich hier jedoch erst einmal nicht geben – das gilt aus charttechnischer Sicht (Bullflagge oder Bullkeil in Arbeit), aber auch von fundamentalen Aspekten her.

Hier ist insbesondere das Thema Inflation von Bedeutung. Die vorauseilende „Underlying Inflation Gauge (UIG)“ der New York Fed ist im Januar nur geringfügig von 2,94% auf 3,00% gestiegen, der von der Fed besonders beachtete PCE-Preisdeflator (Kernrate) ist im Februar mit 1,5% Jahresrate unauffällig (Zielbereich 2%). Aber wenn Trump mit seinen kreditfinanzierten Infrastrukturmaßnahmen fortfährt, sorgt das in einem ohnehin praktisch vollbeschäftigen Arbeitsmarkt über die Löhne für zusätzliche Inflationsimpulse. Das gilt auch für die Wirkungen der Steuerreform und – für die Wirkung von Einfuhrzöllen. Abgesehen davon weiten die in Zusammenhang mit den staatlichen Investitionen anwachsenden Kredite die Geldmenge aus – und damit das Inflationspotenzial.

In diesem Zusammenhang ist die Entwicklung des Dollar-Index wichtig. Er ist in der aktuellen Phase der Entwicklung auch ein Indiz dafür, dass internationale Investoren US-Assets überbewertet halten und sich aus ihnen zurückziehen. Das gilt erst recht für Bonds, insbesondere dann, wenn noch weitere inflationäre Impulse erwartet werden. Ich hatte mich mit diesem Zusammenhang hier beschäftigt. Unabhängig davon sorgt der sinkende Außenwert des Dollar für importierte Inflation.

Die Reaktion der Finanzmärkte auf die Ankündigung von Einfuhrzöllen mag kurzfristig übertrieben sein. Aber darin kommt letztlich auch die Furcht vor weiter steigenden Zinsen zum Ausdruck, wie eben zurzeit alles hauptsächlich unter diesem Aspekt gesehen wird. Nicht ganz zu Unrecht – zu den mit steigenden Zinsen zunehmend attraktiver werdenden Anleihen kommt die Befürchtung hinzu, die Bondblase, die größte ihrer Art, könnte platzen und damit auch die Realwirtschaft massiv tangieren.

Wie stark übrigens die „Abneigung“ von Investoren gegenüber US-Bonds ist, wird im folgenden Chart deutlich (h/t Colin TwiggsChartquelle). Das Zinsdifferential zwischen den USA und der Eurozone ist erheblich – und es wächst seit dem zweiten Quartal 2013 übergeordnet an. Gegenüber Japan war der Spread immer schon groß – er wächst seit Mitte 2016 weiter.

Was die Geldpolitik der Zentralbanken mit ihrer Orientierung auf ein positives Inflationsziel angeht, so sei auf den Artikel „Die fixe Idee der Preisstabilität“ verwiesen.

Die Finanzmärkte sind weiterhin destabilisiert. Der S&P 500 dürfte übergeordnet eher noch abwärts ausgerichtet sein. "Zinssorgen" ziehen sich durch – sie sind momentan das zentrale Thema. Zwar sind die Benchmark-Renditen der zehnjährigen TNotes zuletzt etwas gesunken und haben den Pegel von drei Prozent respektiert. Aber hier dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Es dürfte dennoch zu früh sein, einen Bärmarkt bei US-Aktien auszurufen.

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