Kein Jamaika – wie furchtbar

Nach vier Wochen sondierendem Palaver hat die FDP die Bildung einer Jamaika-Koalition in Berlin gestern für gescheitert erklärt.

Stets wurde behauptet, der Wähler hätte den vier Parteien den Auftrag gegeben, eine solche „bunte“ Regierungskoalition zu formen. Insbesondere Frau Merkel wurde nicht müde, die Sondierungsgespräche so zu begründen. Das ist Quatsch – der Wähler hat den etablierten Parteien der großen Koalition einen krachenden Denkzettel verpasst, nicht mehr und nicht weniger.

Stets war in den Verhandlungen von gefundenen und dann wieder verloren gegangenen Kompromissen die Rede. Mit Kompromissen ist das so eine Sache. Dabei muss jeder von seinen Maximalpositionen ein Stück hergeben und sich so der Position des anderen annähern. Aber entscheidend ist nicht das Aufeinanderzugehen, sondern die Frage der gemeinsamen Richtung. Wenn es über den Willen (oder Zwang) zu Kompromissen hinaus nichts gibt, was die Beteiligten verbindet und motiviert, nach gefundenen Kompromissen gemeinsam in dieselbe Richtung zu laufen, taugen Kompromisse im konstruktiven Sinne nichts. Sie begründen dann nur ein permanentes Hickhack um den weiteren Kurs.

Diese Voraussetzung hat gefehlt, deswegen konnte man das Ganze schon in einem frühen Stadium vergessen. Was die Beteiligten an gemeinsamem Interesse einzig einte, waren die Fleischtöpfe der Macht. Oder anders: Die treibende Kraft dieser unsäglichen Sondierungsveranstaltung war der Wille von CDU/CSU, andere so einzubinden, dass die schwarze Macht in Berlin in Gestalt von Frau Merkel weiter Bestand hat. Insofern war das auch eine typisch Merkelsche Veranstaltung – es wird ein Redeprozess angestossen, der so lange anhält, bis jemand (nämlich Merkel) die zerredete Runde in die gewünschte Richtung drückt. Um sich dann feiern zu lassen als die Erlöserin aus allen Problemen.

Diese Taktik ist gescheitert – nachdem sie in den vergangenen Jahren auf deutscher und europäischer etliche Male funktioniert und den Ruf (welchen Ruf?) von Frau Merkel begründet hat. Dieser Ruf hat jetzt Risse bekommen und demzufolge laufen die „Schwarzen“ flügelschlagend durch die Gegend – die Leithenne lahmt.

Nach einer Umfrage will die überwiegende Mehrheit der Deutschen Neuwahlen. Bei den AfD-Anhängern ist der Anteil derer, die diesen Schritt befürworten, mit 91% am höchsten. Und das ist genau das, was die Jamaika-Parteien besonders fürchten – Neuwahlen könnten der AfD weitere Bundestagsmandate bescheren und insbesondere die CDU/CSU abstrafen für das misslungene Jamaika-Experiment. Bei den Anhängern der „Schwarzen“ sind denn auch nur 67% für Neuwahlen, das ist die geringste Quote. Die Umfrage stammt vom 6. und 7. November, die Zustimmung zu Neuwahlen dürfte mittlerweile sicher nicht kleiner geworden sein – möglicherweise mit Ausnahme der Anhänger von CDU/CSU.

Wie könnte es weiter gehen? Die SPD will bei ihrer „harten“ Haltung bleiben und einer Merkel-Regierung nicht noch einmal in den Sattel zu helfen (um dann als Stallbursche im Dreck zu landen). Mal sehen… Ansonsten erscheint es mir am wahrscheinlichsten, dass die „Schwarzen“ versuchen, schnellstmöglich eine Minderheitsregierung zustande zu brinden – natürlich unter Merkel. Mit wem? Ich kann mir nicht helfen, ich tippe weiterhin auf die FDP (trotz aller angeblicher Animositäten von Herrn Lindner Frau Merkel gegenüber).

Es heißt im Blätterwald, der Jamaika-Abbruch schocke die deutsche Wirtschaft. Nimmt man den DAX als Maßstab dafür – der liegt um die Mittagszeit knapp behauptet bei 13000. Euro/Dollar läuft seitwärts leicht unter 1,18. Was für ein Schock! Der angebliche Schock betrifft angebliche Unsicherheit über den weiteren Kurs Deutschlands. Mit Jamaika hätte es (auch) Unsicherheit gegeben – und zwar permanent. Insofern hat sich nichts geändert.

Ergänzung:
Politische Stagnation wirkt sich auf die Wirtschaft nicht zwangsläufig negativ aus. In der Vergangenheit gab es in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, etwa in Belgien, Italien, den Niederlanden und Spanien lange, teils sehr lange Verhandlungsphasen, bis eine neue Regierung stand. Trotzdem nahm während dieser Zeit das jeweilige BIP häufig zu.

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