Eurozone – ist das Wachstum nachhaltig?

Die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone hat im zweiten Quartal an Dynamik gewonnen. Das BIP steigt um 0,6% im Vergleich zum Vorquartal nach plus 0,5% im ersten Quartal. Dabei stützten sowohl die externe, wie auch die interne Nachfrage. Die Entwicklung hat die Erwartungen übertroffen. Auch für das dritte Quartal wird ein rosiges Bild gemalt.

Nach Herbstgutachten führender Wirtschaftsforschungsinstitute für die Bundesregierung hat der Aufschwung der deutschen Wirtschaft an Stärke und Breite gewonnen. Konsumausgaben und Auslandsgeschäft tragen zur Expansion bei. Auch die Investitionstätigkeit kommt spürbar in Gang, ihre Expansionsrate bleibt aber hinter den Werten früherer Hochkonjunkturen zurück. Die hohe konjunkturelle Dynamik in der ersten Hälfte des laufenden Jahres werde sich zwar etwas abschwächen, gleichwohl dürfte das reale BIP in diesem Jahr um 1,9% und im nächsten Jahr um 2,0% Prozent zunehmen. 2016 war das reale BIP um 1,9% angewachsen. Die gesamtwirtschaftliche Auslastung steigt, die Wirtschaftsleistung liegt über dem Produktionspotenzial. Das dürfte dazu führen, dass die Unternehmen mehr und mehr Erweiterungsinvestitionen vornehmen. Die Exporte werden von der kräftigen Weltkonjunktur und vom sich fortsetzenden Aufschwung in der Eurozone stimuliert. Der deutsche Verbraucherpreisindex steigt in 2017 und 2018 um jeweils 1,7% nach 0,5% in 2016, so die Prognose.

Die Erwartungen für das globale Wirtschaftswachstum liegen bis in 2018 hinein oberhalb von 3,1%. Im August 2016 lagen die Schätzungen für 2017 und 2018 noch bei etwa 2,9%. Aktuell wird für 2017 ein Plus von 3,1% erwartet, für 2018 soll sich 3,15% ergeben (Chartquelle).

Bei der Suche nach den Faktoren, die die wirtschaftliche Belebung der Eurozone bewirkt haben, wird hier herausgestellt, dass der Transmissionsmechanismus der EZB in den Peripherie-Ländern wiederhergestellt wurde und mittlerweile sogar stärker durchschlägt als in den Euro-Kernstaaten. Belegt wird das an einer über 24 Monate gehenden gleitenden Korrelation zwischen der Overnight-Interbankenrate der EZB, die sowohl den Hauptrefinanzierungssatz als auch die Effekte der QE-Programme und EZB-Kredite an Banken abdeckt, und neuen Geschäftskrediten.

Als Wendepunkt wird ausgemacht die Ankündigung der EZB im Juni 2014, einen negativen Einlagesatz einzuführen und billige langfristige Kredite an die Banken zu vergeben (TLTRO (targeted longer-term refinancing operations)). Zuvor hatten Zinssenkungen der EZB nicht dazu geführt, dass die Zinsen für neue Kredite an den Unternehmenssektor ebenfalls sanken. Auch vom Ende 2014 begonnenen QE-Programm, das ab 2015 auch Staatsanleihen umfasste, profitierten die Banken der Peripherie überdurchschnittlich stark, da sie Kapitalgewinne durch ihre Wertpapier-Bestände erzielten konnten (Chartquelle).

Sehen wir mal davon ab, dass eine Korrelationsrechnung keinen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang herstellen kann. Im strengen Sinne ist die obige Darstellung damit zwar unwissenschaftlich, aber in Kredit-getriebenen Volkswirtschaften trotzdem nicht unwahrscheinlich. Nach Jahren einer durch übermäßige Verschuldung in den Peripherie-Ländern gedrückten Wirtschaftsleistung musste einfach irgendwann der Punkt kommen, an dem eine im Vergleich dazu relativ solide Weltkonjunktur auch hier für Belebung sorgte. Dies forsch einzig Negativ-Zinsen und Geldschwemme zuzuschreiben, ist zumindest fragwürdig.

Immerhin weist der Artikel darauf hin, dass der Gesundheitszustand der Banken in der Eurozone auch weiterhin schlecht ist. Das gilt insbesondere für den italienischen Bankensektor, wo das Risiko besonders stark konzentriert ist. Immerhin aber sei es ein essentieller Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Erholung, dass die EZB mit ihrer Geldpolitik wieder die Kreditzinsen beeinflusst, heißt es. Die italienische Wirtschaft läuft der Erholung der Eurozone hinterher, für 2018 wird ein Wachstum von lediglich 1,1% vorhergesagt.

Die spannende Frage ist, wie nachhaltig die Reinkarnation der monetären Transmissionsmechanismen in der Eurozone ist.

Über stabile wirtschaftliche, soziale und finanzielle Rahmenbedingungen erzielte Produktivitätszuwächse finanzierten lange Zeit steigende Löhne, den Ausbau der Sozialsysteme und schließlich auch eine wuchernde Brüsseler Bürokratie. Die lockere Geldpolitik, die weltweit seit Beginn der 1990er Jahre Einzug gehalten hat, aber hat die Unternehmen immer mehr an Gewinne aus sinkenden Finanzierungskosten gewöhnt.

Dadurch haben Innovationsbereitschaft und Effizienzstreben gelitten und das belastet das Wirtschaftswachstum. Die extrem lockere Geldpolitik der EZB der zurückliegenden Jahre hat diese Effekte massiv verstärkt. Gleichzeitig treibt sie die Aktien- und Immobilienpreise nach oben.

Davon profitieren vor allem die wohlhabenden und älteren Menschen, bei denen sich die Vermögen konzentrieren. Junge Menschen sehen sich hingegen sinkendem (Real-)Lohnniveau und sinkenden Rentenansprüchen gegenüber. Nicht zuletzt drücken auch höhere Immobilienpreise und Mieten, an denen die älteren verdienen, auf ihren Lebensstandard.

Mit sinkenden Produktivitätsfortschritten gibt es aber auch immer weniger zu verteilen. Wird irgendwo mehr ausgegeben, muss an anderer Stelle eingespart oder das Loch mit Verschuldung (zeitweilig) gestopft werden.

Die folgende Graphik (Chartquelle) zeigt den Verlauf der Produktivitätszuwächse seit 1990 in den Ländern der EU28, sowie auch den durchschnittlichen Geldmarktzins. Ab 2012 liegt der Leitzins bei null, die immensen Wertpapierkäufe der EZB wurden in Zinssenkungen umgerechnet, so dass der Zinsindex mittlerweile deutlich negativ ist.

Der Chart zeigt auch, dass die Unterstützung für die etablierten Parteien abnimmt – immer mehr Wähler wenden sich Parteien am linken und rechten Rand zu. Um dem Missmut der Wähler zu begegnen, erhöhen die etablierten Parteien die Staatsausgaben. Das aber geht angesichts der sinkenden Produktivitätsfortschritte nur über weitere Verschuldung.

Die Spirale nimmt ihren Lauf: Die EZB muss immer mehr Staatsanleihen kaufen, um das finanzierbar zu halten. Das aber verstärkt das negative Wachstums- und Verteilungsumfeld. Zudem sieht sich die etablierte Politik genötigt, mit mehr Regulierung, Handelsschranken und Barrieren für die Zuwanderung von Arbeitskräften einzugreifen, da der sinkende Wohlstand zunehmender Bevölkerungsschichten in der Regel freien Märkten, Globalisierung und Mobilität der Arbeit innerhalb der EU zugeschrieben wird. Auch das belastet die Produktivitätsentwicklung.

Damit lautet die Antwort auf die obige Frage nach der Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Belebung in der Eurozone: Die EZB alimentiert mit ihrer Politik der Geldflut in erster Linie marode Banken und Staaten der Eurozone und untergräbt das wirtschaftliche Fundament in der Eurozone. Damit ist die Gefahr groß, dass die im Kontext der wiederbelebten Transmissionsmechanismen der Geldpolitik zuletzt neu vergebenen Kredite recht bald faul werden. Das führt dann dazu, dass der wirtschaftliche Aufschwung schnell wieder dahin ist.

Ergänzung:
Lesenswert auch "Die EZB treibt die politische Polarisierung"

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