Fed – der große Schrumpf?

Am Mittwoch hat die Fed Details zu ihrem Vorhaben vorgelegt, ihre Bilanz zu verkürzen. Diese war im Zuge der diversen QE- und sonstigen Rettungsmaßnahmen nach 2008 auf zuletzt 4,5 Bill. Dollar angeschwollen. Davon entfallen 2,5 Bill. Dollar auf US-Staatsanleihen und 1,8 Bill. Dollar auf MBS (mortgage-backed securities – Hypotheken-gesicherte Anleihen).

Von den in die Wirtschaft gepumpten Geldmitteln sind per August 2,22 Bill. Dollar als Überschussreserven der Banken wieder bei der Fed gelandet (blaue Linie in folgendem Chart). Damit beläuft sich der Netto-Effekt der Bilanzverlängerung der Fed auf die Liquidität auf 2,24 Bill. Dollar (grüne Linie). Ende 2016 lag dieser Effekt bedingt durch geringere Überschussreserven bei gut 2,53 Bill. Dollar, dem höchsten Wert seit dem offenen Ausbruch der Finanzkrise. Seitdem haben die Überschussreserven wieder zugenommen. Sofern ihre Verzinsung (jährlich sichere 1,25%) und die Mindestreservesätze konstant sind, gibt der Verlauf der Überschussreserven auch Hinweise auf die Aktivitäten der Banken. Offenbar war Ende 2016 ihre Bereitschaft besonders ausgeprägt, Kredite zu vergeben (Chartquelle).

Wenn die Fed beginnt, die in ihrer Bilanz stehenden Anlagen zu verkaufen, schöpft sie damit Liquidität ab, die Geldversorgung kontrahiert. Nicht wenige Ökonomen behaupten, eine übermäßige Kontraktion der Geldversorgung durch die Fed im Stadium eines reifen Konjunkturzyklus sei häufig der eigentliche Auslöser für Rezessionen. Der Volkswirt Rodi Dornbusch schrieb gar, keine der US-Expansionen in den zurückliegenden 40 Jahren sei im Bett an Altersschwäche gestorben, jede sei durch die Fed umgebracht worden. Ich stimme dem zu – mit dem „kleinen“ Unterschied, dass die Fed Rezessionen in den zurückliegenden Dekaden in der Regel dadurch verursacht hat, dass sie am Beginn eines Konjunkturzyklus eine viel zu expansive Geldpolitik betrieben hat (siehe hier!). Irgendwann gegen Ende des Zyklus kam sie dann nicht mehr umhin, die Schrauben anzuziehen, um den Überschwang, dessen Keim sie selbst gelegt hatte, zu dämpfen.

Die Frage ist, wie die Fed die Gratwanderung zwischen Normalisierung der Geldversorgung und Wirtschaftswachstum hinbekommen will. Die Fed beabsichtigt nicht, Assets in ihrem Bestand aktiv zu verkaufen. Sie will hingegen die Reinvestition von fällig gewordenen Anleihen reduzieren. Das soll im Oktober beginnen zunächst mit einem Betrag von monatlich 10 Mrd. Dollar (Staatsanleihen zu MBS im Verhältnis 60:40). Nach einem Jahr soll dieser Betrag um 10 Mrd. Dollar pro Quartal erhöht werden, und so geht es weiter, bis eine Summe von 50 Mrd. Dollar erreicht ist (siehe hier!).

Damit ergeben sich nach vier Quartalen 120 Mrd.Dollar (oder 5,2% des Netto-Effekts der Bilanzverlängerung der Fed, s.o.), nach acht Quartalen sind es insgesamt 280 Mrd. Dollar und nach 12 Quartalen sind es 480 Mrd. Dollar (vorausgesetzt, es sind dann überhaupt noch so viele Anleihen fällig).

Die Fed legt bei ihrem Plan Wert darauf, dass ihre Bilanzverkürzung graduell und vorhersehbar ist. Gleichzeitig will sie das Niveau der Überschussreserven reduzieren, so dass die Wirkung der Bilanzverkürzung abgefedert wird. Per Saldo wird deren Auswirkung dadurch vielleicht halbiert, also nach einem Jahr Laufzeit möglicherweise in die Gegend von 2,5% des Netto-Effekts der Bilanzverlängerung der Fed auf die Liquidität (s.o.!) kommen. Zum Dritten betont sie nochmals, dass die Zinspolitik ihr primäres Tool der Geldpolitik bleibt und zur Feinabstimmung hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dient.

Der Start der Bilanzverkürzung der Fed scheint zögerlich, aber auf längere Sicht, schon nach einem Jahr, wäre ihre Größenordnung bereits deutlich. Unklar ist bisher, wie die Fed das Niveau der Überschussreserven reduzieren will – prinzipiell kann sie das über deren Verzinsung, wie auch durch höhere Mindestreservesätze bewerkstelligen. Im ersten Fall würden Banken tendenziell dazu bewegt, sich andere Anlagenformen zu suchen, im zweiten Fall würde das Potenzial zur Vergabe von Krediten tangiert.

Sieben FOMC-Mitglieder sehen den US-Leitzins bis Ende 2019 bei oberhalb von 2,75%, fünf wollen ihn sogar über 3% haben. Die Financial Times zieht daraus den Schluss, dass mindestens fünf der 19 FOMC-Mitglieder das Wachstum der US-Wirtschaft bis Ende 2019 aktiv bremsen wollen. Begründet wird das damit, dass der Median-Forecast der Fed für den längerfristigen Ausblick für den Leitzins bei 2,8% liegt, übrigens 1,5% unter der ersten veröffentlichten Projektion in 2012 und 0,2% unter der Projektion aus Juni. Gleichzeitig wird die Arbeitlosenquote bei 4,6% gesehen (aktuell 4,4%), die Wachstumsrate des realen BIP soll längerfristig 1,8% betragen und die PCE-Inflation 2% erreichen. Das passe nicht zusammen, heißt im Zentralorgan der Finanzwelt.

Wie das so ist mit manchen Plänen – meistens kommt es anders, als man denkt. Wie sagte Keynes in seiner „General Theory“ so schön? „Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr darin, neue Ideen zu entwickeln, sondern eher darin, alten abzuschwören.“ Meiner Meinung nach wird die Bilanzverkürzung nicht über ihr Anfangsstadium hinauskommen und damit mehr oder weniger ohne Wirkung bleiben.

Früher, in der „guten, alten Zeit“, als die Preise (Zinsen als Preis für Geld) durch die Geldflut der Zentralbanken noch nicht in dem krassen Ausmaß manipuliert waren wie heutzutage, gab die Zinsstruktur meist einen zuverlässigen Hinweis darauf, ob eine Rezession bevorsteht. Das war immer dann der Fall, wenn die kurzfristigen Zinsen über die langfristigen stiegen. Die Zinsstruktur ist aktuell nicht invers – zuletzt ist der Spread zwischen den 13-wöchigen TBills und den 10-jährigen TNotes klar angestiegen. Allerdings ist der Spread zwischen den 10-jährigen TNotes und den 30-jährigen TBonds gesunken auf jetzt 0,5%. Möglicherweise ist das ein früher Hinweis, dass sich eine solche Entwicklung anbahnt. Im großen Rahmen sinkt dieser Spread seit mehreren Jahren, im Herbst 2015 lag er noch bei fast 0,9%.

Eine Auswertung der Häufigkeitsverteilung bestimmter Merkmale der Zinsstruktur der drei genannten Rendite-Zeitreihen meldet keine statistisch relevante Rezessiongefahr, wenn auch ein gewisse Tendenz dahin. Die Auswertung hatte vor den jüngsten beiden Rezessionen zuverlässig früh gewarnt. Hier mag allerdings der genannte Vorbehalt gelten, nämlich, dass der Zins als der zentrale Preis einer kreditgetriebenen Volkswirtschaft bis zur Unkenntlichkeit manipuliert ist.

Eine andere Betrachtung gilt dem „BofA Merrill Lynch US High Yield Master II Option-Adjusted Spread“. Ein steigender Spread (zu 10-jährigen TNotes) zeigt zunehmende Risikoaversion. Kritische Schwellen würde ich hier bei rund 5% (Warnpegel) und oberhalb von etwa 6,25% sehen. Aktuell zeigt sich hier keinerlei „Gefahr“ und auch kurzfristig kaum Reaktion. Insbesondere die Junkbondmärkte sind hochgradig mit der Liquiditätsversorgung durch die Fed korreliert und dürften folgerichtig auch am stärksten unter die Räder kommen, wenn sich hier eine signifikante Kontraktion abzeichnet (Chartquelle).

Der Schluss, der an dieser Stelle gezogen werden kann: Die Zinsmärkte reagieren bisher kaum auf die Aussicht einer Liquiditätsverknappung. Sie indizieren allerdings weiterhin, dass sich die Wirtschaft anemisch entwickeln wird. Die gleiche Sprache spricht die Inflationsrate, deren Entwicklung die Fed-Chefin auf einer Pressekonferenz gerade erst wieder als Rätsel bezeichnet hat (siehe auch hier!). Auch Aktien im allgemeinen haben kaum reagiert, allerdings zeigten große Technologiewerte zuletzt relative Schwäche. Deren Gewinne haben den Aufschwung im Technologiebereich in diesem Jahr zu einem großen Teil getragen. Deswegen würde ich das bisher als Gewinnmitnahmen einstufen.

Wenn die Fed ernsthaft an die Stärke der Wirtschaft glauben würde, so wie sie das in ihren Verlautbarungen mit kleinen Variationen immer wieder vorgibt, dann hätte sie allerspätestens vor fünf Jahren begonnen, die Leitzinsen anzuheben und ihre Bilanz zu verkürzen. Als Zwischenlösung hätte sie damals zumindest Zinserhöhungen mit weiteren, über ihre Bilanz laufenden Liquiditätsinjektionen kombinieren können, um steigende Kreditzinsen abzufedern. Sie hat nichts dergleichen getan – im Gegenteil.

Jetzt, gegen Ende des laufenden Konjunkturzyklus versucht die Fed, Boden unter die Füsse zu bekommen, um Reaktionsmöglichkeiten in einer künftigen Rezession zu bekommen. Dazu dienen die bisher erfolgten Zinsschrittchen, mit denen signalisiert werden soll, dass sich die Wirtschaft auf gutem Kurs befindet. Das Vorhaben der Bilanzverkürzung dient theoretisch demselben Ziel, aber es ist zunächst nicht mehr als Kosmetik.

Eine wirklich signifikante Bilanzreduktion würde alsbald zu deutlich steigenden Zinsen am langen Ende führen. Das würde die Kreditkonditionen verschlechtern, die die sich sowieso nicht gerade im Steigflug befindliche Wirtschaft ausbremsen und die Kosten für die Neuverschuldung des Staates erhöhen. Dadurch würden Trumpsche Vorhaben konterkariert, sei es die die Staatseinnahmen reduzierende Steuerreform oder kreditfinanzierte Infrastrukturprojekte.

Zudem wurde eine wirklich relevante Bilanzreduktion der Fed die relative Präferenz zwischen Bonds und Aktien über steigende Zinsen am langen Ende längerfristig in Richtung Anleihen verschieben. Das bringt möglicherweise Pensionsfonds recht schnell in Bedrängnis, die in den zurückliegenden Jahren ihren Aktienanteil deutlich gesteigert haben. Zudem lauert das latente Problem der versteckten Staatsverschuldung in Zusammenhang mit Renten und anderen sozialen Posten, die die Staatsverschuldung des Staates mindestens verdoppeln. Das gilt mehr oder weniger für alle entwickelten Volkswirtschaften.

Aus all diesen Gründen wird die Fed nichts tun, was die langfristigen Renditen dauerhaft in die Höhe treibt. Als Anhaltspunkt mag eine seit 30 Jahren etablierte Abwärtslinie gelten, die aktuell für 10-jährige TNotes bei knapp 2,5% notiert. Oder anders herum: Wenn diese Linie dauerhaft nach oben aufgehebelt wird, geht die (Finanz-)Welt, so wie wir sie kennen, unter. Die Fed wird alles tun, um dem entgegenzuwirken. Die Weichen für diesen Ernstfall werden nach und nach gestellt – das Trommeln für die Einschränkung bis Verbot von Bargeld gehört ebenso dazu wie das für negative Zinsen (siehe z.B. hier!).

[Unter Verwendung von Material aus "The big shrink commences".]

In der nächsten Woche könnte es für die Finanzmärkte, insbesondere für Aktien spannend werden. Wahrscheinend wird die erste Version der geplanten Steuerreform vorgestellt. Durchaus denkbar, dass es dann zunächst einmal heißt: "Sell the news." Schließlich haben die Bullen lange darauf hingefiebert. Zudem zeigen Aktien nach VIX mittlerweile ein solches Maß an "Sorglosigkeit", dass ein Rückschlag wahrscheinlicher wird. Übergeordnet würde ich jedoch auch den jüngsten "Coup" der Fed, ihr Vorhaben der Bilanzverkürzung, noch in die lange Reihe der Unterstützungsmaßnahmen für Aktien ansehen.

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