Macron mit absoluter Mehrheit im Parlament

Die Partei des französischen Staatspräsidenten Macron geht aus den französischen Parlamentswahlen klar als stärkste Kraft hervor. Allerdings blieben mit 57% mehr als die Hälfte der Franzosen auch beim zweiten Wahlgang zuhause – die Wahlbeteiligung auf historischem Tiefstand.

Der Sieg ist dennoch etwas Besonderes. Vor einem Jahr noch rechnete kaum jemand mit einem französischen Präsidenten namens Macron. Er wurde zum jüngsten Präsident in der Geschichte der Fünften Republik. Seine Partei „La République en Marche“ hat sich erst vor gut einem Monat als Partei aufgestellt, jetzt sitzt sie mit einer klaren Mehrheit von über 60% im Parlament.

Macron hat das Parlament hinter sich – für die französische Bevölkerung gilt das angesichts der schwachen Wahlbeteiligung und hohen Anzahl der Enthaltungen und ungültigen Stimmen nicht zweifelsfrei.

Das französische Mehrheitswahlreicht hat die Macron-Partei begünstigt. Der Kandidat, der in einem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommen hat, vertritt diesen im Parlament. Erreicht im ersten Wahlgang kein Kandidat die absolute Mehrheit, treten die zwei Kandidaten mit den meisten Stimmen zur Stichwahl an, in der dann die einfache Mehrheit entscheidet. Durch dieses Verfahren werden die Stimmverhältnisse im Parlament nicht repäsentativ abgebildet, kleinere Parteien werden benachteiligt.

Macron hat von diesem Wahlrecht klar profitiert, und das nicht nur bei der jetzigen Parlamentswahl, sondern schon bei seiner Wahl zum Präsidenten Anfang Mai. Vielen Franzosen gilt Macron und seine Partei als das kleinere Übel. In 155 von insgesamt 577 Wahlkreisen konnten die Franzosen am Sonntag nur "En Marche!" wählen, wenn sie weder die extreme Linke noch die radikale Rechte unterstützen wollten. Dort waren im ersten Wahlgang der rechte „Front National“ oder die linke „La France insoumise“ stärkste Kraft.

Macron wollte die breite Mitte mobilisieren, er wollte mitreißen, aufrütteln, neue Impulse geben. Der Wahlausgang könnte signalisieren, dass ihm eher Resignation entgegenschlägt. Das Wahlrecht dürfte dabei ebenso ein Rolle spielen wie die große Anzahl politischer Affären, die das Vertrauen der Bürger in die etablierte Politik erschüttert hat.

Mit über 350 Sitzen hat „La République en Marche“ im Parlament eine komfortable Mehrheit. Die Partei könnte ihre, bzw. Macrons Vorhaben im Alleingang durchboxen. Das würde allerdings dem widersprechen, wie sich Macron vor den Wahlen dargestellt hat – er hat die Erneuerung und die Einheit Frankreichs ins Zentrum gestellt.

Macron will in seinem ersten Projekt den Bürgern das Vertrauen in ihre Politiker zurückgeben. Bürgermeister und Parlamentarier können ihr Mandat demnach dann nur noch 18, bzw. 15 Jahre ausüben. Familienmitglieder dürfen nicht mehr als parlamentarische Assistenten eingestellt werden. Wegen Korruption oder Betrug Verurteilte dürfen sich zehn Jahre lang nicht mehr wählen lassen.

Das zweite Projekt betrifft den Arbeitsmarkt. Macron setzt auf mehr unternehmerische Freiheit. Daher sollen Firmen künftig selbst entscheiden können, wie viele Stunden ihre Mitarbeiter arbeiten, welchen Überstundenzuschlag sie erhalten usw. Entschädigungen bei Entlassungen sollen gedeckelt werden. Die Streik-erprobten französischen Gewerkschaften, die Sozialisten und die linke Partei von Mélenchon haben bereits Proteste gegen diese Reform angekündigt. Zudem will Macron, dass sich Arbeitslose als Bedingung für staatliche Hilfen um Jobs bewerben; eine diesbezügliche Kontrolle gab es in Frankreich bisher nicht. Auch das staatliche Rentensystem soll vereinfacht werden, die Privilegien gewisser Berufsgruppen wollen gekappt werden.

Als drittes will Macron auf europäischer Ebene erreichen, dass die Unter- und Mittelschicht besser geschützt wird. Anderenfalls, so Macron, könnten bald überall rechtsextreme Parteien an die Macht kommen. Dazu sollen u.a. die Entsenderichtlinien geändert werden, damit EU-Ausländer zum selben Lohn arbeiten wie französische. Auch soll die EU laut Macron ein eigenes Budget für Investitionen bekommen. Zudem möchte er Euro-Bonds einführen und so eine gemeinsame Schuldenhaftung erreichen. Da die EU-Staatschefs nach dem Brexit zu größeren Reformen bereit scheinen, könnte Macron mit seinen Vorschlägen Gehör finden – allerdings nicht bei der deutschen Regierung, die hatte schon Ablehnung signalisiert.

Macrons viertes Projekt zielt auf eine ihm direkt untergestellte Task Force ab, die die Informationen der verschiedenen Geheimdienste und Ermittler zum Zwecke der Terror-Bekämpfung zusammenführen soll. Die Gruppe aus zunächst zwanzig Personen soll bei einem Terroranschlag innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen treffen können.

Fünftens schließlich will Macron das Schulsystem reformieren. Dabei geht es u.a. um die Frage, ob wieder die Vier-Tage-Woche mit langen Nachmittagen bis 16:30 Uhr eingeführt wird oder eine Schulwoche mir fünf kürzeren Tagen beibehalten werden soll. Darüber sollen die Kommunen selbst entscheiden können. Das Thema ist ein Politikum, über das lange heftig gestritten wurde (und weiter gestritten werden wird).

Anfang Juli soll es eine Bestandsaufnahme der öffentlichen Finanzen geben. Diese Art nationaler Inventur dürfte auch dazu gedacht sein, den Franzosen die Dringlichkeit der Lage vor Augen zu führen und ihnen die Notwendigkeit für Sparmaßnahmen klar zu machen.

Die Akteure an den Finanzmärkten dürften die geplante Arbeitsmarktreform mit Wohlwollen aufnehmen.

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