Es war einmal Bretton Woods

Waffenverkäufe und Rüstungskredite machten die USA nach dem Zweiten Weltkrieg zum größten Gläubiger weltweit, die vormalige Weltmacht Großbritannien wurde zu einem großen Schuldner. Der gewachsene internationale politisch-militärische Einfluss der USA, sowie der Aufbau eines wirtschaftspolitischen Gegengewichts zur Sowjetunion fand seinen ökonomischen Niederschlag im Mitte 1944 beschlossenen Systems von Bretton Woods. Zur Kontrolle und Durchsetzung des Abkommens wurden die Bretton-Woods-Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) geschaffen.

Im Kern beinhaltete das System von Bretton Woods eine Währungsordnung mit anfänglich geringen Wechselkursbandbreiten, der US-Dollar fungierte als Ankerwährung. Die einzelnen Landeswährungen wurden in Gold oder in Gold konvertierbarer Währung, also Dollar festgelegt. Im Unterschied zum System der Goldwährung gab es keine Deckungsvorschriften für den Geldumlauf. Es gab auch keine Verpflichtung, Ungleichgewichte in der Zahlungsbilanz zu beseitigen. So war es den einzelnen Ländern möglich, eine expansive Geldpolitik im Sinne nationaler Vollbeschäftigung zu betrieben.

Insbesondere das Fehlen von Mechanismen der Zahlungsbilanzanpassung, die Divergenz struktureller weltwirtschaftlicher Entwicklungen und die daraus resultierenden grundlegenden Probleme eines Systems fester Wechselkurse gehörten zu den eingebauten Mängeln, die schließlich dazu führten, dass das Bretton-Woods-System Anfang der 1970er Jahre aufgegeben wurde. Seine Institutionen bestehen mit teilweise veränderten Zuständigkeiten weiter.

Ende der 1950er Jahre hatten ständige, aus Kapitalexport herrührende US-Leistungsbilanzdefizite im Ausland bereits zu hohen Dollarbeständen geführt. Diese überstiegen die amerikanischen Goldreserven bei weitem. Bei festen Wechselkursen musste das das Vertrauen in den Dollar untergraben. Im Bretton-Woods-System war eine Goldeinlösepflicht seitens der USA vorgesehen, der die USA nicht mehr unter allen Umständen hätten nachkommen können.

Andererseits führte der wachsende Welthandel zu einem steigenden Bedarf an Dollar-Währungsreserven. Diese konnten nur durch konstante Leistungsbilanzüberschüsse gegenüber den USA erwirtschaftet werden. Solange ausländische Staaten ein Interesse daran hatten, solche Währungsreserven anzulegen, finanzierte das Ausland die Verschuldung der USA in eigener Währung. Die USA als Reservewährungsland unterlagen so nicht dem Leistungsbilanzanpassungszwang anderer Länder.

Die im Bretton Woods System zusammengeschlossenen Volkswirtschaften entwickelten sich unterschiedlich schnell, ihre Wirtschaftspolitiken und Produktivitätsfortschritte divergierten. Das machte eine Anpassung der Wechselkurse erforderlich. Diese wurde aber häufig so lange wie möglich hinausgezögert. Und so kam es trotz in vielen Ländern vorhandener staatlicher Aufsicht und Genehmigungspflicht für den Devisenhandel im Vorfeld in Richtung der zu erwartenden Auf- bzw. Abwärtsbewegungen immer öfter zu spekulativen Kapitalbewegungen. Seit Mitte der 1960er Jahre traten solche Spekulationskrisen immer häufiger auf, das System fester Wechselkurse zeigte immer größere Schwachstellen. Gegenüber dem Dollar war vor allem die D-Mark stark unterbewertet, die Währungen Großbritanniens, Neuseelands, Israels, Dänemarks und Spaniens wurden hingegen Ende 1967 abgewertet.

Zu einer kurzen Schieflage des Systems war es bereits Anfang der 1960er Jahre gekommen, als sich der auf 35 Dollar je Feinunze festgelegte Basispreis am Londoner Goldmarkt nicht mehr halten ließ. Dies war bereits ein untrügliches Indiz für schwindendes Vertrauen in die US-Währung. Daraufhin wurde im Oktober 1961 ein Goldpool der großen Zentralbanken gegründet, der den freien Goldpreis auf der Höhe des amtlichen Preises halten sollte. Die Diskrepanz zwischen Angebot- und Nachfrage bestand jedoch weiter, weil das Vertrauen in den Dollar durch die zunehmenden Auslandsreserven immer stärker belastet wurde. Aus politischen Gründen hatte bis dato kein Staat den Umtausch der eigenen Dollarreserven in Gold gefordert. 1966 aber löste Frankreich eine Krise aus, als es die USA aufforderte, die französischen Dollarreserven nicht nur in Gold umzutauschen, sondern auch nach Frankreich auszuliefern. Daraufhin wurde 1968 die Einlösepflicht von Dollar in Gold zunächst auf die Zentralbanken der Mitgliedsstaaten beschränkt.

Ende der 1960er Jahre heizte der Vietnamkrieg die Konjunktur in den USA an und sorgte für eine deutlich anziehende Inflation. Durch die hohen US-Militärausgaben und zugleich immer stärker werdenden ausländischen Volkswirtschaften, insbesondere in Japan und Deutschland, geriet der Dollar immer stärker unter Druck. Der Zufluss von Dollar-Kapital insbesondere in die BRD riss nicht ab. 1968 wurde über eine Aufwertung der Mark gegenüber dem Dollar spekuliert. Im November 1968 beschloss die BRD-Regierung, Exporte mit vier Prozent zu besteuern, Importe hingegen um vier Prozent zu entlasten. Das sollte die deutschen Außenhandelsüberschüsse verringern und nahm zunächst Aufwertungsdruck von der D-Mark. Die Stabilität des internationalen Währungssystems wurde vorerst bewahrt. Schon im Oktober 1969 wurde allerdings eine Aufwertung um 8,5% beschlossen, der Wechselkurs der US-Währung sank von vier D-Mark auf 3,66 D-Mark je Dollar.

Die bis dahin gültigen Kapitalverkehrskontrollen wurden im Jahr 1970 durch die USA, Kanada, die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz endgültig aufgegeben. Die BRD-Regierung beschloss im Mai 1971 die vorrübergehende Freigabe des DM-Wechselkurses. Daraufhin brach der Dollar in den folgenden Wochen um 9,3% auf 3,32 je D-Mark ein. Obwohl die Bundesbank die Zinsen kontinuierlich senkte, floss weiterhin spekulatives US-Kapital in die Bundesrepublik. Das sorgte für Aufwärtsdruck auf die bundesdeutsche Inflationsrate, ein Mitte 1973 in Kraft getretenes Stabilitätsprogramm sollte Abhilfe schaffen.

Anfang der 1970er Jahre warben Ökonomen um Milton Friedman für einen Übergang zu flexiblen Wechselkursen und damit für ein Ende des Bretton-Woods-Systems. Der damalige US-Präsident Nixon stoppte Mitte August 1971 völlig überraschend die nominale Goldbindung des Dollar und hob die Dollar-Konvertierbarkeit in Gold auf („Nixon-Schock“). Im März 1973 beschlossen mehrere europäische Länder den endgültigen Ausstieg aus dem System fester Wechselkurse, die Schweiz und Großbritannien gingen voran. Damit brach das System fester Wechselkurse endgültig zusammen und das Bretton-Woods-System wurde offiziell außer Kraft gesetzt. In den meisten Ländern auf der Welt wurden die Wechselkurse freigegeben.

Das Ende des Systems von Bretton Woods hat die Mobilität des Produktionsfaktors Kapital drastisch gesteigert. Es konnte fortan noch einfacher dorthin transportiert werden, wo es optimale Verwertungsbedingungen vorfindet. Damit reduzieren sich die Möglichkeiten der Organisationen des weniger mobilen Produktionsfaktors Arbeit, aber auch diejenigen anderer nationaler Institutionen, mit dem Kapital Bedingungen auszuhandeln oder ihm Beschränkungen aufzuerlegen. Bei Nichtgefallen wandert es eben ins Ausland ab. Mit den zwischen den Produktionsfaktoren einseitig veränderten Macht- und Gestaltungsmöglichkeiten verschiebt sich das gesamte soziale und politische Gefüge innerhalb der Einzelstaaten. Die Folgen der Ereignisse der frühen 1970er Jahre waren neben der Entmachtung der Nationalstaaten und des Faktors Arbeit explodierende Unternehmensgewinne im Finanzsektor, ansteigende Verschuldung und überschießende Spekulation. Zu den Folgen im einzelnen siehe „Vor 40 Jahren endete Bretton Woods“ und „Globalisierung – was ist daran eigentlich neu?“!

Oft wird in Zusammenhang mit dem System von Bretton Woods das Triffin-Dilemma angeführt, nach dem es unmöglich ist, die währungspolitischen Ziele autonome Geldpolitik, Wechselkursstabilität und freier internationaler Kapitalverkehr gleichzeitig zu erreichen.

Feste Wechselkurse und geldpolitische Autonomie, wie sie mit dem Bretton Woods System angestrebt wurden, funktionieren nur, so lange der Kapitalverkehr beschränkt wird. Als Besonderheit kam nach dem Zweiten Weltkrieg hinzu, dass der „Westen“ ein starkes gemeinsames Interesse hatte, sich als wirtschaftlich überlegen gegen den „Osten“ aufzustellen. Gleichzeitig war der Einfluss der USA immens und allgegenwärtig, seine wirtschaftliche Grundlage war der Kapitalexport, der neben der rechtlichen Konstruktion des Bretton Woods Systems durch den wirtschaftlichen Nachholbedarf in den europäischen Ländern, insbesondere in der BRD begünstigt wurde. De facto fand also nach 1945 zunächst gar keine geldpolitische Autonomie statt. Unter der Decke der Beschränkung der Kapitalverkehrs gab es hingegen einen starken „offiziell“ ungeregelten Kapitalzustrom von US-Kapital v.a. nach Europa, aber auch nach Japan.

Bis um 1960, in der Anfangszeit des Bretton Woods Systems, gab es also (relativ) feste Wechselkurse, gleichzeitig war die Geldpolitik in der Praxis ziemlich gleichgeschaltet und der internationale Kapitalverkehr de facto „frei“ (im Sinne der USA). Damit war in der Realität der rechte Schenkel des Triffin-Dreiecks erfüllt und die Entwicklung war relativ spannungsfrei.

Die Konzeption des Bretton Woods System ermöglichte eine autonome Geldpolitik, die die Ungleichmäßigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung der beteiligten Länder begünstigte. Im Triffin-Dilemma gewann damit ab Ende der 1950er Jahre zunehmend der linke Schenkel an Relevanz, gleichzeitig blieb es aber beim sogenannten freien Kapitalverkehr in Form von US-Kapitalexporten. Das musste zu zunehmenden wirtschaftlichen Spannungen zwischen den Mitgliedsländern des Bretton Woods System führen. Als die USA einseitig eine übermäßig expansive Politik einleiteten, war das Ende des System besiegelt.

Nach Scheitern des Systems schwenkte im Rahmen des Triffin-Dilemmas die währungspolitische Zielstellung auf den unteren Schenkel – geldpolitische Autonomie und freier Kapialverkehr galten fortan offiziell als die beiden gemeinsam zu anzustrebenden Ziele. Das gilt mit Einschränkungen bis heute noch.

Das Triffin-Dreieck zeigt sehr anschaulich, aber auch sehr abstrakt, welche Zielkonflikte in der währungspolitischen Ausrichtung bestehen. Man kann sich z.B. lange darüber streiten, inwieweit Freiheit des Kapitalverkehrs mit geldpolitischer Autonomie vereinbar ist. Entscheidend ist, dass hinter allem ein fester ordnungspolitischer Rahmen stehen müsste, der dafür sorgt, dass die Marktmechanismen flexibler Währungskurse tatsächlich funktionieren. Das setzt voraus, dass die Länder gemeinsame makroökonomische Probleme koordiniert angehen. Kein Wechselkurssystem funktioniert, wenn einzelne Länder im protektionistischen Alleingang handeln.

[Unter Verwendung von Material aus „Bretton-Woods-System“]

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