Volatilität im S&P 500 nahe Tiefpunkt

Die Volatilität im S&P 500 wird gewöhnlich mit dem VIX verfolgt. Der Index gilt als Angstmesser an Wall Street. Er drückt die erwartete, implizite Schwankungsbreite des S&P 500 über die kommenden 30 Tage in Prozent aus. Berechnet wird er anhand von Optionspreisen auf den S&P 500. Ein hoher Wert weist auf einen unruhigen Markt hin, niedrige Werte lassen eine Entwicklung ohne bedeutende Kursschwankungen erwarten.

Der VIX wurde erstmals 1993 ermittelt, damals noch auf den S&P 100 und auf der Grundlage von fiktiven Optionen. 2003 wurde die Berechnungsmethode umgestellt auf den S&P 500, seither wird er auch auf Basis von an der Terminbörse CBOE tatsächlich gehandelten Optionen berechnet. Zugleich erfolgte die Rückrechnung auf Basis der neuen Methode bis 1990.

Sein jüngstes Tief hatte der VIX am 3. Juli 2014 mit einem Tagesschlusskurs von 10,32 markiert, zum aktuellen Wochenschluss notiert er nahe daran bei 10,58. Solche tiefen Niveaus zeigen an, dass die meisten Akteure wenig Bedarf sehen, sich gegen mögliche Kurseinbrüche bei Aktien abzusichern. Die Stimmung, die sich daraus ableiten lässt, ist irgendetwas zwischen Sorglosigkeit und Gier. Da der Überraschungseffkt auf der negativen Seite liegt, laufen solche extrem tiefen Niveaus häufig Kurseinbrüchen voraus.

VIX und S&P 500 entwickeln sich im übergeordneten Bild in der Regel gegenläufig. Steigt die Volatilität nach VIX an, dann fällt der S&P 500 – und umgekehrt.

Ende Dezember 1993 erzielte der VIX mit einem Tagesschlusskurs von 9,04 sein bisheriges Allzeittief. Der höchste Schlusskurs seit 1987 (VXO) wurde am 20. November 2008 mit 80,86 Punkten erreicht. Gleichzeitig markierte der S&P 500 einen Schlusskurs von 755. Am 9. März 2009 erreichte der S&P 500 mit knapp 677 nach Ausbruch der Finanzkrise einen Boden, der VIX brachte es am selben Tag nur noch auf 49,68. Divergenzen zwischen beiden Kursen sind häufig ein Hinweis auf eine Trendwende im Aktienkurs.

Der VIX ist ein Oszillator, er kehrt immer wieder zu einem mittleren Wert zurück. Aktienindices mögen diese Eigenschaft vielleicht auch haben, aber wenn, dann nur über einen extrem langen Zeitraum. In der mehr als hundertjährigen Geschichte des Dow Jones Index jedenfalls ging es bisher im großen zeitlichen Rahmen nur aufwärts – vor einigen Tagen überstieg er erst die Marke von 20.000 Punkten. Weil der VIX oszilliert, liefern gleitende Mittelwerte wie z.B. der EMA50 über ein Fenster von 50 Tagen gute Signale. Auch Pegel wie etwa rund 16,50 oder 20 sind recht gute statische Signalgeber.

Da der VIX normalerweise mit höheren Hochs im S&P 500 niedrigere Tiefs ausbildet, gibt er nützliche Informationen, wenn in diesem Spiel Divergenzen auftreten. Steigen beide gleichzeitig an, zeigt das zunehmende Instabilität bei der Kursbildung und eröffnet die Möglichkeit für einen gegen den übergeordneten Trend gerichteten Kursrückgang. Typischerweise wird diese Möglichkeit bestätigt, wenn der VIX in einem 50-Tage-Fenster über seinen gleitenden Durchschnitt (MA50 oder EMA50) steigt.

Auch die Auswertung des Verhältnisses von S&P 500 zum VIX (SPX/VIX) liefert gute kurzfristige Resultate. Mit der Wahl von Trump zum nächsten US-Präsidenten wurde ein davor aktiviertes bärisches Signal revidiert (obere rote Linie im folgenden Chart!). Seitdem ist das Signal überwiegend bullisch. Die Zeitreihe SPX/VIX ist wieder an einem Extremwert angekommen, Instabilitäten aufgrund einer konvergenten Bewegung beider Indices gibt es jedoch gegenwärtig nicht (mehr) wie etwa Mitte Dezember – siehe „Correlation S&P 500–VIX“ im Chart. Zusätzlich lassen sich aus dem Verlauf der Breite des kurzfristigen Bollingerbandes des VIX Rückschlüsse auf die Stimmung gewinnen (blaue Kurve am unteren Chart-Rand!). Je geringer die Schwankungsbreite wird, je eher kann man „klimatisch“ von Gier (Greed) sprechen. Umgekehrt gilt, je breiter das Bollingerband aufgeht, um größer ist die kurzfristige Unsicherheit bis Angst (Fear). Nach der Trump-Wahl lief der „Klima“-Indikator in Richtung Greed und hält sich seitdem hier auf. Umkehrsignale sind bisher nicht auszumachen.

Interessante Einblicke liefert auch die Gegenüberstellung der Volatilität im S&P 500 und im VIX. Ich lege hier ein Fenster über 30 Kalendertage zugrunde, was etwa 22 Handelstagen entspricht. Die Volatilität wird berechnet als Standardabweichung der täglichen Änderungen (relative Differenz). Um die Ergebnisse vergleichbar zu machen, werden sie standardisiert.

Im folgenden Bild ist im oberen Chart rot die (historische oder realisierte) Volatilität des S&P 500 und gelb die Volatilität des VIX aufgetragen, also die Schwankung in den Erwartungen hinsichtlich der künftigen Volatilität im S&P 500. Unten sind in denselben Farben die originalen Zeitreihen dargestellt. Im mittleren Chart wird der standardisierte Spread zwischen den beiden Volatilitäten gezeigt. Übersteigt der die braune Signallinie, ist die Änderung des Spread statistisch signifikant. In den Original-Kursverläufen (unterer Chart) sind diese Signalzeitpunkte braun-gestrichelt markiert.

Die so generierten Signale warnen häufig frühzeitig vor Kurseinbrüchen beim S&P 500. So wurde z.B. im Dezember 2015 bereits vor einem Kurseinbruch gewarnt – der kam dann auch mit dem Jahreswechsel und hielt bis in den Februar 2016 an. Offenbar steckt folgendes dahinter: Bereits eine leicht anziehende Volatilität im VIX zeigt an, dass die Akteure dem “Bullen-Braten” nicht mehr so recht trauen. Das geschieht häufig deutlich bevor die Schwankungen im S&P 500 zunehmen – siehe den Vorlauf der gelben Linie im oberen Chart. Wenn diese dann schließlich auch zunehmen, überschlägt sich das Geschehen.

Aktuell gibt es (noch…) keine Anzeichen im Volatilitäts-Verlauf des VIX, dass ein signifikanter Einbruch im S&P 500 bevorsteht. Die Situation ist statisch vielleicht am ehesten vergleichbar mit Anfang Juli 2014, als der VIX sein jüngstes Tief ausbildete. Das Blatt wendete sich damals allerdings recht bald – am 18. Juli hat der Volatilitäts-Spread ein Warnsignal generiert, da notierte der S&P 500 bei 1978. Kurz darauf tauchte er ab und verlor bis zum 7. August rund 3,5%.

Häufig benötigen die Akteure nach einem Tiefenrausch im VIX Zeit, bis wieder neues Vertrauen in steigende Kurse entsteht. So folgte denn auch am 26. September bei 1983 die nächste Warnung, das folgende Tief wurde am 15. Oktober bei 1862 erreicht, ein Abschlag von schon 6,2%. Am 11. Dezember kam das nächste Warnsignal, nach einem kurzen Einbruch aber war die Situation zunächst bereinigt. Es schloss sich eine volatile Seitwärtsbewegung an, der dann neue Hochs folgten. Anfang Mai und Ende Juni 2015 gab es jedoch erneut erhebliche Divergenzen zwischen der Volatilität in VIX und S&P 500. Ende August folgte ein scharfer Einbruch, von dem aus Ende September der Weg frei wurde für einen neuen Anlauf auf alte Hochs.

Anfang und Mitte Dezember 2015 traten aber wiederum signifikante Volatilitäts-Divergenzen auf (siehe Signale im Chart!), denen ein bis in die erste Hälfte Februar 2016 laufender heftiger Kursverlust folgte. Dieser wurde entschlossen gekauft und der damit gestartete Aufwärtstrend hält bis heute an. Der VIX befindet sich nun erneut im Tiefenrausch, die Akteure geben sich sorglos.

Es ist zwar so: Wenn alle dasselbe erwarten (oder nicht erwarten), geschieht oft das Gegenteil. Da es aber bisher keine belastbaren Indizien für ein Ende der Aufwärtsbewegung im S&P 500 gibt, sollte man im Zweifel davon ausgehen, dass er anhält.

Der S&P 500 steht jetzt knapp unter der Oberseite eines Aufwärtskanals aus 2009. Hier dürfte es vermutlich in der erreichten überkauften Situation zu einer Konsolidierung kommen, zumal auch die Psycho-Marke von 2300 ansteht. Eine Konsolidierung kann sich zu einem Einbruch ausweiten – kann, muss aber nicht. Ich denke immer noch, dass die "Trump-Rally" bis ins dritte Quartal hinein anhält, wenn sich die Trumponomics in Markrodaten niederzuschlagen beginnen.

Die erwartete Volatilität im S&P 500 ist im Tiefenrausch, die meisten Akteure sehen keinen Grund, sich gegen fallende Kurse abzusichern. Häufig weisen Spreads zwischen den Volatilitäten von VIX und S&P 500 auf bevorstehende Abschläge im S&P 500 hin. Bisher werden keine Warnsignale in dieser Richtung erzeugt, so dass im Zweifel davon auszugehen ist, das die Aufwärtsbewegung im S&P 500 noch anhält. Kurzfristig dürfte allerdings in der überkauften Situation eine Konsolidierung anstehen.

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